Predigt zum Ostersonntag - 16.4.2006 Textlesung: 1. Sam. 2, 1 - 2. 6 - 8a Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, daß er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse. Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er hat die Erde darauf gesetzt. Liebe Gemeinde! Das soll ein Ostertext sein? Hier geht es um Auferstehung und neues Leben? Ja, wo denn? Und dann sind das auch noch die Worte von Hanna, der Mutter des Samuel aus dem Alten Testament, einige Hundert Jahre bevor Jesus in der Welt war! Habe ich diesen Text wohl nur genommen, weil er uns zu predigen empfohlen ist? Hätte ich denn keinen aus dem Neuen Testament nehmen kön- nen? Sicher hätte ich. Und mir hat dieses Gebet der Hanna für den Ostersonntag auch erst nicht gepasst. Aber dann bin ich dahinter gekommen ... und es sind nicht einmal diese Sätze, die mir diesen Text doch sehr österlich erscheinen lassen: "Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den To- ten und wieder herauf. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, daß er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse." Nein, liebe Gemeinde, es ist der Geist dieser Worte oder besser: Es ist diese gewaltige Freude der Hanna, die so gut zu Ostern passt, denn Ostern ist eigentlich unser größtes Freudenfest! - - - Jetzt denkt sicher die eine oder der andere: „Größtes Freudenfest“ - ist das denn nicht Weihnach- ten? Da wird Jesus doch geboren. Da wird der große Gott Mensch. Kann es eine größere Freude geben? Nun, ich will jetzt das Weihnachtsfest nicht schmälern. Aber wenn wir uns einen Augenblick besinnen ... dann müssen wir doch sagen: Die Freude der Weihnacht stellt sich nur deshalb ein, weil wir wissen, was aus dem Kind in der Krippe später geworden ist. Ohne die Botschaft von Os- tern gäbe es keine Weihnachtsfreude. Und die Jünger Jesu wussten auch noch gar nichts von der Krippe und vom Stall zu Bethlehem und sie hatten keine Ahnung von der so wundersamen Geburt des Herrn, dem sie nachfolgten. Das alles wird sozusagen erst bekannt, nachdem Jesus auferstanden ist am dritten Tag. (Und so ist das Weihnachtsfest ja auch erst 300 Jahre nach dem Osterfest in der Christenheit gefeiert worden.) Aber zurück zur Osterfreude: Die spüren wir schon im Gebet der Hanna! Es ist die Freude, dass vor Gott kein Ding unmöglich ist. Sie war unfruchtbar gewesen, Gott hat ihr aber doch noch ein Kind geschenkt. Sie glaubte, dass sie ohne Nachkommen alt werden und diese Welt verlassen würde, Gott aber hat ihre sehnliche Bitte erhört. Sie hatte schon an den Tod gedacht, Gott hat durch sie neues Leben gegeben. Wenn das nicht österliche Gedanken sind!? Wenn das Gebet der Hanna also nicht doch ein Ostertext ist!? Vielleicht ist das ja auch einmal sehr gut, wenn wir heute eine etwas andere Osterbotschaft hören. Einmal nicht diese doch immer wieder schwer zu begreifende Geschichte von der Auferstehung Jesu, vom leeren Grab und seiner Erscheinung damals vor den Frauen und den Jüngern. Das ist auch Ostern: „Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils.“ Da hat ein Mensch mit Gott etwas ganz Wunderbares erlebt. Hanna ist ganz überwältigt von Freude und Fröh- lichkeit. Sie kann wieder den Kopf heben. Niemand sieht mehr auf sie herab. Allen, die sie ver- spottet und hochmütig über sie gedacht haben, kann sie ihr Glück entgegenschreien: Gott hat mich erhört! Er hat mir ein Kind geschenkt meine Hoffnung erfüllt und mich heil gemacht! Und noch mehr kann Hanna sagen: „Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.“ Hanna weiß jetzt, wer allein helfen kann. Sie kennt die Adresse, an der ihre Sehnsucht, ihre Hoffnung und ihre Bitten wohl aufgehoben sind. Sie hat den Grund ge- funden, den Felsen, auf den sich ihr Lebenshaus bauen lässt. Aber sie hat auch erfahren, dass Glaube und Hoffnung durch Angst, Leiden und Zweifel hindurch- müssen: „Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, daß er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.