Predigt zum 15. So. nach "Trinitatis" - 4.9.2005 Textlesung: Lk. 18, 28 - 30 Da sprach Petrus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verläßt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. Liebe Gemeinde! Ich finde diese Verse ziemlich ärgerlich! Das "Haus verlassen", die "Brüder verlassen", die "Frau verlassen", die "Eltern und Kinder verlassen" ... Nein, das alles gefällt mir ganz und gar nicht! Wa- rum? Nun, weil hier so getan wird, als wäre es besonders christlich, dazu bereit zu sein, von Haus, Geschwistern, Frau, Eltern und Kindern Abschied zu nehmen. Ich finde, es kann viel schwerer und auch christlicher sein, bei den Brüdern auszuharren, bei der Frau zu bleiben, vor Eltern und Kindern nicht wegzulaufen! Gewiss weiß ich, wie's gemeint ist, aber ein oder zwei andere Dienste für das Reich Gottes hätte ich mir schon gewünscht, als immer wieder dieses "Verlassen" ... positive Dien- ste! Ich glaube, dann würde uns diese Auskunft Jesu zum Lohn der Nachfolge auch mehr packen. Das ist nämlich auch unsere Frage. Viele von uns haben ja auch eine ganze Menge "verlassen" oder besser: auf sich genommen für Gottes Sache. Und davon dürfen wir ruhig einmal reden: Vielleicht bemühen wir uns um einen schwierigen Mitmenschen, mit dem sonst keiner etwas zu tun haben will. Oder wir fragen uns wirklich bei den anstehenden Entscheidungen unseres Alltags im- mer wieder, was Jesus wohl von uns möchte. Wieder ein anderer versucht sein aufbrausendes We- sen unter Kontrolle zu bekommen oder einen anderen Charakterfehler bei sich abzustellen. Ein vierter leistet seit Jahren einen Besuchsdienst oder putzt einem alten Menschen, der sich nicht mehr allein helfen kann. Noch ein anderer nimmt sich bewusst Zeit für seine Kinder, spielt mit ihnen, li- est ihnen vor und überlässt sie nicht nur sich selbst oder dem Fernsehen. Und schließlich kann ich mir durchaus denken, dass es Menschen unter uns gibt, die schon einmal drauf und dran waren eben die Frau oder den Mann zu verlassen, die aber dann an ihr Versprechen gedacht haben, damals vor Jahren: ... bis der Tod euch scheidet ... Immer - so behaupte ich jetzt einmal - haben wir um Christi willen so und nicht anders gehandelt. Immer wollten wir damit Gott und seinem Willen gehorchen. Denn wir wissen sehr gut, was Gott von uns verlangt. Wir haben schon ein Gespür dafür, was Nachfolger Christi tun und was sie lassen sollen. Und immer, wenn wir ehrlich sind, war dann un- ausgesprochen und unterdrückt die Frage in uns: Was hab' ich eigentlich davon? - Aber wir trauen uns diese Frage ja kaum zu denken, geschweige denn laut werden zu lassen. Genau wie Petrus. Auch er redet ja schon schamhaft genug darum herum: "Petrus sprach zu Jesus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt." - Jesus aber versteht genau, was er meint. Und seine Antwort ist klar: "Du wirst es vielfach wiederempfangen in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben." Wie wohltuend, dass Jesus hier nicht die kleinste Rüge einfließen lässt, dass Petrus sich gewagt hat, die Frage zu stellen. Nein, eine klare Auskunft - auch für uns. Irgend- wie tut das gut, bei all den schwierigen Gedanken um Lohn und Gnade, Gesetz und Evangelium, die wir manchmal gar nicht recht begreifen. Das gilt ja wirklich als anstößig - gerade für evan- gelische Christen! - wenn sie sich überlegen, ob bei all ihrem Bemühen um christlichen Leben- swandel nicht auch einmal irgend etwas für sie selbst herausspringt. Ja, es wäre für unser Empfin- den wohl die Höhe, wenn einer bei Gott einmal ganz offen nach dem Lohn seiner Taten fragte. Da- rum: Wie tut das gut: Ihr werdet es vielfach wiederempfangen ... und in der Zukunft das ewige Le- ben! Das hat schon Petrus gefallen und auch wir hören es gern. Nur: Stimmt es denn? Sehen wir uns Petrus an: Das Haus verlassen, die Netze am See Genezareth, die Frau, die Brüder ... Viele große Opfer hat er gebracht! Das war nicht leicht für ihn! Aber er findet den Herrn, der Kranke gesund, Arme froh und selbst Tote lebendig macht. Er findet seinen Heiland, der eine Auf- gabe für ihn weiß, der seinem Leben Sinn gibt, ihn lehrt, wie Gott ist. Bei diesem Jesus ist Petrus ans Ziel gekommen und so sagt