Predigt zum Sonntag "Exaudi" - 8.5.2005 Textlesung: Jh. 7, 37 - 39 Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht. Liebe Gemeinde! Gewiss, das ist sehr blumig ausgedrückt. So sprechen wir sonst nicht mehr, schon gar nicht die Jüngeren unter uns. Aber verständlich ist es doch noch, oder? - Wovon ich rede? Von diesem Satz: "Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen." Wie gesagt: Ein blumiges Bild. Aber trotzdem wird es deutlich: Wer vom Geist Gottes angerührt ist, dem wird man das ansehen, anmerken. Da wird nicht wirklich "Wasser" hervorquel- len, aber es wird doch etwas aus einem solchen Menschen hervorbrechen. Und das kann man er- kennen ... mit den Augen, den Ohren, dem Herzen! Aber was könnte das sein? Es muss etwas mit Jesus zu tun haben. Denn er lädt die Menschen ein: "Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!" Das "Wasser" des Heiligen Geistes können wir uns also sozusagen zuvor bei ihm holen. Und was könnte damit gemeint sein? Ich glaube, da müssen wir schon beachten, dass hier vom "Wasser" die Rede ist. Und nicht von schalem, abgestandenen, sondern von frischem, lebendigem, klaren Wasser. Und das ist ja nun wirklich ein gutes, ein sprechendes Bild! Mir fiel die Taufe ein und dazu alles, was sich dabei an Gedanken zum (Tauf-)Wasser einstellt. Denn auch bei der Taufe spricht dieses Bild ja mit uns, weil wir wie von selbst daran denken, welche Eigenschaften das Wasser hat, wenn es uns in unserem Alltag begegnet. Darum ist es auch sicher kein Zufall, dass zur Taufe, seit es sie gibt, das Wasser als Zeichen gehört und nicht etwa Öl oder vielleicht nur das Handauflegen beim Segen. Gehen wir doch einmal in dieses Bild hinein: Bei Jesus gibt es das Wasser des Heiligen Geistes, das dann aus uns und durch uns weiterfließen kann zu den Menschen unserer Umgebung. Und den- ken wir dabei an alles, was wir mit dem Wasser - auch mit dem der Taufe - verbinden: Wasser ist Leben. - Sicher das erste, was uns einfällt. Ohne zu essen, können wir es ein paar Wo- chen aushalten, ohne zu trinken nur wenige Tage. Wasser ist also absolut lebensnotwendig. Und nicht nur für uns Menschen, für die Tiere und Pflanzen genau so. So kommt uns von Jesus, der uns zu sich ruft, her, was wir unbedingt zum Leben brauchen. Das Wasser reinigt. - Die Kirchenväter haben hier immer zuerst an die Erbsünde gedacht, also dass wir seit Adam und Evas Zeiten - sie erinnern sich an die Sache mit der Schlange und der verbote- nen Frucht?! - immer in der Sünde geboren werden. Der Säugling, der gerade zur Welt gekommen ist und seinen allerersten Schrei tut, bringt demnach auch schon die Schuld der ersten Menschen mit in sein Leben hinein. Mit einer solchen Vorstellung können wir heute gewiss nicht mehr allzu viel anfangen. Aber vielleicht denken wir doch daran, dass wir nach Gottes gerechtem Urteil allzu- mal Sünder sind und der Reinigung von Schuld immer (wieder) bedürfen! Und diese Reinigung, wir sagen dazu auch Vergebung, finden wir bei Jesus. Wasser hat Kraft. - Auch wenn wir hier vielleicht - zumal nach der schrecklichen Flutwelle am 2. Weihnachtstag des vergangenen Jahres - erst an die zerstörerische Energie des Wassers denken, wir ziehen aus ihm auch gewaltigen Nutzen, wenn es die Turbinen unserer Kraftwerke antreibt, oder wenn wir die Gezeiten des Meeres zur Stromgewinnung bändigen. Solch große Kraft kann uns auch von Jesus zufließen. Wasser trägt. - Hier kommen uns die Boote auf dem See oder Fluss und die Ozeanriesen auf dem weiten Meer vor Augen. Wunderbar diese Fähigkeit des Wassers sogar viele Tausend Tonnen schwere Schiffe zu tragen. Gewiss: Für die Physik ist das leicht erklärbar und wenig aufregend. Wer aber unbefangen - so wie Kind das noch können - hinsieht, der muss doch immer wieder stau- nen: Warum gehen die Lastkähne und die Fähren mit ganzen Güterzügen