Predigt zu Christi Himmelfahrt - 5.5.2005 Textlesung: 1. Kön. 8, 22-24.26-28 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Nun, Gott Israels, laß dein Wort wahr wer- den, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. Aber sollte Gott wirklich auf Er- den wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu sei- nem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir. Liebe Gemeinde! Ich weiß nicht, ob sie es gemerkt haben: Salomo spricht in seinem Gebet Gott an, als gäbe es außer ihm noch andere Götter. "Es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden ... dir gleich". Außerdem nennt er seinen "HERRN" zweimal ausdrücklich den "Gott Israels". Gibt es also auch noch einen anderen Gott als den einen oder gar noch einige? Mich erinnert das an die Frage, die immer wieder einmal in Christlichen Zeitschriften oder im Reli- gionsunterricht gestellt wird: Ist der Gott des Islams, der Juden, der Christen, der Hinduisten nicht ein und derselbe? Hat er in den verschiedenen Religionen nicht nur unterschiedliche Namen? Rufen die Muslime mit Allah, die Juden mit Jahwe, wir Christen, wenn wir Gott sagen und die Hinduisten mit Shiva oder Vishnu nicht im Grunde den selben und alleinigen Gott an? Unbedeutend ist diese Frage nicht, denn die Rede von einem einzigen Gott in allen Religionen soll ja etwas sehr Gutem, nämlich der Aussöhnung zwischen ihren Angehörigen dienen: Wenn Allah, Jahwe, Shiva und der Vater Jesu Christi ein und derselbe wäre, dann müssten uns religöse Unter- schiede nicht mehr entzweien und zu Krieg und Verfolgung unter den Menschen, die doch alle ei- gentlich an den einen Gott glauben, dürfte es schon gar nicht kommen. Aber ist das so: Viele Na- men - aber nur ein Gott? Und zum Tag der "Himmelfahrt Christi" passt diese Frage auch sehr gut: Denken sie nur, wenn alle Götter im Grunde ein einziger wären, dann könnten wir über das wunderbare Ereignis dieses Tages auch sagen: Jesus ist zu Vishnu oder Allah in den Himmel heimgekehrt. Mit dem selben Recht, wie wir es mit der Bibel und unserem Glaubensbekenntnis so ausdrücken: "Aufgefahren in den Him- mel, er sitzt zur Rechten Gottes, des Vaters ..." Noch einmal: Könnten wir das wirklich? Beten die Menschen aller Religionen den einen und einzigen Gott an? Die Vertreter der anderen Religionen hätten sicher Schwierigkeiten mit einer solchen Sicht! Der Moslem würde entgegnen: Allah ist der einzige Gott und Mohammed sein Prophet. Der Jude würde vielleicht aus einem seiner täglichen Gebete (Schma Jisrael) zitieren: "Höre Israel, der Ewige unser Gott, ist der Ewige der einzige Eine!" Und der Hindu hätte auch einen Auszug aus seinen heiligen Schriften parat, der seinen Gott als den alleinigen Gott bezeichnet. Und allen wäre noch etwas ge- meinsam: Sie kämen überhaupt nicht auf die Idee, dass der Gott, den wir Christen anbeten, nicht derselbe sein könnte, wie der, den sie verehren - allerdings würden sie uns ein falsches Bild von diesem Gott unterstellen, einen Glauben an ihn, der keine Grundlage hat und in Jesus Christus wür- den sie allenfalls einen hervorragenden Menschen erkennen. Wir Christen sind da (leider) großzügiger: Irgendwie hätten wir das gern, dass wir von einem Gott sprechen können, der zu den Anhängern der verschiedenen Religionen nur unterschiedlich gespro- chen und sich auf jeweils andere Weise offenbart hat. So meinen wir, bessere Voraussetzungen für das Gespräch zwischen den Religionen zu schaffen und den Dialog zwischen den Völkern und Kul- turen zu fördern. Aber - und jetzt spreche ich persönlich und deutlich - mit solchen Zugeständnis- sen geben wir auch Stück um Stück unseres christlichen Gottesbildes, unserer Überzeugung und unseres Glaubens auf! Und da ist es jetzt heraus, was ich denke: Nein, es ist nicht ein und derselbe Gott in allen Religionen! Jedenfalls können und dürfen wir Christen nicht so weit gehen, dass wir so tun und so reden! Und denken können wir so schon gar nicht! Der Gott der Muslime z.B. be- kommt durch Mohammed im Koran ganz andere Eigenschaften beigelegt als unser Gott durch Je- sus Christus. Und ein Jude wird diesen Jesus Christus niemals als den Sohn Gottes ansprechen, wenn er uns ansonsten vielleicht ja auch zubilligen würde, dass der, den wir Jesu (und unseren) Va- ter nennen, die Züge Jahwes trägt. Wie sollen wir Christen denn sagen können, Gott