Predigt am Sonnt. „Quasimodogeniti“ - 15.4.2007 Liebe Gemeinde! „Quasimodogeniti“ ist der Name dieses Sonntags heute. Sie wissen ja vielleicht, was das heißt ... „Wie die Neugeborenen“! Ich sag’s ganz ehrlich: Mir war in den letzten Tagen ganz anders zumute, nicht „wie neugeboren“, wirklich nicht. Das hat persönliche Gründe. Viel Arbeit. Aber auch man- chen Ärger und viele Sorgen um Menschen (aus der Gemeinde). Das wird einem an den hohen Feiertagen immer wieder besonders bewusst - und in jedem Jahr deutlicher: Diesen oder jenen aus der Gemeinde hast du wirklich lange nicht mehr gesehen. An Ostern wenigstens war der oder die doch immer in der Kirche. Was ist bloß aus X oder Y geworden. Auch noch anderes macht einem Gedanken: Die Gewalt überall, die Kriege, die Entführungen und die schrecklichen Anschläge im Irak und Afghanistan, über die wir jeden Tag in den Nachrichten hören. Gerade in letzter Zeit war es ja besonders schlimm. Fast täglich Gräueltaten irgendwo. Viele bedrückende Bilder jeden Abend im Fernsehen und düstere Gedanken, die lange mit uns gehen. Das - und noch viel mehr - geht mir durch den Kopf, wenn ich heute predigen soll. Und ich sehe es jetzt und fühle das ja förmlich, ih- nen geht es nicht anders als mir. Und da heißt es heute Morgen: „Quasimodogeniti - wie die Neu- geborenen“??? Liebe Gemeinde, vielleicht ist es heute Morgen ja wirklich einmal an der Zeit, die dunklen Gedanken zu vertreiben! Wenigstens für eine Weile. Immerhin war am vergangenen Sonn- tag Ostern. Aber die rechte Osterfreude wollte in diesem Jahr nicht aufkommen. Vielleicht hatten auch sie in der letzten Woche zu den bedrückenden Nachrichten aus aller Welt auch noch Kummer, Sorgen, Ängste oder Herzeleid um einen lieben Menschen? Lassen sie uns gemeinsam gegen die schlechten Gedanken und Gefühle angehen. Lassen sie’s uns wenigstens probieren, dem Namen dieses Sonntags für uns etwas abzugewinnen: „Wie neugebo- ren“. Eine Hilfe dazu will uns der Predigttext geben. Er ist diesem Sonntag zugeordnet, wie der Name„Quasimodogeniti“ und steht im Evangelium des Markus im 16. Kapitel: Textlesung: Mk. 16, 9 - 14 (15 - 20) Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen. Eine Hilfe gegen die Sorgen und schlechten Gefühle, sagte ich. Worin könnte die liegen? Darin, dass hier von „Auferstehung“ die Rede ist? Ja, eigentlich ist das doch eine wunderbare Sache: Jesus Christus ist auferstanden! Und warum verkündigt das Maria und später die zwei Jünger den ande- ren, wenn nicht darum: Weil das auch das Schicksal aller sein wird, die zu Jesus Christus gehören!? Wir sollen auch auferstehen! Uns ist ein ewiges Leben verheißen - und Gott wird sein Wort halten! Aber bleiben wir hier einen Augenblick stehen: Gott, dem wir in unserem Leben heute doch eine sehr kleine Rolle zuweisen, verspricht uns, dass wir wie sein Sohn nicht im Tod bleiben werden! Gott, dem wir, ja wir, du und ich, in unserem Leben eine Tür nach der anderen weisen, macht uns ein solches Geschenk! Und ist es nicht wahr: In meinem Alltag ist keine Zeit für Gott. In meiner Freizeit auch nicht - die gehört mir. Bei meiner Arbeit kann er mir nicht helfen, wie ich meine, die hat mit ihm nichts zu tun. In meiner Familie wird wenig oder gar nicht von ihm gesprochen, ich habe da Angehörige, die mögen das nicht. In meinem Bett, abends, bevor ich einschlafe ... da bin ich oft so fertig von all den Plagen, all der Hektik des Tages. Und am Sonntag? Eine Stunde Besin- nung, Hören auf sein Wort, Lob und Dank, neue Ausrichtung, Kraftschöpfen ... regelmäßig, jeden Sonntag? Oft war die Woche so hart, da packt man das nicht mehr. Aber wir fragen uns selten ein- mal, warum das eigentlich früher möglich gewesen ist: tägliche Bibellese, stille Zeit für Gebet und Besinnung, am Sonntag in vielen (ländlichen) Gegenden ein 1/2-stündiger Fußmarsch über den Berg zu einem Gottesdienst, der an die zwei Stunden dauerte! Aber wir fragen uns nicht, warum wir eigentlich heute keine Zeit mehr für Gott aufbringen, warum wir nicht um seinetwillen dies oder das lassen, hier oder da nein sagen und hier und dort, am Werk- und am Sonntag Freiräume schaffen für ihn. Und auch das fragen wir uns nicht: Wie das nur kommt, dass dieser Gott, mit dem wir so stehen und es so halten, uns Auferstehung vom Tod und ein ewiges Leben verheißt - trotz al- lem, solchen Leuten, wie wir sie sind. Wirklich: Dieses Geschenk des Lebens ist, wenn uns über- haupt noch etwas erfreuen kann, nun wirklich ein Grund zur Freude! Und da kehren wir jetzt zurück zu dieser Auferstehungsgeschichte und es erscheint uns doch ir- gendwie passend, wenn wir es hören, nachdem Maria davon spricht, dass ihr der Auferstandene be- gegnet ist: „Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht.“ Aber nicht genug damit, den beiden Jüngern, die Jesus auf dem Weg nach Emmaus gesehen haben, geht es nicht anders: „... die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht.“ Und jetzt frage ich mich und frage sie: Wenn wir heute so gleichgültig auf Gottes Ge- schenk der Auferstehung reagieren, liegt das wohl nicht auch bei uns daran, dass wir unserem Gott das einfach nicht mehr abnehmen, dass er seinen Sohn Jesus Christus auferweckt hat zu neuem Le- ben? Oder in den Worten der alten Geschichte gesagt: Glauben auch wir eben nicht mehr, was Ma- ria und die beiden Jünger damals verkündet haben: Der Herr ist auferstanden!? Was können wir tun? - Schauen wir, was der Herr selbst damals getan hat: „Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen.“ Jesus tritt selbst ein in ihr Leben. Er lässt sich sehen, hören, ja, sogar anfassen. Damit vertreibt er allen Unglauben aus den Herzen der Seinen. So finden sie zum Glauben. Und wir? Lässt sich unser Herr denn auch heute noch sehen, hören, anfassen ...? Ich glaube schon! Sehen - da denke ich an die Bewahrung, die wir neulich erfahren haben und an das unverhoffte Glück, das uns vor Tagen widerfahren ist. Im Augenblick, als wir bewahrt wurden oder das Glück empfunden haben, wussten wir es doch: Da hatte ein anderer sein Hand im Spiel. Das war nicht einfach nur Zufall oder die Umstände ... Nur vergessen wir das immer wieder so schnell. Und hören - da sind wir uns sicher schnell einig: Hören können wir das Wort unseres Herrn am Sonntag im Gottesdienst und jeden Tag, wenn wir im Losungsbuch oder in der Heiligen Schrift le- sen. Nur: Vielleicht tun wir das zu selten oder lassen uns sein Wort zu wenig nahe gehen? Und selbst „anfassen“ lässt sich unser Herr heute, in unseren Tagen: In unseren Abendmahlsfeiern können wir ihn sogar schmecken! Sein Leib, für dich gegeben ... Sein Blut für dich vergossen zur Vergebung der Sünden. Nur gehen wir vielleicht zu wenig zu seinem Tisch? Kann uns darum die Gabe seiner Nähe nicht erreichen? Als der Herr damals, als sie zu Tisch saßen, zu ihnen gekommen ist und sie ihn sahen, fanden sie zum Glauben. Die persönliche Begegnung mit dem Herrn schafft den Glauben! An anderer Stelle heißt es im Evangelium: Glaube kommt aus dem Hören. Hören, auf seinen Willen in der Heiligen Schrift oder in der Verkündigung des Wortes. Und auch das Mahl unseres Herrn hat Kraft, uns auf dem Weg zu einem persönlichen Glauben zu helfen. Bei alledem aber geht es um eins - und das ist die Voraussetzung, die wir schaffen können: Wir müssen Zeit haben für unseren Herrn und seine Sache. Und Zeit, das haben wir vorhin festgestellt, finden wir kaum noch für ihn. Raum geben wir ihm in unserem Alltag sehr wenig und am Sonntag selten: Und das ist selbst bei uns so, die wir heute hier sitzen. Glaube ist und bleibt ein Geschenk Gottes. Aber wir können uns empfänglich machen für dieses Geschenk, indem wir uns Zeit nehmen und Gott Zeit geben: Zum Sehen, dorthin, wo er in unserem Leben tätig ist. Zum Hören, auf die Worte, die von Gott her kommen und uns ganz persönlich mei- nen. Und im Schmecken seines Mahls der Gemeinschaft und der Vergebung, in dem er uns seiner Liebe und Zuwendung immer aufs Neue versichert. Wer sich die nötige Zeit nimmt, erfährt auch die Freude, die damals und heute mit dem Glauben an Jesus Christus verbunden ist: Er ist auferstanden und wir sollen auch auferstehen. Geben wir diesen österlichen Gedanken mehr Raum bei uns. Lassen wir Gott bei uns zum Zug kommen. Wir haben gesehen, wo es bei uns fehlt: Wir räumen Gott nicht die Zeit ein, die ihm als unserem Schöpfer gebührt. Ja, fangen wir an dieser Stelle an: Zeit für Gott haben, jeden Tag, überall, in Arbeit, Spiel und Freizeit. Hören wir auf seinen Willen, sein Wort von der Auferstehung, der Hoffnung und vom ewigen Leben. Und halten wir diese guten Gedanken im Glauben fest - mag uns auch persönlich und in der Welt manches diesen Glauben schwer machen. Suchen wir umso mehr die Begegnung mit unserem lebendigen Herrn, der zu uns kommt, gegenwärtig ist in seinem Wort und der sich schmecken lässt in seinem Mahl! Wir werden uns fühlen: „Quasimodogeniti“ - wie die Neugebore- nen!