in ihrem Bauch nicht un- ter? Und auch das ist ja für jeden Schwimmanfänger ein kleines Wunder: Dass wir selbst auch schwimmen können und im Wasser oben bleiben, obgleich wir eigentlich schwerer sind. - Genau das finden wir auch bei Jesus: Einen Halt über Tiefe und Abgrund, auch wenn uns Sünde, Tod und Teufel herabziehen wollen, Hände, die uns durchs Leben tragen, dass wir nicht im Bodenlosen ver- sinken. Liebe Gemeinde, so ist das Wasser, das Jesus uns geben will, wenn er uns zu sich ruft: "Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!" Wenn wir seinem Ruf folgen, werden wir satt werden an solchem Wasser. Es wird uns erfüllen und wie aus einer ersten überlaufenden Brunnenschale in die zweite fließen. Wir werden also genug lebendiges Wasser haben, um auch seine guten Kräfte in un- sere Umgebung, zu den Mitmenschen zu verströmen. Da wird Leben von uns ausgehen: Trauernde hören tröstliche Worte, die sie aufrichten und sie wie- der Hoffnung fassen lassen. Sprachlose finden in uns einen, der für sie redet, Schwache einen, der sich für sie stark macht. Alte erfahren Hilfe und Freude - es hat jemand für sie Zeit und hört ihnen zu. Die Jungen spüren uns ab, wie gut wir es mit ihnen meinen. Arme erleben, dass wir teilen kön- nen und unser Geben sie nicht beschämt. Kranke werden besucht, Einsame finden in die Gemein- schaft zurück, Depressive wagen ein Lächeln. Bei uns können die Menschen frei werden: Endlich einer, dem sie ihre Geschichte erzählen können, diese schlimme Sache vor vielen Jahren, von der sie nicht loskommen, die Schuld, die sie quält, die sie in so vielen Nächten den Schlaf gekostet hat ... Endlich reden, bekennen und davon sprechen, dass es einem Leid tut ... Und wir dürfen das Wort sagen, das sie löst: Dir ist vergeben durch Jesus Christus. Endlich ein Schlussstrich. Aufatmen. Neu anfangen. Leben! Unsere Kraft wird andere stärken: Unsere Mitmenschen können sich an uns aufrichten. Weil wir verbunden sind mit Christus, ist seine Kraft in uns. Und sie geht über auf alle, die in unserer Nähe sind: Da entsteht Mut zum Durchhalten in einem schweren Leben, Hoffnung auf einen neuen Mor- gen, wenn die dunklen Tage zu bestehen sind und Glaube, dass hinter dem Schicksal ein Gott wal- tet, der es gut mit seinen Menschen meint. Und alles das wird nicht weniger dadurch, dass wir es an andere weiterreichen. Nein, es vermehrt sich noch und fließt uns von unserem Herrn immer neu zu. Wir können andere tragen, wie wir getragen sind: Und wir müssen keine Angst haben, dass wir uns übernehmen. Wo wir uns die Lasten der anderen auf die Schulter legen, da trägt der Herr, nach dem wir heißen, immer mit. Und wo wir die anderen auf dem Weg durch Leid und Krankheit stützen, da fasst er mit unter. Wenn wir dann straucheln, gibt er uns Halt. Wenn es uns zu schwer wird, stärkt er unsere Arme. Wenn wir fragen, wie lange noch, dann spricht er uns ein gutes Wort zu. Immer ist er in unserer Nähe. Wo einer des anderen Last trägt oder den anderen selbst, da ist er der Dritte: Verlässlich und treu. Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Bei ihm allein gibt es das lebendige Wasser - um- sonst. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wass- ers fließen. Von uns und aus uns strömt es weiter zu den Menschen in unserer Umgebung und tut an ihnen, was Christus selbst an ihnen tun will - durch uns: Es stillt den Durst, stärkt, belebt, trägt ... Das sagte Jesus aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht. Der Glaube ist es, der sich bei unserem Herrn das Wasser des Lebens holt. Unser Vertrauen zu ihm trinkt seine Kraft in vollen Zügen. Er ruft uns, dass wir zu ihm kommen und trinken. Und sein Geist schenkt uns auch den Anstoß, dass wir uns aufmachen zu ihm. Gott sende uns seinen heiligen Geist, dass er uns erfüllt und durch uns zu den Mitmenschen fließt!