er einmal zu ihm: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Got- tes! Petrus hat tausendfach wiederempfangen, was er aufgegeben hat! Und wir? Wie ist das bei dem Menschen, den sonst jeder meidet - nur wir geben uns mit ihm ab?: Vielleicht wollten wir ihm ja schon manchmal sagen, dass er uns auch einmal "gern haben" kann ... den Kon- takt abbrechen, uns rar machen bei ihm. Wir haben's dann aber doch nicht getan. Wir konnten's ein- fach nicht übers Herz bringen. Aber dann gab es auch wieder Momente, in denen wir uns freuten, dass wir bei diesem Menschen ausgehalten hatten. Wenn wir hörten, oder auch nur spürten, wie dankbar dieser Mensch uns doch ist - bei all seiner Muffigkeit, bei all seinen Launen. Seltsam ist das ja: Je weniger wir bei jemandem gute Worte oder gar Dankbarkeit erwarten können, um so mehr freuen wir uns dann über das kleinste Zeichen des Dankes! Und dann ist da doch auch immer dieses Wissen, dass es sehr wichtig ist und richtig, dass einer diesen Dienst - gerade an den schwierigen Menschen - tut! Wir geben also nicht nur - wir empfangen auch! Oder nehmen einmal den Zeitgenossen, der bei all seinem Tun und Lassen nach Jesu Willen fragt: Das ist ja auch bestimmt nicht leicht! Manches wird einem sicher entgehen. Der Gebrauch der El- lenbogen ist dann ausgeschlossen. Krumme Dinge verbieten sich. Kaum werde ich je sagen können, dass ich genug getan habe. Aber wie schön ist das doch auch! Wie viel Glück schenkt das und wie viel frohes Erleben! Es mag einem ja weh getan haben, auf dieses oder jenes zu verzichten; mit an- deren zu teilen ist ja immer ein wenig gegen unsere menschliche Natur - aber wie reich sind wir doch hinterher gewesen! Der Glanz in den Augen auch nur eines Mitmenschen kann uns für viel entschädigen! Wir geben nicht nur - wir empfangen auch! Und vielleicht noch das: Was wir für unsere Kinder aufbringen, was wir für sie an Zeit und Kraft übrig haben. Denken sie, ein Kind wird uns das je vergessen, ob wir es immer nur verwahrt haben, dem Fernsehkonsum ausgesetzt haben und eigentlich immer froh waren, wenn wir unsere Ruhe hat- ten, oder ob wir ihm jeden Tag eine Stunde ganz gehört, mit ihm gespielt und gelacht haben? Wer viel mit Kindern zu tun hat, sieht ihnen nach einer kurzen Weile an, ob sie Eltern haben, die ihnen Anregung und Liebe bieten, oder ob sie vernachlässigt werden. Und wer dann noch diese oder jene Kinder bis in ihr Erwachsenenalter verfolgen kann, der erfährt, wie entscheidend das ist, was ein Kind in einer glücklichen oder einer freudlosen Kindheit erlebt. Und überdies bin ich ganz sicher, dass wir Eltern später einmal genau das zurückbekommen, was wir in unsere Kinder investieren. Vielleicht ist unsere Schwierigkeit, dass wir heute noch nicht so weit denken können oder mögen. Aber die heute kleinen Kinder werden später genau die Zuwendung zu uns aufbringen, die wir ih- nen heute schenken. Sagen wir's positiv: Das Glück der Kindheit, das wir ihnen bereiten, wird das Glück unseres Alters sein. Wir geben also nicht nur - wir empfangen auch! Liebe Gemeinde, es fiele nicht schwer, das bei allen anderen Beispielen zu zeigen: Immer zahlt sich das auch irgendwie aus, wenn wir unser Leben im Sinne Gottes führen. Und ich persönlich bin auch fest davon überzeugt, dass vieles nur sehr äußerlich nach Glück aussieht, wo Gottes Willen nicht erfüllt wird. Ich glaube keinem Ehebrecher, dass er jetzt erst die große Liebe gefunden hat. Und ich glaube keinem, der seinen Wohlstand auf dem Leid anderer aufgebaut hat, dass er sich dabei wirk- lich "wohl" fühlt! Im Herzen dieser Menschen sieht es ganz anders aus! Da herrscht Dunkel und keine Freude; da mögen sie locker und selbstsicher daherreden wie sie wollen! Bleiben wir bei Gottes Sache, bei dem, was sein Wort uns lehrt und was er von uns fordert. Er tut's zu unserem Besten! Und erlauben wir uns heute ruhig auch einmal so zu fragen, wie Petrus gefragt hat - und nicht durch die Blume, sondern klar und deutlich: Herr, was wird mir dafür, dass ich dir diene? Hören wir die Antwort: Es ist niemand, der ohne Lohn bleibt, wenn er Gottes Sache tut. Ihr werdet es vielfach wiederempfangen in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben!