Predigt zum Gründonnerstag - 24.3.2005 (Die Predigt ist sehr gut auf zwei oder mehrere Sprecher zu verteilen!) Textlesung: Markus 14, 17 - 26 Und am Abend kam er mit den Zwölfen. Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir ißt, wird mich verraten. Und sie wurden traurig und fragten ihn, einer nach dem andern: Bin ich's? Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht. Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; wehe aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Wahrlich, ich sage euch, daß ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs neue davon trinke im Reich Gottes. Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg. Liebe Gemeinde! Ist es nicht so: Eben beim Hören dieser Verse haben wir uns in Gedanken oder auch wirklich in un- serer Bank zurückgelegt und gedacht: Schrecklich, dieser Verrat! Wie kann dieser Judas nur so sein: Den Herrn ausliefern, Jesus verraten ... Dabei haben wir gar nicht gemerkt, dass Judas gar nicht genannt wird! Jesus sagt nur: "Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht." Einer also, der mit ihm isst, wird ihn verraten. Wir sind heute auch gekommen, um mit Jesus zu essen. Das Abendmahl nachher wird uns mit ihm verbinden. An seinem Tisch kommen wir zusammen - wie die Jünger damals. Ob nicht auch Ver- räter unter uns sind - wie damals? Ob wir nicht genauso Anlass haben zu fragen: Bin ich's? Ob wir uns nicht prüfen sollten, bevor wir nachher an seinen Tisch treten? Vielleicht so: Bin ich's, Herr? Wie viele Male habe ich in der letzten Zeit geschwiegen, wenn ich hätte reden sollen? Da war diese Begegnung neulich. Diese blöde Frage von diesem Menschen mit dem süffisanten Lächeln - und vor all den Leuten: Warum ich keinen Alkohol trinke? - Ich hätte antworten können: Weil ich mich in der Passionszeit enthalte! Dann wäre aber bestimmt die Rück- frage gekommen: Was hat das denn mit Alkohol zu tun? Dann hätte ich sagen müssen: Ich bin Christ, und ich will auf diese Weise ein wenig den Kreuzweg Jesu mitgehen. Was wäre dann geschehen? Der Frager hätte noch mehr gegrinst, sich vielleicht gar auf die Schenkel geklatscht vor Lachen. Alle anderen wären aufmerksam geworden, hätten mich angestarrt und die Augenbrauen hochgezogen... Ich habe nichts gesagt. - "Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten." Herr, bin ich's? Oder so: Bin ich's, Herr? Wie oft - allein in den letzten Wochen - habe ich geredet, wo ich hätte schweigen sollen? Als sie mich gefragt haben, ob ich etwas über meinen Nachbarn weiß, ob es denn stimmt, was die Leute sich über ihn und diese böse Sache erzählen, bei der er beteiligt sein soll ... Ich hätte sagen sollen: Ich weiß nichts Genaues, ja nicht einmal irgendetwas Sicheres. Ich kenne doch auch nur die Gerüchte, die man sich erzählt. Alles, was so herumgereicht wird (im Dorf) in der Gemeinde, stammt doch aus dritter oder vierter Hand. Auch ich habe nicht mit ihm persönlich gesprochen. Ich habe ihm auch nicht gesagt, was so über ihn im Umlauf ist, dass er dem einmal hätte entgegentreten können. - Aber ich habe Antwort gegeben. Eine Antwort - ohne jede verlässliche Grundlage: Ja, da müsste schon etwas dran sein, wenn es doch alle sagen ... Und zutrauen würde ich es ihm auch ... und man könnte es ihm ja auch am Gesicht ansehen, er hat so etwas im Blick ... - "Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten." Herr, bin ich's? Bin ich's, Herr? Mir fällt gerade ein, wie ich neulich nicht geholfen habe, als meine Hilfe doch ge- fragt gewesen wäre. Klar, angesprochen hat mich ja niemand, aber ich wusste ja, dass ich gemeint war. Gut, es hätte Zeit gekostet - und ich habe gerade wenig Zeit gehabt. Und Mühe wäre auch damit verbunden gewesen - und ich war gerade ziemlich belastet. Aber auf der anderen Seite: So ein paar Stunden hätte ich schon entbehren können. Ich wäre das auch schuldig gewesen. Als Freund(in), schon gar als Christ(in). Meiner Sache hat das auch geschadet, wie ich mich verhalten habe. Jetzt wird mit Recht gesagt: Ihr Christen seid auch nicht besser; wenn man euch braucht, dann drückt ihr euch genau wie die anderen. Leider stimmt das. Nicht nur in diesem Fall. - "Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten." Herr, bin ich's? Bin ich's, Herr? Ich muss an diese wunderbare Bewahrung vor Tagen denken. Das war doch so nah dran, dass es einen furchtbaren Unfall gegeben hätte! Ich habe einen Augenblick nicht aufgepasst. Der andere hatte eindeutig Vorfahrt! Wenn ich den Wagen noch in den Griff bekommen habe, dann war das gewiss nicht mein Verdienst. Ein so guter Fahrer bin ich gar nicht. Aber ich habe mir später gern eingeredet, ich hätte das aber sauber hingekriegt. Ich habe es - kaum dass die Knie nicht mehr schlotterten, allein meiner guten Reaktion zugeschrieben. Dabei weiß ich genau, wer da bei mir war, wer da ganz deutlich eingegriffen hat. Und angemessen gedankt habe ich ihm auch nicht. - "Einer von euch, der mit mir isst, wird mich verraten." Herr, bin ich's? Bin ich's, Herr? Mich bedrückt es, wenn ich an meine Sache mit diesem Jesus Christus denke, wie wenig Zeit ich doch für ihn und für sein Wort an mich habe. Wann zuletzt - vor dem heutigen Tag - war ich in seinem Haus und habe auf das gehört, was er mir zu sagen hatte? Und welche Rolle lasse ich ihn in meinem Alltag spielen? Oft finde ich nicht einmal die Minuten am Tag, um zu beten, mein Leben mit ihm zu besprechen und ihm so zu zeigen, dass er mir wichtig ist. Aber seine Güte lasse ich mir gern gefallen! Alle Geschenke seiner Liebe nehme ich als selbstverständlich hin. Nein, das ist nicht recht so. Ich bin nicht recht, so wie ich bin. Ich lebe so, als hätte ich keine Beziehung zu ihm und wenn man mich fragt, dann würde ich doch antworten: Natürlich bin ich Christ! Meine Taten decken nicht, was meine Lippen vorgeben. - "Einer von euch, der mit mir isst, wird mich ver- raten." Herr, bin ich's? Unser Herr entlarvte den Verräter an jenem Abend nicht. Es gibt also keinen Anlass für uns, auf Judas zu weisen und über ihn zu sagen: Wie kann man nur so sein, den Herrn verraten ... Wir müssen vielmehr in uns gehen, uns selbst prüfen und dann vielleicht erkennen: Herr, ich bin's! - - - Wenn wir dahin kommen, dann dürfen wir aber auch die ganze Geschichte dieses letzten Mahles Jesu mit seinen Vertrauten auf uns beziehen: Mit allen teilt Jesus seinen Tisch und das Essen. Die Verräter stößt er nicht zurück. Alle dürfen in seine Nähe kommen - und dort bleiben. Alle erfahren bei ihm Vergebung. Alle können an seinem Tisch neu beginnen. Denn für alle teilt er sich selber aus: Sein Leib, sein Blut ... Für alle wird er am Kreuz sterben. Dass wir Frieden haben und einen neuen Anfang - frei von Schuld. - Ihm sei Lob und Dank in Ewigkeit.