“ Erst musste Hanna durch Zeiten gehen, in denen ihr der Kummer das Herz ab- gedrückt hat. Erst musste sie den Spott ihrer Mitmenschen ertragen, die Schmach kinderlos zu sein, unfruchtbar - eine schreckliche Schande zu Hannas Zeit. Wie ein Sturz in die Tiefen des Toten- reichs war das für sie. Jahrelang musste sie in Sack und Asche gehen. Umso größer aber die Freude! Gott hatte sie heraufgeholt ins Leben. Erhobenen Hauptes konnte sie nun denen in die Augen sehen, die sie in den Staub getreten hatten. Sie, die wie eine Bettlerin war, ist durch Gott wie eine Fürstin geworden. Nie würde sie vergessen, von wem ihr Heil und Freude herkamen: „Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er hat die Erde darauf gesetzt.“ Gott hat die Welt geschaffen und er sieht doch auch nach den Ärmsten unter der Sonne. Der Grund der Erde ist Got- tes, das Weltall gehört ihm, Tod und Leben, alle Zeit und die Ewigkeit sind in seiner Hand - und er will doch das Leben und das Heil seiner Menschenkinder. Liebe Gemeinde, wir spüren das jetzt alle, wie sehr wir uns auch solche Erfahrungen wünschen. Für uns heute ist es sicher weniger das Leid, dass Gott uns keine Kinder oder Enkel geschenkt hat. Wir haben je nach dem, wie alt wir sind und wo wir im Leben stehen, andere Sorgen und Ängste: Bei den Jungen ist das vielleicht die berechtigte Furcht, keine Lehrstelle zu finden oder keine ange- messene Ausbildung machen zu können. Den Menschen, die mitten im Leben stehen, bereitet es heute oft schlaflose Nächte, wenn sie sich vorstellen, sie könnten den Arbeitsplatz verlieren. Und die Älteren, die denken mit Schrecken an ihre letzten Lebensjahre und fragen sich angstvoll, ob sie die wohl in Würde verbringen dürfen, zu Hause im Kreise ihrer Lieben und geliebt und geehrt bis zum letzten Tag, ohne je das Gefühl haben zu müssen, übrig zu sein und nur noch eine Last ... Hören wir auf Hanna: „Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche ...“ Gott geht mit uns nicht unbedingt den leichten, geraden Weg oben auf der Höhe. Er führt uns durch die Tiefe, durch die dunklen Täler des Lebens, in denen wir kein Licht sehen und uns fast der Atem stockt und die Hoffnung schwindet. Aber er geht auch da an unserer Seite. Er stärkt uns immer wieder auf dem Weg. Wir können uns anschließen im Gebet an seine Kraft. Und er führt uns hindurch, aus der Tiefe nach oben, aus dem Dunkel zum Licht. - So ist das mit Gott: Erst nach einem beschwerlichen und manchmal leidvollen Weg stehen wir auf der Höhe. Aber wir kommen dort an. Gott lässt uns nicht hängen. Sein Ziel mit uns ist gut, Freude und Glück, Heil und Leben. Und das führt uns noch weiter, denn alle Menschen ob alt, ob jung - vielleicht in unterschiedlichem Maß - bewegt doch auch immer die Frage aller Fragen: Was wird einmal aus mir, wenn ich von dieser Welt muss. Ist das Leben zwischen Wiege und Bahre alles? Gibt es eine Auferstehung? Und davon spricht Hanna eben auch: „Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den To- ten und wieder herauf.“ Was Hanna in ihrem Leid erfährt, weist weit über dieses Leben hinaus. Gott hat der Unfruchtbaren ein Kind geschenkt, aus ihr, die dem Tod geweiht schien, kommt neues Leben. Wieviel mehr gilt uns das! Wir haben nun noch gesehen, dass Gottes Sohn in der Welt war. Wir haben seinen Weg durch ein Leben für andere, durch Leiden und Tod mitverfolgt. Und heute hören wir nun die beste aller Botschaften von der Auferstehung unseres Herrn und dass wir ihm einmal ins ewige Leben folgen sollen. Wie sollten wir jetzt noch bei unseren Zweifeln stehen bleiben? Wie sollte unsere Angst nicht über dieser wunderbaren Aussicht in Freude verwandelt werden? Aller Kummer, alle Sorge, alles Leid dieser Welt sind schon überwunden. Es gibt sie wohl noch, aber nur auf Zeit. Wir müssen wohl noch hindurch, aber wir sind dabei nicht allein. Am Ende steht hier in dieser Welt und einmal in der ewigen das Heil Gottes, die Freude und das Leben. Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN ... denn ich freue mich deines Heils, Herr, mein Gott. Liebe Gemeinde, stimmen wir ein in das Gebet der Hanna, dann kann es Ostern werden!