Predigt zum Sonntag "Palmarum" - 20.3.2005 Textlesung: Mk. 14, 3 - 9 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goß es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeu- dung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Laßt sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat. Eine im wahrsten Sinne aufregende Geschichte - nicht nur für die Jünger! Gerade hat Jesus seinen Vertrauten ein letztes Mal gesagt, dass er bald sterben muss. Sie haben's nicht geglaubt. Und auch hier verstehen sie nichts von dem, was die Frau an ihm tut. Er muss es ihnen erklären: Sie salbt mich für mein Begräbnis! - Aber, ob sie es jetzt begreifen? Wir müssen noch wissen: Das "kostbare Öl" war wirklich sehr teuer! Dafür hätte ein einfacher Tagelöhner einige Monatsgehälter hinlegen müssen. Vielleicht fragen sie sich da jetzt aber auch - wie die Jünger - wozu das eigentlich dienen soll? Die Jünger hatten sich an der Verschwendung geärgert. Und wir suchen nach dem tieferen Sinn dieser Geschichte, dem Sinn für uns heute! Wa- rum soll sogar überall, wo das Evangelium gepredigt wird in dieser Welt, von der Tat dieser Frau gesprochen werden? - Die Antwort auf diese Frage könnte wie der Schlüssel zur Tür in die letzte Woche der Passionszeit sein. Ausgerechnet diese Geschichte wird uns ja nur wenige Tage vor dem Karfreitag erzählt. Ob sie uns vielleicht eine neue Sicht des Leidens und Sterbens unseres Herrn öffnen soll, öffnen kann? Man könnte nun sagen: Da ist eine Frau gewesen, die hat als einzige Jesus ernst genommen, als er seinen Tod angekündigt hat. Und so hat sie halt das getan, was man eigentlich erst mit einem Toten machte: Sie hat ihn gesalbt. Dass diese Tat Anstoß erregt, ist doch klar! Ein Salböl für einen Leich- nam - vergossen über einem Lebendigen! Und dann noch so teuer! Verrückt diese Frau! Was hätte mit dem Geld für dieses kostbare Öl alles gekauft werden können, wie viel Not hätte gelindert und wie viel Hilfe hätte geleistet werden können! So kann man es sehen. Und Jesu Vertraute sehen es so. Sie bleiben damit an der Oberfläche. Und wir? Blicken wir tiefer? Begreifen wir - wie die Frau begriffen hat - worauf es hier ankommt? Ich will uns ein paar Worte sagen, die uns den Blick in die Tiefe dieser Geschichte zeigen können. Es sind Gedanken, gar nicht weit weg von der Frau mit dem Salböl, auch wenn es uns zuerst vielleicht so vorkommt: Denken sie einmal, einer aus der Gemeinde sagte: Ist das eigentlich wirklich nötig, dass ihr jeden Sonntag die Kirche heizt? Das kostet doch den Winter über eine schöne Stange Geld! - Uns ist nicht wohl bei solchen Reden. Warum eigentlich? Hat der, der so fragt, nicht eigentlich recht? Ein anderer kommt vielleicht zu mir und sagt: Also, liebe Frau / lieber Herr ........, der Blumen- schmuck auf dem Altar und die großen, teuren Kerzen, die doch so rasch herunterbrennen ... Wozu muss das denn sein? Kommt es denn nicht allein auf die Worte an, die in der Kirche gesprochen werden? Auch an den Vorhängen für Altar, (Lesepult) und Kanzel könnte man sich erregen, vor allem, wenn man weiß, dass so ein bisschen bestickter Stoff im Schnitt an die 400 Euro kostet! Und dann die teure Orgel - eine elektronische kostet nicht ein Zehntel! - und die Amtstracht vom Herrn Pfarrer - um die 600 Euro macht so ein schwarzes Gewand und und und ... Wir wollen jetzt bitte nicht so tun, als hätte uns noch nie eine Ahnung solcher Gedanken gestreift! Wenn wir den Sonntagsgottesdienst sparen wollen, wenn wir uns gern um die tägliche Zeit drücken würden, in der wir Gott allein gehören und wenn wir auch oft genug das Gebet für unsere Mitmen- schen "vergessen", dann ist es haargenau dasselbe Denken, das im Hintergrund steht: Es ist zu viel des Guten für eine Sache, die das nicht wert ist! Das ist Verschwendung von Zeit und Energie. Das hätte anders eingesetzt, besser gebraucht werden können. - Wozu dient diese Vergeudung!? Liebe Gemeinde, da ist es, das Wort: "Vergeudung". Mit diesem Wort sind wir auf der rechten Spur - aber ganz anders als wir dachten! Nein, es geht nicht zuerst um