Predigt zum Karfreitag - 25.3.2005 Textlesung: Lk. 23, 33 - 49 Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltä- ter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riß mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er. Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles. Liebe Gemeinde! Einerseits weiß ich wohl, dass im Leiden und Sterben Jesu unsere Erlösung geschieht. Sein Kreuz ist die Mitte des Karfreitags, des Christenglaubens und - hoffentlich - unseres Lebens. Andererseits haben mich die "Rollen" der beiden Übeltäter in dieser Geschichte fasziniert, ihre Haltung zu Jesus und zu seinem Tod ... Ich möchte heute gern einmal über sie sprechen! Vom Tun der Übel-"täter" erfahren wir nicht viel - und jetzt sind ihnen ja buchstäblich die Hände gebunden. Aber: ihr Reden! Wie viel offenbaren sie mit dem Mund! Ihr ganzer Charakter zeigt sich auf ihren Lippen! Da ist der eine, der lästert: "Bist du nicht der Christus? Dann hilf dir doch selbst und rette auch uns!" Hier spricht einer, der ganz und gar in dieser Welt lebt. Für ihn kann "Rettung" nur bedeuten: Jetzt he- rabsteigen vom Kreuz, machtvoll und Aufsehen erregend, weiterleben und weitermachen wie bis- her. Gewiss glaubt er nicht daran, dass Jesus "helfen" könnte, aber wenn er es täte, dann ver- schwände der Lästerer wahrscheinlich ohne Dank in der Menge, würde sich die schmerzenden Hände reiben und spräche zu sich selbst: Noch einmal davongekommen! Das nächste Mal wirst du vorsichtiger sein und dich nicht erwischen lassen. Kein Gedanke daran, dass vielleicht nach dem Tod noch etwas kommt, dass hinter dem Kreuz das Leben liegt, dass in Ohnmacht und Leid der Sieg erkämpft wird. Dieser hat Christus nicht verstanden. Er hängt nur ein paar Meter neben ihm - aber doch weltenfern. Und da ist der andere: Ob er ganz begreift, wen sie da mit ihm gekreuzigt haben? Ich weiß es nicht. Aber er ahnt etwas davon: Jesus ist unschuldig! Wir aber empfangen nur, was wir verdient haben! Er muss irgendwie spüren, dass im unschuldigen Leiden Christi die Erlösung der Welt geschieht - und seine eigene auch: "Herr, gedenke mein, wenn du in dein Reich kommst! Herr, ich weiß, ich bin ein Sünder, ich habe viel Schuld auf mich geladen, aber du trägst mich jetzt am Kreuz, du trägst meine Schuld ab in deinem Tod, du gibst dich für mich hin. Ich habe den Tod verdient, aber du er- kaufst mir das Leben. Herr, vergiss mich nicht, wenn du in dein Reich kommst!" Diese zwei Übeltäter hängen da am Kreuz zur Rechten und zur Linken des Herrn. Und Jesus in der Mitte. Sein Kreuz scheidet die beiden und es scheidet die Welten, denen sie angehören - und es scheidet die Menschen, bis heute! Uns verkörpern diese beiden Schächer, wir sind das zur Rechten oder zur Linken Christi. Wir lassen uns durch sein Kreuz retten - oder wir missachten es. Da sind die einen, die setzen nur auf das, was sie sehen können und fühlen: Das Geld, die Macht, die Kraft ihrer Arme ... Für sie geht es darum, die Zeit zwischen Geburt und Tod für sich selbst zu nutzen: der eigene Bauch, die Kurzweil, die Erweiterung ihres Einfluss', die Steigerung ihres Anse- hens. Dem gilt all ihr Streben. Dafür mühen sie sich, dafür schaffen und schuften sie. Die Mitte ih- res Denkens ist dieses Leben, die 70 oder 80 Jahre, die sie haben. Eine Hoffnung darüber hinaus ist nicht in ihnen. Der Tod ist der Schlussstrich. Dann wird es aus sein. Darum müssen die Jahre ange- füllt werden mit Besitz und Spaß - wenn doch danach nichts mehr kommt! Christus, wenn er ihnen überhaupt etwas bedeutet, mag dafür sorgen, dass sie möglichst lange die Güter und Freuden dieser Welt genießen können. Wenn sie krank sind oder in Schwierigkeiten geraten, mag er ihr Nothelfer sein. Und wenn es endlich ans Sterben geht, dann soll er machen, dass ihr Leben noch ein wenig dauert, dass sie noch einmal davonkommen ... "wenn er etwas kann"! "Bist du der Christus, dann hilf dir selbst und rette auch uns!" Und da sind auf der anderen Seite die anderen: Das sind die Menschen, die