Predigt zum 7. So. nach "Trinitatis" - 10.7.2005 Textlesung: Jh. 6, 30 - 35 Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht (Psalm 78,24): "Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen." Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Liebe Gemeinde! Wo es um den Christenglauben geht, sind wir auch schnell bei der Frage, ob wir denn überhaupt glauben können, wenn wir keine Zeichen sehen. Oder umgekehrt: Ob es denn nicht immer so ist, dass wir erst ein Zeichen oder Wunder erfahren müssen, um richtig glauben zu können. Für die Menschen, die Jesus hier fragen: Was tust du für ein Zeichen?, war das eine klare Sache. Jesus musste ein "Werk" vollbringen, so wie Mose eines vollbracht hatte, als er ihre Vorfahren in der Wüste mit Manna gespeist hat, dem "Brot, das vom Himmel kam". Und von jedem anderen, der ihren Glauben wecken wollte, hätten die Frager auch ein Wunder verlangt, das beglaubigt, dass der, dem sie vertrauen sollen, auch etwas kann. - Da sind wir doch weiter gekommen in den letzten 2000 Jahren! Niemals würden wir ein Zeichen erbitten! Wir wissen es doch: Der Glaube wäre kein Glaube mehr, wenn er ein Wunder fordert. Und ein Vertrauen, das sich auf Zeichen stützt, ist nichts wert und verdient den Namen "Vertrauen" nicht mehr. - Aber stimmt das denn? Fragen wir heute wirklich nicht mehr nach Zeichen und einem Werk, das den bestätigt, der unseren Glauben haben will? Ein Kind freut sich auf den Ausflug, der am nächsten Tag geplant ist. Bei seinem Abendgebet bittet es: "Lieber Gott, lass morgen schönes Wetter werden, dann will ich auch immer an dich glauben und jeden Tag beten!" Ein Junge - so im Konfirmandenalter - verdrückt sich vor der Klassenarbeit in eine stille Schulhaus- ecke und faltet dort die Hände: "Gott, wenn es dich wirklich gibt, dann hilf mir jetzt. Wenn ich die Arbeit wieder verhaue, dann bleibe ich sitzen. Ich weiß, ich war bis heute kein richtiger Christ. Aber das soll anders werden. Ich verspreche es. Aber lass mich jetzt nicht hängen!" Eine junge Frau möchte gar zu gern einen bestimmten Mann für sich gewinnen. Sie nutzt jede Ge- legenheit, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber sie tut noch mehr: Sie bittet Gott um Hilfe und stellt unter anderem in Aussicht, mehr zur Kirche zu gehen und überhaupt ihr Verhältnis zu ihm zu überdenken, wenn, ja, wenn ihr Herzenswunsch in Erfüllung geht. Ein Mann in den mittleren Jahren hat mit dem Beten, wie er es seit seiner Kindheit geübt hat, auf- gehört. Er ist arbeitslos geworden und sieht keine Möglichkeit, nach ca. 200 Bewerbungen, die er geschrieben hat, noch einmal irgendwo eine neue Stelle zu kriegen. Und Gott traut er auch nichts mehr zu, ja, er zweifelt, ob es ihn überhaupt gibt. Eine alte Frau von über 85 Jahren ist ins Heim gekommen. Bei drei Kindern, so hatte sie einmal gedacht, würde sie eins gewiss bei sich aufnehmen, wenn es einmal soweit wäre. Als es soweit war, haben alle drei aber gute Gründe vorgebracht, warum die Mutter nicht bei ihnen wohnen kann: "Das Haus ist einfach zu klein!" - "Bei uns ist den ganzen Tag niemand zu Hause." - "Die Kinder sind noch zu klein, da findest du keine Ruhe!" Im Heim ist es ruhig. Die Pflege ist gut. Aber sie ist einsam und sie hat mit Gott zu hadern begonnen. Früher fiel es ihr nicht schwer an ihn zu glauben, aber jetzt ... Wie es jetzt gekommen ist, kann sie nicht mehr mit ihrem Glauben reimen. Liebe Gemeinde, sicher sagen sie nicht, dass es solche Menschen, solche Gedanken nicht gäbe. Ich sehe darin genau die selbe Forderung eines Zeichens, wie sie schon damals an Jesus gestellt wurde: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Und das gilt auch da, wo es umgekehrt ist, wo die Menschen also ihren Glauben aufgeben und fahren lassen, wenn Gott ihnen nicht tut, worum sie ihn gebeten haben. Aber jetzt zu uns. Ich glaube nicht, dass wir so ganz und gar anders sind und denken als die Men- schen, von denen ich eben erzählt habe. Vielleicht liegen bei uns solche Versuche, Gott zu einem Wunder zu bewegen, schon länger zurück. Oder wir würden uns nicht ganz so plump oder unver- schämt anstellen, wenn wir Gott für unsere Interessen einnehmen wollen. Aber wir kennen alle sol- ches Verhalten - und das obgleich wir genau wissen, dass echter Glaube keine Ansprüche an Gott stellt, sondern ihm zutraut, dass er es gut mit uns meint und gut mit uns macht, auch - ja, vielleicht gerade dann - wenn es dabei nicht nach unserem Kopf geht. Aber wie kommen wir hier weiter? "Mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel". sagt Je- sus. Das kann helfen, die rechte Ordnung in unserer Beziehung zu Gott wiederherzustellen: Das "wahre" Brot kommt vom Himmel! Was richtig und gut für uns ist, schickt uns Gott! Nicht wir wollen also von ihm fordern, dass er uns dies und das gibt, sondern wir wollen davon ausgehen und darauf vertrauen, dass er uns stets das für uns beste Geschick zuteilt. Das verlangt unseren bedingungslosen Glauben, Und es ist nicht leicht, diesen Glauben aufzubrin- gen. Aber es geht! Dafür gibt es - Gott sei Dank! - eine Fülle von Beispielen und eine Menge von Zeugen! Diese Menschen haben erfahren, dass etwas in ihrem Leben geschehen ist, was sie sich vielleicht ganz und gar nicht gewünscht hätten. Ja, oft haben sie auch einmal gedacht und so gebe- tet, Gott müsste ihnen dieses oder jenes schicken. Und vielleicht haben sie gar damit gedroht, dass sie sonst von ihrem Glauben lassen und ihr Verhältnis zu Gott beendet wäre. - Aber aus dem Un- verhofften, dem was sie ganz und gar nicht wollten, ist dann eine gute Zukunft entstanden, vielleicht sogar ein großes Glück - da haben sie dann gespürt, wie wenig sie mit dem guten Willen Gottes und seiner weiten Liebe gerechnet hatten! Und sie haben erfahren, wie viel Segen davon ausgehen kann, wenn wir nicht unsere Forderungen durchsetzen wollen, sondern uns voller Ver- trauen der Fürsorge Gottes anbefehlen. Er hat das wahre Brot für uns, das Brot, das uns satt macht, die Speise, die uns Lebensfülle und Zufriedenheit schenkt. Auch wo sie uns zunächst nicht schmeckt. Und auch da, wo wir ein wenig oder lange Zeit warten müssen, bis wir erkennen können, wie viel Segen Gott uns geschickt hat, wo wir erst meinten, er wäre gar nicht da oder hätte uns vergessen. Jetzt wissen wir, woher das "wahre Brot" kommt. Niemals von Menschen, immer ist Gott es im Hintergrund, der Zeichen und Wunder tut. Aber nicht die, die wir erwarten und erhoffen, sondern solche, die gut für uns sind und unser Leben fördern und endlich auch unseren Glauben stärken - den Glauben der vertrauen kann. Aber wir erfahren noch mehr: Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Wussten wir bis jetzt, woher das wahre Brot kommt, so wissen wir nun sogar, wie und wer dieses Brot ist! Wir müssen also sozusagen nicht mehr herumirren auf der Suche nach dem rechten Brot. In Jesus Christus haben wir die Speise, die satt macht und unseren Durst stillt! Aber das wollen wir konkret sagen: Wenn wir die Art, wie er gelebt hat, zum Vorbild nehmen, dann sind wir in der richtigen Spur, dass auch wir das wahre Leben finden. Wie er sollen wir lieben - auch und gerade die Menschen, die am Rand stehen und die vielleicht sonst keiner lieb hat. Wie er sollen wir handeln - also das tun, was Gott will, wie es recht und den Geboten angemessen ist. Wie er sollen wir reden - wahrhaftig, ehr- lich und so, wie es unser Mitmensch jeweils braucht: Tröstlich, ermunternd, aufbauend, voll Hoff- nung ... Und wie er sollen wir glauben - unbeirrt durch schweres Schicksal, gewiss, dass Gottes Weg am Ende zu einem guten Ziel mit uns führt. Und gewiss nicht zuletzt ist er auch noch in einem ganz anderen Sinn das Brot des Lebens: Er ist für uns ans Kreuz gegangen. Er hat uns das Lösegeld von Sünde, Tod und Teufel verdient. Jetzt ist unsere Zukunft die Auferstehung und das ewige Leben! Und genau das feiern wir ja auch in jedem Abendmahl, das wir an seinem Tisch halten. Brauchen wir nicht immer Zeichen, um richtig glauben und Gott vertrauen zu können? - Es ist genau umgekehrt: Wir wollen Gott unseren Glauben und unser Vertrauen schenken - und wir wer- den seine Zeichen und Wunder sehen und erfahren und das Brot des Lebens, Jesus Christus wird uns erfüllen und satt machen.