Predigt zum Erntedankfest - 1.10.2006 Textlesung: 1. Tim. 4, 4 - 5 Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung emp- fangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. Liebe Gemeinde! Heute sind - wie jedes Jahr am Erntedankfest - (besonders viele) Kinder und junge Leute im Got- tesdienst. Und meist erzähle ich an einem solchen Tag der Kinder wegen in der Predigt eine Ge- schichte. Heute ist es nun so: Ich würde meine Geschichte - um der Kinder willen! - eigentlich lie- ber nicht erzählen. Denn die Sache, um die es in ihr geht, könnte zarten Seelen vielleicht Angst ein- flößen. Andererseits: Die Erzählung vom „Zwiebelchen“, die sie gleich hören sollen, passt so gut zum Erntedank und es liegt auch so viel Sinn darin - ich glaube, ich muss sie einfach vortragen! Es war einmal eine alte Frau, die hatte ihr Leben lang verstanden, ihren Vorteil zu wahren. Alles Gute, wenn man bei ihr überhaupt davon reden konnte, hatte sie für sich selbst getan. Ihre Güter, ihr Auskommen, ihre Nahrung und ihre Kleider, das war alles, was sie beschäftigte. Dank dafür, Gott für seine Gaben zu loben, wäre ihr nie in den Sinn gekommen, geschweige denn, etwas weiter zu schenken, von alldem, was sie hatte und ihr Eigen nannte. Eines Tages starb sie und ... kam schnurstracks in die Hölle! Dort büßte sie jahrelang für ihre Hartherzigkeit, ihre Ichsucht und ihren Geiz. Eines Tages nun bekommt sie vom Fürst der Hölle die Chance, nach oben - in die Welt des Lichts - in den Himmel zu gelangen. Die Bedingung heißt: Sie soll sich einer einzigen guten Tat in ihrem Leben auf der Erde erinnern und sie nennen. Tage und Wochen vergehen. Die Alte sinnt und sinnt. Endlich hat sie's gefunden. Einmal, sie war noch ganz jung damals, hatte sie einer bet- telnden Zigeunerin, die sie um Brot bat, eine kleine Zwiebel geschenkt. Von dieser Zwiebel sagt sie sogleich dem Fürst der Hölle und im selben Augenblick wird ihr von unsichtbarer Hand - von oben her - die kleine Zwiebel hingehalten. Die Schlotten hängen weit herab, fast kann sie die Zwiebel er- greifen, die sie nach dort oben zum Licht und zur Freude bringen soll. Sie reckt sich und endlich hat sie die Zwiebel gepackt, und sie fühlt sich schon empor gehoben, höher und höher ... Da hän- gen sich miteinmal alle die bedauernswerten Mitbewohner der Hölle an die Alte: Sie wollen mit hinauf in den Himmel, zum Licht. Sie aber hängt mit all ihren Kräften an ihrem Zwiebelchen fest, und sie will es nicht teilen mit den anderen und will sie auch nicht mit hinauf nehmen. Und so be- ginnt sie mit den Beinen zu strampeln und zu treten. Es ist ihre Zwiebel und sie soll ihre Rettung sein und nur sie hinauf ins Licht bringen. So war es das Gesetz ihres Lebens - und so hält sie’s auch noch jetzt: Nicht teilen, niemandem abgeben, nur an sich selbst denken! Und so strampelt sie und tritt nach denen, die da an ihr hängen, an ihr und dem Zwiebelchen. Schon ist das Licht ganz nah. Sie erhöht ihre Anstrengungen, die Leute, die sich an ihr festhalten, loszuwerden. Schon fällt der erste zurück in die Tiefe, dann der zweite und dritte und dann immer mehr und mehr ... Als der letzte hinunterstürzt, als sie keine Last mehr beschwert und das Ziel zum greifen nah ist - reißt das Zwiebelchen mitten entzwei. Die Alte stürzt nun selbst hinunter - dorthin, wo nun in Ewigkeit ihr Platz ist. Liebe Gemeinde, sicher hat die Geschichte einige bemerkenswerte Züge. Mir ist diese merkwürdige Sache mit dem Zwiebelchen wichtig: Viele wollen sich daran festhalten, viele wollen daran teilha- ben und am Licht und am Leben, das es verheißt, und seltsam, nicht wahr, alle hält es, alle werden hinaufgetragen, alle hätte es also retten können! Für eine allein, für die Alte, für ihre Selbstsucht, ihren Geiz und ihre Unbarmherzigkeit ist das Zwiebelchen zu schwach. Es reißt und sie muss zu- rück ins Dunkel. Viel Wahrheit liegt in dieser Erzählung! Haben sie das nicht schon erlebt: Sie haben etwas von dem abgegeben, was sie hatten. Und gewiss mehr als ein Zwiebelchen. Es hat weh getan, das herzuge- ben, aber sie taten’s. Was blieb ihnen selbst? Vom geteilten Gut nur ein Rest - oder gar nichts. Und sonst? Ein ganzes Stück Freude! Glück, sich überwunden zu haben und die Dankbarkeit, die sie in den Augen des Beschenkten gelesen haben und vielleicht auch ein Wort des Dankes von ihm. Wa- ren sie nun ärmer? Oder hat es sich nicht eigentlich „gelohnt“? Haben sie - aufs Ganze gesehen - nicht gewonnen? Ja, sie haben solche Erfahrungen gemacht. Warum nur ist dann - auch unter uns - soviel Eigennutz? Warum nur gelingt es uns so selten herzuschenken, zu teilen, selbstvergessen zu geben? Nein, ich meine nicht nur die Gaben, die uns die Ernte beschert hat! Die Ernte war gut, sehr gut in allem. Selbst wer nur den kleinen Garten hinter dem Haus bestellt, ist in diesen Jahr reich gesegnet wor- den, überreich! Nein, nicht das Teilen dieser Dinge, meine ich. Das tut nicht weh! Dieses Jahr nicht! Außerdem: Nicht jede baut ja etwas an, nicht jeder hat ein Stück Garten oder Land. Darum denke ich heute an andere Gaben und will nur drei davon nennen: Unsere Zeit. Wofür verwenden wir sie? - Einen großen Teil für die Arbeit, für unseren Broterwerb. Dagegen ist nichts einzuwenden. Was machen wir mit dem Rest? Überlegen sie selbst, wie viel da- von nur der eigenen Entspannung, Erholung, Kurzweil und Unterhaltung dient und wie viel der Familie, den allernächsten Verwandten zugute kommt. Was bleibt übrig - für andere, zum Teilen, zum Herschenken? Und ich denke an unsere Kraft. - Was tun wir damit? Viel davon bringen wir in unsere Arbeit ein, in unseren Beruf in Betrieb oder Büro. Das muss so sein, gewiss. Und wie verwenden wir die Kräf- te, die wir dann noch haben? Ein wenig geht ins Hobby. Anderes verschleißt sich in verschiedenen Tätigkeiten zu Hause. Und dann? Dann ist es Abend geworden und der Sinn steht uns nach Ausru- hen und Abschalten. Was bleibt übrig - für andere, zum Teilen, zum Herschenken? Und schließlich: Unsere Talente. Jeder hat Gaben und Fähigkeiten, die ihn unverwechselbar ma- chen, die nur er hat und andere nicht oder in geringerem Maß. - Was wird damit? Auch sie bringen wir in Arbeit und Beruf ein. Aus anderem haben wir einen Nebenerwerb gemacht. Dort soll sich lohnen, was wir können. Und der Rest? Da fehlt's dann an Zeit und an Kraft ... Was bleibt übrig - für andere, zum Teilen, zum Herschenken? Und nötig wären wir und unsere Gaben schon! Wie viele, auch in unserem Dorf (unserer Nachbar- schaft, unserer Umgebung), die auf unseren Besuch warten, denen wir ein wenig Zeit schenken könnten! Wie viele in unserer Gemeinschaft, die alleine nicht zurechtkommen und gerade unsere Kraft brauchen! Wie viele hier in diesem Ort, denen unser Talent helfen könnte: Vielleicht das zum Reden - wir könnten ihr Fürsprecher werden, vielleicht das, zu trösten, wir könnten ihnen Mut ma- chen, vielleicht das, Fröhlichkeit zu verbreiten - wir könnten Freude in einen grauen Tag bringen. Ich will noch einmal zurück zu der Sache mit dem Zwiebelchen: Als die Vielen daran hängen, hält es. Als die Alte in ihrer Eigensucht strampelt und tritt und nur noch sie allein sich festhält - reißt es. Ich glaube, wir sollen teilen und abgeben. Und zwar von allem, was wir an guten Gaben geschenkt bekommen. Das Bild ist deutlich und das verstehen auch schon die Kinder: Nur wer teilt, was er hat, kann nach oben, zum Licht gelangen. Wer alles nur für sich haben will, wer die Gaben seines Lebens nur für sich allein festhalten will, stürzt hinunter - und geht am Ende leer aus. Hören wir noch einmal den Predigttext: Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. Liebe Gemeinde, ich glaube, der Schlüssel dazu, dass wir zu anderen, freigebigeren Leuten werden, ist die „Danksagung“, die „Dankbarkeit“, die uns hier empfohlen wird. Wer wirklich dankbar ist für alles, was ihm Gott schenkt, dessen Herz und Hände öffnen sich für die, denen nicht soviel beschert wurde. Und der ehrliche Dank, durch den ich teile und weiterschenke, bestätigt sozusagen auch, dass ich alle Gaben würdig und zurecht empfangen habe! Nichts „ist daran verwerflich“, wenn ich Eigentum besitze, wenn ich wohlhabend bin und es mir gut geht. Die Frage ist immer nur diese: Empfange ich alles mit „Danksagung“? Dann nämlich werde ich es nicht allein für mich behalten, was ich habe und was ich kann, sondern denen damit Freude und Hilfe schenken, die vom Schick- sal nicht so begünstigt sind. Ein kleines Zwiebelchen hätte in meiner Geschichte genügt, die alte Frau in den Himmel und ins Licht zu bringen. Wir, jede und jeder von uns (und auch schon die Kinder!) haben mehr als ein Zwiebelchen zu verschenken! Ein sehr passendes neues Lied zur Predigt finden Sie unter http://www.predigt-eichendorf.de/indexHauptmenueEigLieder.htm: "Danken heißt teilen".