die Vergeudung des Salböls, deren sich die Frau schuldig macht, es geht um eine höhere, ewige und gigantische Vergeudung, deren wir Gott bezichtigen müssen, müssten ... Aber wir tun es nicht! Ich will jetzt einmal dieser Klage über die Verschwendung Gottes meine Stimme und meine Worte leihen. So könnte sich das an- hören: Gott ich klage vor dir, dass du diese Welt gemacht hast, inmitten eines unermesslichen Universums, so gewaltig groß, dass unsere Sonne und all ihre Planeten darin wie ein Staubkörnchen sind. Wozu soll das dienen? Und - Gott! - ich klage vor dir über die Vergeudung in der Natur: Abermilliarden von Samenkörnern - aber nur eines gibt den Strauch, den Baum und die Ähre! Abermilliarden von Zellen, die das Leben in sich tragen - nur eine entwickelt sich zu einem eigenen Organismus, und so bin auch ich entstanden. Warum dieses Übermaß? Und auch das müsste ich vor dir beklagen, mein Gott, weil es vielleicht die größte Verschwendung überhaupt ist: Warum nur stattest du deine Menschen mit soviel Gaben aus und schenkst ihnen so viel Güte? Womit haben wir das verdient? Du umgibst uns mit einem Meer aus Liebe! Die Welt - obschon wir sie nach Kräften schinden und allenthalben zerstören - ist so reich an Schönem, an sinnvollen Zusammenhängen, an feiner Beziehung zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen. So vieles ist so groß und wunderbar! Warum, Gott - für uns Menschen, die dir alles so schlecht vergel- ten und so selten danken? Und schließlich gehen wir noch hinein in dieses Bild von der Salbung, sehen uns den an, der da sitzt und es gleich geschehen lassen wird, was die Frau an ihm tun will: Jesus, Gottes Sohn ... Müssten wir nicht auch in ihm Gott der allergrößten Vergeudung anklagen? Er wird sich in die Hände von Mördern begeben. Er wird freiwillig die Leidensstraße gehen und sich für die Schuld der Menschen töten lassen, verschwenden und vergeuden ... "Gott wird Mensch, dir Mensch zugute ...", so haben wir an Weihnachten gesungen. Und bald wer- den wir singen: "O Wunder ohne Maßen, wenn mans betrachtet recht: Es hat sich martern lassen der Herr für seinen Knecht; es hat sich selbst der wahre Gott für mich verlornen Menschen gegeben in den Tod." Wirklich: "Wunder ohne Maßen", maß-los, welche Vergeudung! Liebe Gemeinde, erkennen sie es jetzt, worauf uns das Zeichen dieser Salbung hinweisen möchte? Fragen wir immer noch - wie der Jünger, der am liebsten die Salbölflasche mit dem kostbaren In- halt nehmen und zum Krämer bringen würde - wozu diese Verschwendung? Oder begreifen wir endlich, dass diese Frau hier staunend und anbetend vor der unermesslichen Vergeudung Gottes kniet? Wozu das dient, was die Frau hier tun will? Und wenn es nur das kleinste Dankeschön an diesen Gott wäre, der uns überschüttet mit guten Gaben, mit Liebe und Treue - und in diesem Jesus Christus mit Erbarmen und Vergebung. Was ist der Wert dieses Öls gemessen an dem Übermaß der Barmherzigkeit Gottes? Was ist das bisschen Salbe vor Gottes gewaltiger Vergeudung für uns Menschen, die ihn das Leben und das Leiden seines geliebten Sohnes gekostet hat? Ich glaube, das ist der Hintergrund dieser Geschichte am Eingang Stillen Woche. Dass wir die tausendfach größere Vergeudung Gottes für uns Menschen sehen und staunend anbeten. Das ist der Schlüssel, der uns nicht nur diese Geschichte, sondern die ganze kommende Zeit aufschließen kann. Ich denke, es wird nun niemand mehr fragen, wozu unsere Altarkerzen, die teure Orgel oder die Vorhänge an Altar und Kanzel dienen sollen. Bis wir vor der Verschwendung Gottes zum echten Vergeuden kommen, müssen wir unsere Gottesdienste und Kirchen wohl mit Inventar aus purem Gold ausstatten. Noch eins: Ich glaube fest, Gott, der uns so reich und ohne jedes Maß beschenkt, möchte uns auch zu Verschwendern machen! Jedenfalls in seiner guten Sache, an den Menschen in unserer Nähe. Und so heißt es auch im Lied: Lass mich an andern üben, was du an mir getan und meinen Nächsten lieben, gern dienen jedermann! Ich füge hinzu: Tun wir's verschwenderisch - so wie Gott es an uns allen tut!