Predigt zum 3. Sonnt. nach Epiphanias - 21.1.2007 Textlesung: Jh. 4, 5 - 15 Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde. Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! Denn seine Jünger waren in die Stadt gegan- gen, um Essen zu kaufen. Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Ge- meinschaft mit den Samaritern. - Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir le- bendiges Wasser. Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser? Bist du mehr als unser Vater Ja- kob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, son- dern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt. Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen! Liebe Gemeinde! Wir können das hier zwischen Jesus und einer samaritanischen Frau geführte Gespräch wohl kaum auf Anhieb verstehen, nicht einmal den Wörtern und ihrer Bedeutung nach. Das müssten wir aber, um uns dann auch den tieferen Sinn dieser Geschichte zu erschließen - und daran liegt viel, denn es ist ein wunderbarer Sinn, der uns im Glauben froh und in der Hoffnung fest machen kann. Gehen wir einmal der Geschichte entlang und versuchen wir zu klären, was nicht gleich verständlich ist: Jakobs Brunnen war 35 Meter tief und hatte immer Wasser. Anders als in einer Zisterne floss hier nicht nur Wasser nach, wenn es regnete: Es gab in der Tiefe eine Quelle, die nie versiegte. Wenn Jesus hier die samaritanische Frau anspricht, so war das gleich eine doppelte Verletzung al- ler Anstandsregeln in Israel: Einmal durfte ein Mann überhaupt keine Frau ansprechen und die Frau durfte sich nicht ansprechen lassen! Und dann war sie auch noch aus Samarien, einem Teil Israels in dem Menschen wohnten, die einen anderen Glauben hatten als die Juden. Mit diesen Leuten dur- fte ein frommer Rabbi, wie Jesus einer war, schon gar nicht reden. Aber Jesus möchte der Frau deutlich machen, wer er ist und dass in und durch ihn auch die re- ligiösen Unterschiede zwischen den „rechtgläubigen“ Juden und den Samaritern aufgehoben sind: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser. Aber es musste ja so kommen: Die Frau missversteht Je- sus gründlich: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; wo- her hast du dann lebendiges Wasser? Sie kann, wenn sie „lebendiges Wasser“ hört, nur an die Quelle in der Tiefe des Jakobsbrunnens denken und die ist diesem Fremden ohne Eimer oder Schöpfrad doch unerreichbar. Wir müssen befürchten, dass die Frau jetzt auch nicht versteht, was ihr Jesus weiter sagt: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt. Denn das ist ihre Antwort im nächsten Vers, der nicht mehr zum Text gehört, den ich vorhin zu Beginn dieser Predigt gelesen habe: Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen! Sie kann nur daran denken, dass sie sich mit Jesu Hilfe vielleicht die Gänge zum Brunnen und das mühsame Schöpfen ersparen könnte. Liebe Gemeinde, wir wollen jetzt aber in die Tiefe dieser Geschichte gehen. Wir wollen sozusagen zur Quelle des lebendigen Wassers vorstoßen - dort werden wir die eigentliche Botschaft dieser Verse finden! Ein wenig scheint es ja, als habe uns der Evangelist Johannes diese Geschichte bewusst so erzählt, dass diese samaritanische Frau am Ende doch ziemlich dumm und unverständig erscheint. Jeden- falls kann Jesus seine Worte nur darum so sagen, wie er’s tut, weil diese Frau so wenig begreift, wer er ist und was er eigentlich meint. - Aber was meint er? Er spricht nicht vom Brunnen Jakobs, wenn er vom Wasser spricht! Und er denkt nicht an die Quelle in der Tiefe, die das Wasser dieses Brunnens lebendig macht. Jesus spricht von sich selbst und das ganz deutlich und in Vollmacht: Ich bin das lebendige Wasser! Wenn ein Mensch mich