hätte in den verschiedenen Religionen nur andere Namen? Wir würden damit nur offenbaren, dass wir von unserem Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus und vom Glauben an ihn keine Ahnung haben! Und da wollen wir auch gleich noch einen ziemlich traurigen Gedanken hinzufügen: Das Wissen darüber, was die eigene Religion ver- tritt, bekennt und glaubt, ist bei den Christen wohl ganz besonders dürftig. Sonst nämlich gäbe es dieses fragwürdige Entgegenkommen nicht, das einem Moslem oder Hinduisten zubilligt, er wäre eigentlich doch auf einem ähnlich guten Glaubensweg und bete zu dem selben Gott. Wer den Vater Jesu Christi kennt und seinem Sohn glaubt und in seiner Spur bleiben will, der kann nur das beken- nen und danach leben, was Jesus Christus sagt: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!" - Wir können und wir dürfen uns nicht anbiedern, indem wir alle Unterschiede und Wesenszüge un- seres Glaubens - von denen wir oft genug gar keine rechte Kenntnis haben! - einebnen und als un- wichtig abtun. Dafür, dass Jesus Christus der Herr ist und der Sohn des lebendigen Gottes, ist im Laufe der Geschichte unserer Kirche und des christlichen Glaubens zu viel Blut von Märtyrern ge- flossen! Dabei steht außer Zweifel, dass die Christenheit umgekehrt auch unermessliches Leid, Krieg und Tod über Menschen und ganze Völker gebracht hat, weil sie nicht verstanden hat, dass der Glaube an einen liebenden, gnädigen Gott nicht mit Gewalt und Zwang vermittelt werden kann. Also - und da kommen wir zurück auf diesen Tag und das Ereignis, das wir an ihm feiern: Heute kehrt unser Herr Jesus Christus zu dem zurück, der ihn in unsere Welt gesandt hat - zu seinem und unserem himmlischen Vater. Das können nur wir Christen sagen. Das ist nur unser Glaube und ein Angehöriger einer anderen Religion wird damit wenig anfangen können. Aber das wollen wir auch festhalten, denn darin liegt nicht nur ein Unterschied zur Überzeugung anderer, sondern auch ein ganz wichtiger Inhalt unseres eigenen Glaubens: Jesus Christus, gestorben für uns, auferstanden am dritten Tag für uns ist eben auch "aufgefahren in den Himmel und sitzt zur Rechten Gottes, des Va- ters". Alles, was Jesus gelehrt und gelebt, alles, was er über den Vater im Himmel gesagt hat, wird hier bestätigt! Sein Reden von Gott war nicht der Glaube irgend eines Menschen, sondern des Soh- nes des Höchsten, der lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Von diesem Glauben dürfen wir nicht abrücken, sonst verlieren wir ihn und damit uns selbst - jedenfalls als Christen! Ich glaube übrigens auch nicht, dass unser manchmal leichtfertiges Aufgeben eigener christlicher Überzeugungen wirklich gut ankommt bei den Andersgläubigen. Das Gegenteil ist wohl eher der Fall! Denn was kann eine Religion wert sein, deren Anhänger leichthin alles über Bord werfen, was bei anderen nicht verstanden oder für wahr gehalten wird? Und es spricht auch nicht für die Chris- ten selbst, wenn sie damit so geringe Probleme haben, ihren Glauben oder auch nur Teile davon preiszugeben. Ich meine, wir dienen der Verständigung zwischen den Religionen, Kulturen und Völkern am bes- ten damit, dass wir einander in aller Andersartigkeit und allen Unterschieden des Glaubens achten. Dass wir Respekt haben vor dem Glauben der anderen Religionen und auch Ehrfurcht vor den Tra- ditionen und den oft hohen ethischen Ansprüchen ihrer Lehren. Vor allem sollen wir den Men- schen, die einen anderen Glauben haben, die gleiche Achtung entgegenbringen, wie denen, die Je- sus Christus ihren Herrn nennen. Denn in ihm sind auch sie unsere Schwestern und Brüder. Dabei wollen wir nicht vergessen, was uns Jesus an diesem Tag, kurz bevor er zu seinem Vater zu- rückgekehrt ist, als Auftrag hinterlassen hat: "Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völ- ker!" Das heißt, wir sollen nicht schweigen von unserem Glauben, wir sollen ihn vor den Menschen - auch vor denen anderer Religionen - vertreten und bezeugen - ohne Überheblichkeit, ohne Druck oder Zwang. Der Vater Jesu Christi, der Gott, den der Himmel und aller Himmel Himmel nicht fas- sen können will die Herzen anrühren und durch seine Liebe zum Glauben führen. Es geht durchaus zusammen, wenn wir die anderen Religionen achten und doch auch als Christen unseren eigenen Glauben zur Sprache bringen und bekennen.