sich in dieser Welt nie ganz zu Hause fühlen. Jeden Tag erfahren sie neu, wie vor-läufig alles ist und bleibt, was sie anfan- gen: Was sie aufbauen - es wird wieder zerfallen. Was sie sammeln - es wird zerstreut. Was sie er- arbeiten - es hat keinen Bestand. Das Glück hat keine Dauer. Die Freude wird vom Kummer gefres- sen. Alles Schöne muss dem Hässlichen weichen. Diese Menschen sind voll Sehnsucht! Einmal muss sich das Gute endgültig durchsetzen! Einmal wird das Leben kein Ende mehr haben! Einmal bricht der Tag an, den keine Nacht mehr beugt. Einmal ... Sie sind beileibe nicht besser als die Weltkinder! Aber sie haben ein anderes Maß, an dem sie sich messen lassen: Ihren Herrn Jesus Christus, seine Liebe, sein Leben für andere, sein Vertrauen zum Vater ... Und vor diesem Maßstab kann kein Stolz aufkommen, keine Überheblichkeit, kein Rühmen. Und an diesem Maßstab erken- nen sie, wie weit all ihr Tun hinter der Liebe des Gekreuzigten zurückbleibt, der für seine Freunde in Leid und Tod geht. Nein, vor seinem Kreuz ist nichts verdienstlich, was wir einander schenken! Vor seinem Kreuz gibt es kein Pochen auf die eigene Gerechtigkeit. Da gibt es nur die Erkenntnis, wie arm und unzulänglich wir sind - und noch die Besten! Da gibt es nur die Einsicht: Dieser trägt, was wir verschuldet haben. Dort ist aber auch - Gott sei Dank! - die Vergebung für unsere Sünden! Dort ist das Opfer, das uns erlöst! Da hören wir die befreienden Worte: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein! Dort ist Freude, Leben und Zukunft: Der Tod ist besiegt - für mich und dich! Un- ter seinem Kreuz erfüllt sich die Sehnsucht: Das Gute wird am Ende Recht behalten! Die Freude bleibt ewig! Das Schöne wird sich am Schluss behaupten! Das Leben geht weiter! Der Tag, dem keine Nacht mehr folgt, ist angebrochen! Liebe Gemeinde, das sind die zwei Welten, die das Kreuz Christi scheidet. Dafür stehen die beiden Schächer, so sind die Menschen vor dem Kreuz des Herrn - bis heute! Die Unterscheidung mag uns zu grob vorkommen: Gibt es nicht noch viele andere Haltungen, wie Menschen sie zu Jesus Chris- tus einnehmen. Gewiss, es scheint so, als könnten Menschen auch irgendwo dazwischen ihren Standpunkt wählen: Nicht so ganz Weltkind, keine klare Absage an die Hoffnung auf Leben nach dem Tod. Oder auch das scheint möglich: Nur ein bisschen glauben, ein wenig Vertrauen auf die eigene Kraft und ein wenig auf das Verdienst des Herrn. Am Ende - da bin ich fest überzeugt! - wird es bei jedem nur auf diese zwei Positionen hinauslaufen: Ja oder Nein zu Christus und seinem Kreuz, Vertrauen auf die Welt und das eigene Vermögen oder Vertrauen auf Jesu Opfer. Tod und Vergessen oder Leben und ewige Freude. Neben dem Kreuz des Herrn hängen nur zwei! Sie be- zeichnen Ablehnung und Zustimmung, Ja und Nein. Ein "Vielleicht" kann es nicht geben. Ein "Jein" ist unangemessen, wo es ums Ganze geht! Für ein "Später" ist unter dem Kreuz keine Zeit mehr. Und die Lauen, das wissen wir, die will Gott ausspeien! Auf welcher Seite "hängen" wir, liebe Gemeinde? Sind wir das, die dem Herrn zurufen: Bist du der Christus, dann hilf dir selbst und uns? Sind das unsere Worte: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst? Bewegen wir uns noch irgendwo dazwischen, suchen noch unseren Stand- punkt? Es wird zuletzt nur zwei Seiten geben. Sie werden ein für alle mal durch die Schächer mar- kiert. Wohlgemerkt: "Übeltäter" sind sie beide! Nur weiß der eine, dass seine Schuld am Kreuz in der Mitte hängt. Das ist alles. Aber das ist das Leben! Auf welcher Seite sind wir, liebe Gemeinde? Eine sehr persönliche Frage, unangenehm, ja, schmerzlich - aber auch entscheidend und drängend! Heute stirbt unser Herr! Heute wird sein Kreuz aufgerichtet und er daran geschlagen - für dich und mich. Wo sind wir vor seinem Kreuz? Rechts oder links? Ja oder nein? Eine sehr persönliche Frage. Die Antwort des Herrn an den zur Rechten ist auch sehr persönlich: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!