Predigt zum Altjahrsabend - 31.12.2006 Textlesung: Jh. 8, 31 - 36 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden? Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Der Knecht bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei. Liebe Gemeinde! Am Altjahresabend - wie die Kirche Silvester nennt - fühle ich mich vor dem Gottesdienst immer so, wie wir alle uns an der Schwelle eines neuen Jahres fühlen: Ich weiß nicht, was kommt, genau genommen: „wer“ kommt: Werden viele junge Leute da sein? Werde ich mehr ältere Zuhörer ha- ben? Man will ja - gerade an einem solchen Abend - die Menschen persönlich ansprechen. Man sucht Beispiele oder Geschichten aus dem Leben, die diese oder jene verstehen, die alte oder junge Leute aufhorchen lassen. Wie gesagt: Altjahresabend weiß man das nicht vorher. Das ist jedes Jahr wieder eine Überraschung. So viel zu mir - vor dem Gottesdienst. Aber wir haben aber auch alle bestimmte Gedanken gemeinsam. Gerade am Jahresschluss: Wir sind nämlich unsicher, wenn wir an die kommenden 12 Monate denken. Ja, mancher hat richtig Angst! Vielleicht macht einer im nächsten Sommer die Prüfung, von der seine berufliche Zukunft abhängt? Für eine andere steht möglicherweise Arbeitslosigkeit bevor? Ein dritter will sich lange schon ver- ändern und bangt, ob es wohl in diesem Jahr klappt? Bei einer vierten steht privat eine wichtige Entscheidung an. Ein fünfter fürchtet sich vor der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land - da mögen die Politiker den Aufschwung beschwören, wie sie wollen. Einer sechsten scheint die Gefahr für die Gesundheit durch Gentechnik und Massenproduktion unserer Lebensmittel im- mer größer zu werden. Ein siebter wieder blickt auf sich selbst und die Krankheit, an der er leidet und fragt sich, ob es wohl besser oder schlimmer wird ... Wir alle machen uns heute Abend so unsere Gedanken. Jeder hegt Hoffnungen, jeder ist aber auch bange. Jeder würde gerne schon ein wenig den Schleier lüften, der über den nächsten 365 Tagen liegt. Jeder! --- Jeder? - Das stimmt nicht ganz. Manche, eigentlich wohl recht viele, haben da Methoden entwi- ckelt, die es ihnen erleichtern sollen, mit dem Jahreswechsel, mit den Gedanken und Befürchtungen dieser Nacht fertigzuwerden. „Alkohol“ heißt die eine und „Lärm“ bezeichnet die andere. Der Kon- sum von Alkoholischem allein an diesem Abend geht in die Millionen. Und einige 10 Millionen Euro werden die Bundesbürger heute Nacht wieder an Raketen und sonstigem Feuerwerk in die Luft jagen. Beide Arten, diese Nacht erträglicher zu gestalten sind uralt. Der Ursprung der Knallerei ist sogar ganz deutlich vorchristlich, also heidnisch: Mit dem Krach wollte man die bösen Geister vertreiben, dass sie im neuen Jahr keinen Schaden anrichten konnten. Heute können wir darin einen anderen Sinn erkennen: Der Alkohol trübt das Bewusstsein. Er spie- gelt uns etwas vor: Freude, Wohlgefühl, Hoffnung ... Und damit etwas, was eigentlich gar nicht ist. Alkohol soll die Angst zum Schweigen bringen. Nicht anders der Lärm. Wir sagen zwar: Wir wol- len mit der Knallerei das neue Jahr begrüßen, eigentlich aber wollen wir mit dem Krach die Stim- men in unserem Inneren übertönen, die von Furcht und banger Erwartung reden. Ausgerechnet wenn wir die Schwelle in die dunkle Zukunft überschreiten, ausgerechnet um Punkt zwölf, ausge- rechnet wenn das Tor zum Unbekannten aufgeht - greifen wir zum Glas, greifen wir zum Feuer- werk. - Aus Freude über das neue Jahr??? Nicht doch eher aus Angst?! Denn jetzt ist es da, unab- weisbar, jetzt hat es begonnen, die 365 Tage ungewisse Zukunft ... was werden sie mir bringen? Glück, Leid, Krankheit, Tod ... 365 Tage! Viel kann geschehen in dieser Zeit! Wie wird mich der nächste Jahreswechsel antreffen? Wie werde ich das Jahr bestehen? Fragen über Fragen, die uns aufrütteln in dieser Nacht, die unsere Ängste schüren, darum: Her mit dem Glas! Ein kräftiger Schluck und dann noch einer und noch einer, das hilft, meinen viele. Und her auch mit den Kano- nenschlägen und Raketen, kräftig Lärm gemacht, damit wir die schlimmen Gedanken und Gefühle wieder in unser Herz zurückjagen und in die Tiefe unserer Seele. Dass nun keiner denkt, ich spräche jetzt ja doch nur die jungen Leute an! Der Alkohol in dieser Nacht ist durchaus nicht nur ein Problem der jungen Menschen! Und dann: Ich könnte wohl auch noch andere Methoden nennen, diese beängstigende Nacht herumzubringen: Das Bleigießen, das für viele - gerade ältere Leute - durchaus hilfreich dazu ist, die Ängste des Übergangs abzubauen. Oder: Wie viele - auch gerade alte Menschen - verschlafen ganz bewusst den Jahreswechsel, nicht weil sie so sehr der Ruhe bedürfen, sondern um erst dann wieder zu erwachen, wenn das neue Jahr schon ein paar Stunden alt ist, denn gerade in der Geburtsstunde des neuen Jahres überfallen uns die Befürchtungen und Ängste! Was will ich jetzt sagen, um zu helfen, dass wir von unseren Ängsten und Befürchtungen frei wer- den? Gar nichts! Ich will Jesus zu uns sprechen lassen und seine Worte für uns auslegen: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit er- kennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Denn woher kommt die Angst? Doch daher, dass wir nicht wissen, ob wir's packen, ob wir unser Leben meistern, ob uns dies oder jenes gelingt, ob wir durch diese dunkle Zeit hindurchgelangen, ob wir für alles was kommt aus uns selbst genug Kraft haben ... Wir müssten erst einmal die Hal- tung aufgeben, die sich immer selbst behaupten will, die nur der eigenen Kraft vertraut, die meint, ohne Jesus Christus auskommen zu können ... Wir müssten dieses Wort begreifen, das ich uns jetzt einmal in unserer Sprache sage: Wenn du an meinem Wort bleibst ... dann wirst du erkennen, was wirklich wichtig ist und das wird dich frei machen. - Ja, wir müssten bleiben, bleiben an dem Herrn, der das gesagt hat, nicht damals nur, sondern der das jeden Tag neu zu uns sagt. Bleib’ an meinem Willen, an meiner Wahrheit, auf meinem Weg ... Dann könntest du die Prüfung im nächsten Sommer, von der so viel abhängt, in der Gewissheit ma- chen: „Ich bin nicht allein ... und nicht allein auf mich angewiesen! Wie es auch ausgeht, mein Herr ist bei mir und wird mich nicht verlassen.“ Dann könntest du, selbst wenn du deine Arbeit verlierst, doch den Lebensmut behalten. Es gibt an- dere Dinge, die einen Menschen wertvoll machen, als dass er einen Arbeitsplatz hat ... Dein Aus- kommen wird Gott dir und den Deinen dennoch schenken! Dann könntest du, wenn du eine Veränderung planst, davon ausgehen: Es gibt hinter deinem Wol- len und Wünschen auch noch den Auftrag, den Jesus Christus für dich hat. Er hat Aufgaben, die dich mehr erfüllen können als alles, was du selbst bis heute erstrebt hast, wolltest und willst. Dann könntest du, bei der privaten Entscheidung, die im nächsten Jahr getroffen werden muss, auch einmal fragen: Was möchte mein Herr von mir, was wäre wohl sein Wille, dass ich ihn tue? Dann könntest du, wenn dir die wirtschaftliche Entwicklung Sorgen bereitet, einmal wieder auf ein gutes Bibelwort Wort hören und es beherzigen wie: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein! Und das Weniger an Konsum würde sich für dich vielleicht in ein Mehr an wirklichem Leben verwan- deln. Dann könntest du, wenn die Gefahr durch die Gentechnik dich umtreibt, gerade hier deine Aufgabe erkennen: Dich dafür einzusetzen, dass nicht immer mehr und mehr Lebensmittel um den Preis der Natürlichkeit produziert werden und genveränderte Ware klar als solche ausgezeichnet werden muss. Du wirst dann auch spüren: Du bist weder von den Menschen noch von deinem Herrn verlas- sen! Dann könntest du, wenn du deine fortschreitende Krankheit beobachtest und gar um dein Leben bangst, dich getrost auch damit in die Hände deines himmlischen Vaters legen, der ja doch mehr mit dir (und uns allen!) vorhat als diese Zeit in dieser Welt. Mit solchem Vertrauen, mit solchem Hören und Gehorsam gegenüber diesem Wort, müsste es be- ginnen: Wenn du an meinem Wort bleibst ... dann wirst du erkennen, was wirklich wichtig ist und das wird dich frei machen. So müssten wir vor dem Jahreswechsel und der ungewissen Zukunft keine Angst haben. Und zu meiner Unsicherheit in der Erwartung der Menschen, die zu diesem Gottesdienst am Alt- jahrsabend kommen, kann ich jetzt auch nur sagen: Dass wir an Jesus Christus und seinem Wort erkennen, was in Wahrheit zählt und was uns an jedem Tag des Jahres hält, das muss ich jedem predigen heute Abend, da mag er alt sein oder jung! Das muss jeder hören und jeder ist davon persönlich angesprochen. Und alt und jung wird dadurch frei werden, tapfere Schritte ins neue Jahr zu setzen - und das Gläschen Sekt um 12 und ein paar Böller blieben das Beiwerk für einen fröh- lichen und getrosten Übergang in die kommenden 12 Monate an der Hand unseres Herrn Jesus Christus.