Predigt zum 3. Adventssonntag - 17.12.2006 Textlesung: Jes. 40, 1 - 11 Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe emp- fangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden. Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet. Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen. Liebe Gemeinde! Warum sollten wir auf Worte des Propheten Jesaja hören, die dieser vor über 2500 Jahren an Israel in der Babylonischen Gefangenschaft gerichtet hat? Was könnte uns das sagen; wie könnten uns diese Worte helfen? Wir leben doch in einer ganz anderen Zeit, einer anderen Welt und unter ganz anderen äußeren Bedingungen. Sind wir etwa auch gefangen - dass uns einer unsere Befreiung ver- kündigen ud Gnott uns frei machen könnte? Ist Gott denn noch nicht in unserer Mitte - dass wir seinen Weg bereiten und ihm unser Herz auftun müssten? Und schon die ersten Worten muten uns doch seltsam an und irgendwie unpassend: Haben wir das nötig: „Tröstet, tröstet mein Volk!?“ Damals immerhin ist das alles eingetroffen: Ein zweites Mal hat Gott sein Volk aus der Gefangen- schaft geführt - beim ersten mal aus Ägypten, jetzt aus Babel. Wie ein Hirt seine Schafe, so hat er sein Volk heimgeführt. Die Stadt Jerusalem und der Tempel sind wieder aufgebaut worden. Zutiefst entwurzelte, verletzte und gedemütigte Menschen haben Trost erfahren, wieder Heimat und einen neuen Anfang gefunden. Schön zu hören, sagen wir vielleicht. Aber wie spricht das mit uns und was haben wir davon? Wir gestehen uns das ja meist nicht ein, aber so stark, so selbstsicher wie wir uns oft geben, sind wir ja gar nicht. Da gibt es z.B. junge Leute unter uns, die machen sich schon Sorgen darum, wie sie überhaupt in ein Leben hineinfinden sollen, in dem sie sich und einmal eine Familie ernähren können. Unsere Gesellschaft geht ja nicht besonders freundlich und einladend mit jungen Men- schen um: Wenn du heute einen Ausbildungsplatz suchst, dann ist schon das nicht einfach. Richtig schwierig wird es, wenn du auch noch bestimmte Wünsche hast, was das für eine Ausbildung und für welchen Beruf sie sein soll. Das wird ja heute meist vergessen, wenn wir hören: Soundso viele Lehrstellen sind noch zu haben. Das sieht ganz anders aus, wenn wir uns einmal vorstellen, eine junge Frau, die gern Krankenschwester werden möchte, muss stattdessen Malerin und Lackiererin werden. Oder ein junger Mann, der sich für eine Ausbildung zum Automechaniker interessiert, soll eine Metzgerlehre beginnen - nur weil da noch Plätze frei sind. Sicher können wir uns das denken, dass eine solche durch die Umstände und das Angebot aufgezwungene Entscheidung, Menschen für ihr ganzes Leben unglücklich machen kann. Und wer studieren will, der hat heute nicht geringere Probleme, ins „passende“ Studium hineinzukommen. Die Studiengebühren, die bald eingeführt werden sollen, tun ein übriges, manchen, dessen Eltern nicht so reich sind, ganz von einem Studium abzuhalten. - Allerdings sind diese Probleme durchaus nicht die einzigen Sorgen und Schwierigkei- ten der jungen Leute in unserer Zeit. Denn von dem, was einer gelernt hat, hängt viel mehr ab: Ob er einmal heiraten und eine Familie gründen kann. Ob sich eine gewisse Zufriedenheit einstellt mit dem, was man tut und wie man gesellschaftlich dasteht. Alles hängt ja zusammen. Und wir hören ja immer wieder von noch jungen Menschen, die von Anfang an keine Chance hatten und darum auf die falsche Spur geraten. Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat ... Auf einmal beginnen diese uralten Worte doch auch mit uns zu reden - auch mit den Jungen. Was die Jugend heute erlebt, ist doch auch wie eine Gefangenschaft. Und viele, immer mehr in unseren Tagen, brauchen wahrhaftig Trost, dass sie den Mut nicht verlie- ren. Nachdem sie immer wieder erfahren haben, dass kein Ausbildungsbetrieb sie haben will, dass auf Hundert Bewerbungen keine einzige Antwort kommt, dass kein Studienplatz im gewünschten Fach mehr frei ist, dass die Zukunftsaussichten für diese oder jene Ausbildung nicht rosig sind ... Müssen die Jungen da nicht begreifen, dass sie in unserem Staat, in unserer Gesellschaft wenig willkommen sind? Tröstet, tröstet mein Volk! Nein, ich will nun keinen billigen Trost ausstreuen. Gottes Trost ist nie billig. Er ist auch nicht bloß gesprochen ... Gottes Trost greift ein. Er hilft und heilt. Und der An- fang ist vielleicht, dass wir sehen und erfahren: Gott kümmert sich um uns. Er ist nah und er hat meine Sorgen gehört, er kennt meine Angst vor der Zukunft und mein Leid über die Zurückweisung hat er gesehen. Er wird helfen. Er wird heilen. Halte dein Vertrauen zu ihm fest! Aber es sind auch Menschen in den späteren und den mittleren Jahren unter uns. Und ich könnte mir denken, dass es auch denen manchmal unheimlich wird, wenn sie sich fragen, was denn in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren mit ihnen und aus ihnen werden soll. Ob man den Arbeitsplatz wohl behält oder bald - wie so viele in unserem Land - völlig unverschuldet zum Empfänger von Unterstützung und Sozialhilfe wird? Und ob man dann noch einmal hineinkommt in den Arbeits- markt oder ob es dann heißt: „Was, schon 45, da sieht es leider nicht mehr so gut aus für Sie!“ Ob die Kinder ins Berufsleben hineinfinden, sind auch Fragen, die uns in diesen Jahren sehr be- schäftigen können. Und wenn sie dann aus dem Haus gehen und wenn sie einen Partner finden und eine eigene Familie gründen, ist das für uns, die allein zurückbleiben, auch nicht leicht zu bewälti- gen. Und noch viele andere Dinge gibt es, die uns in dieser Lebensspanne umtreiben. Tröstet, tröstet mein Volk! Auch da hinein spricht Gott seinen Trost! Ich bin bei euch. Ihr liegt mir am Herzen und ich will, dass euch nichts zu sehr quält. Wenn ihr im Gebet zu mir kommt, dann werde ich euch nicht abweisen. Mein Ohr ist offen für euch. Mein guter Geist steht euch bei und mein Herz will euer Bestes, euer Glück, den Frieden eurer Seele und dass ihr Vertrauen zu mir habt. Und wir wollen auch noch an die alten Menschen denken. Haben sie die Gedanken der Jüngeren auch nicht mehr, so sind es doch ganz andere Sorgen, die ihnen auf der Seele liegen: Wie kann ich der ständigen Einsamkeit entfliehen? Wie geht es weiter, wenn meine Kräfte mich verlassen? Wird immer ein Arzt in der Nähe sein, ein gutes Krankenhaus und wird es die Möglichkeit geben, mich auch schnell zu erreichen und zu versorgen? Wie wird die letzte Wegstrecke meines Lebens ausse- hen, wie werde ich sie bestehen? Ob wohl lange Krankheit und Behinderung auf mich warten, Zei- ten des Leidens und des Siechtums? Wie lange werde ich mich wohl noch allein versorgen und selbstständig leben können? Was ist, wenn ich gepflegt werden muss? Und ganz zuletzt: Wer wird dann bei mir sein, meine Hand halten und mir Worte sagen, die mir helfen? Und was kommt eigentlich danach für mich? Tröstet, tröstet mein Volk! Was für jüngere Menschen gilt und für die, in den mittleren Jahren, das gilt für die alten noch viel mehr! In Jesus Christus hat Gott sich ein für alle Mal auf die Seite der Schwachen geschlagen. Und alt sein, bedeutet ja meist auch schwach sein, schwächer jedenfalls als in den früheren Zeiten unseres Lebens. Aber wo uns die Kraft ausgeht, da wird Gottes Kraft um so größer! Und wo wir schwach sind, da ist Gott um so stärker. Manchmal haben wir das ja schon in jüngeren Jahren erfahren: Wenn wir selbst nicht mehr weiterkonnten, dann hat Gott uns geführt und durch die schweren Zeiten gebracht. Genau so ist das auch im Alter. Nur loslassen müssen wir uns, fallen lassen - Gott fängt uns auf! Wie das geht? Wenn wir die Hände falten und Gott sagen: Ich kann jetzt nicht mehr! Dann zieht sie in unsere Seele ein: seine Kraft! Und wenn wir nur noch seufzen können und unser Atem stockt ... dann nimmt uns Gott an der Hand und macht es uns leicht hinüberzutreten dorthin, wo sein Sohn uns schon eine Heimat bereitet hat. Wir müssen zwar durch diese letzte Not hindurch, aber wir können es auch: Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Drüben wird es wieder hell für uns und wir werden erfahren, was der Prophet zuletzt verheißt: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der HERR! Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Liebe Gemeinde, in einem letzten Sinn wird Menschen, die zu Gott gehören, nichts Böses wider- fahren. Durch unseren Herrn Jesus Christus ist hier und ewig für uns gesorgt. Allein darauf wollen wir unser Vertrauen setzen! AMEN