hat, dann wird ihn nie mehr dürsten. - Gewiss, das ist eine poetische und hintergründige Sprache, aber wir verstehen sie wohl! Nicht nur Jesus spricht ja manchmal so. Die ganze Bibel ist voll von sol- chen Sprachbildern. In den Psalmen: Der Herr ist mein Hirte, er ist mein Fels, mein Schild und Schutz, Gottes Güte ist wie die Sonne ... Oder in den Evangelien: Christus ist der Weg, die Tür die Wahrheit, das Leben. Oder den Paulusbriefen: Wir sind Wettkämpfer und laufen alle in einer Arena, der Apostel selbst nennt sich eine unzeitgemäße Geburt und spricht vom Pfahl im Fleisch seines Leibes. Und wir kennen eine solche Sprache auch von den Dichtern aller Zeiten: Schön wie ein Blume, Schnee, der wie ein Leichentuch über der Landschaft liegt, Liebe, die wie Feuer brennt und Schmerz, der durch das Herz geht wie ein Schwert ... Jesus sagt: Ich bin wie „lebendiges Wasser“. Wie viel liegt darin! Lebendig ... er ist an ewige Quel- len angeschlossen. Er ist von Gott gesandt, Gott ist bei ihm, in ihm. Lebendig ... dieses Wasser ver- siegt nie, wie eine ewige Quelle niemals versiegt. Wasser ... lebensnotwendiges Nass, Pflanzen, Tiere und Menschen müssten sterben, hätten sie es nicht. Wasser ... erfrischend und belebend, neue Kraft, neues Leben, neue Energie ... Wasser ... Reinigung von allem Schmutz, allem Staub, in der Taufe von aller Sünde, von allem was uns von Gott trennt ... Wasser ... schließlich auch tragendes Element, wie das Meer oder ein Fluss die Schiffe trägt, so trägt uns das lebendige Wasser „Jesus Christus“ durch unser Leben. „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten ...“, sagt Jesus. Und anders als die samari- tanische Frau es konnte, denken wir an das Versprechen, das zum größten und schönsten zählt, das Jesus uns macht: Dass nämlich dieses Leben nicht einmal versiegt. Dass der Strom unserer Jahre am Ende nicht im Nichts versandet, sondern hinüberfließt in Gottes ewige Zukunft. Dass wir eben von Jesus „lebendiges Wasser“ zu trinken bekommen, Wasser, dass uns niemals ausgeht, auch im Tod nicht. Aber achten wir auch auf diesen Gedanken: „...sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“ Auch in uns wird eine Quelle entstehen. Auch in unserem Herzen wird lebendiges Wasser fließen - und niemals wird es uns ausgehen. Und vielleicht fällt uns hier das andere Wort ein, das wir ein wenig später auch im Evangelium des Johannes lesen können: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ So wie uns von unserem Herrn lebendiges Wasser herkommt, so können alle Mitmenschen bei uns lebendiges Wasser finden und daran satt werden: Wenn wir die Liebe unseres Herrn zu uns an sie weiterschenken. Wenn sie an uns einen Menschen finden, der ihnen zuhört, Verständnis hat, sich ihre Sorgen und Nöte nahe gehen lässt, ehrliche Worte sagt und auch tätig hilft, wenn sie das brauchen. Und der Gedanke ist durchaus nicht zu groß, wenn wir sagen: Das „lebendige Wasser“, das die Menschen bei uns „trinken“ können, wird ihnen auch zu einer Quelle werden, die sie selbst zu Jesus Christus führt. Es ist ja auch in uns sein Wasser, mit dem er uns getränkt hat. Wir geben nur das weiter, was er uns schenkt. Das wird nun wieder andere Menschen auf IHN hinweisen. Der Kreis schließt sich. Die Liebe, die von ihm her- kommt, rundet sich. Aber nehmen wir ruhig auch noch diesen Gedanken der samaritanischen Frau auf - sie hat ja ei- gentlich ja gar nicht so Unrecht: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen! Wir müssen nirgendwo anders hingehen, um alles zu fin- den, was zum Leben nötig ist! In Jesus Christus haben wir ein für alle Mal die lebendige Quelle ge- funden, die uns erfülltes Leben bringt - in dieser und einmal in der ewigen Welt! AMEN