Predigt zum Sonntag "Sexagesimae" - 30.1.2005 Liebe Gemeinde! So unterschiedlich Predigten auch sind, eines haben sie meist gemeinsam: Sie enthalten überwie- gend Appelle an den Glauben, Aufforderungen, Anstöße für das Christenleben ... Und da kann leicht der Eindruck entstehen, wir Menschen hätten die Sache unseres Glaubens in der Hand! Wir könnten ihn machen, alles käme nur auf uns an, wenn es um das Wachsen des Reiches Gottes in dieser Welt geht. Höchste Zeit also für ein Gleichnis Jesu, in dem er diese falsche Sicht zurecht- rückt: Textlesung: Mk. 4, 26 - 29 Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da. "Von selbst" kommt Gottes Reich! "Von selbst" kommt die Frucht. "Von selbst" wird es Erntezeit. - Legen wir jetzt also die Hände in den Schoß? Setzen wir uns mit unseren Mühen um Gottes Wil- len und Gebot zur Ruhe? Geben uns Jesu Worte nicht den Freibrief, uns auf die faule Haut zu le- gen: Es geschieht doch alles von selbst! Wir werden nicht gebraucht! Gott macht es schon! Vielen Christen unserer Tage muss das - so verstanden - ein willkommenes Gleichnis sein! Sie hal- ten es schon lange so: Nur nichts für sein Christentum einsetzen! Nur die angenehmen Seiten nut- zen: Weihnachten, Taufe, Trauung - na klar! Wo es aber etwas kostet, den Christennamen zu tra- gen, da ist Schluss: Sonntagsheiligung, die Not des Nächsten zur eigenen machen, Liebe, auch zu schwierigen Leuten - nein danke! Solche Zeitgenossen könnten jetzt sprechen: Nun, Gottes Wille setzt sich doch von alleine durch! Gerade eben haben wir es doch gehört: Von selbst kommt das Reich! Von selbst wächst die Frucht! Dabei braucht's uns doch nicht! - Sollen wir die Worte Jesu so verstehen? Und da sind ja durchaus nicht nur die "religiösen Ruheständler" irgendwo "da draußen" - außerhalb der Kirche - dran. Wir müssen schon ehrlich zugeben, dass uns ein solches Gleichnis auch manch- mal ganz gelegen kommt: Wenn wir wieder einmal so richtig unten sind, weil bei unseren Versu- chen, ein christliches Leben zu führen, gar so wenig herausspringt. Wenn wir (vielleicht gerade in diesen Tagen des noch jungen Jahres!) bekennen müssen: Wir konnten unsere guten Vorsätze vom Altjahrsabend wieder einmal nicht halten. Oder wenn wir immer wieder einmal fragen müssen, wa- rum geht es meinem Nachbarn, einem erklärten Gottesleugner, nur so gut? Wenn uns ein Schlag nach dem anderen trifft, obgleich wir doch glauben und Gott dienen wollen. "Na bitte", könnten wir jetzt sagen, "zappele dich ab, wie du willst, mühe dich mit ganzer Kraft - es bringt ja doch nichts." Und hier sagt es Jesus jetzt auch noch: Gottes Sache wird von alleine; von selbst entwickeln sich die Dinge in dieser Welt auf die große Ernte zu. Was kann ich da machen? - Sollen wir jetzt so re- den? - - - Alle, die ihr ganzes Christenleben über faulenzen, haben etwas übersehen! Und auch wir, wenn uns das in Zweifel am Sinn unserer Mühen um Redlichkeit, Liebe und Treue zur Sache Gottes führt, haben nicht richtig hingehört! Da steht etwas in diesem Gleichnis, das ist entscheidend. Ein kleiner Satz nur, aber er bringt alles ins rechte Lot: "Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft ..." Das ist die Vor- aussetzung! Davon müssen wir ausgehen: Der Mensch soll säen! Seine Aufgabe ist die Sorge dafür, dass überhaupt etwas wachsen kann - auch wenn ein anderer dann die Ernte einbringt! Die Frucht wächst von selbst, ja! Die Reife lässt Gott werden, ja! Aber was würde auf dem Acker des Reiches Gottes entstehen, wenn der Mensch nicht mehr sät? Kein Halm, keine Ähre, allenfalls Unkraut und Disteln. Zu ernten gäbe es da nichts. Was könnte die "Saat" sein? Was sollen wir ausstreuen, dass Halm und Ähre treiben? Wissen wir's nicht? - Da ist der Acker, diese Welt und ihre Menschen, gute darunter und böse, Leute, die Christus zu Recht ihren Herrn nennen, laue Zeitgenossen und kalte, die sich nur für ihre 70 oder 80 Erdenjahre interessieren. Sie alle sind das Feld, das auf unsere "Saat" wartet: Wir sollen unsere Liebe hinein- werfen, eine Liebe, die keine Unterschiede macht, die den Gegner genauso achtet, wie den Glau- bensgenossen, die freundlich ist zu jedermann, selbst zu dem, der uns feindlich gegenübertritt. Und wir sollen Hoffnung streuen, eine Hoffnung, die über diese Welt und den Tod hinausblickt und deshalb Leid tragen und auch Schweres ertragen kann. Und Treue sollen wir säen, die auf dem ein- geschlagenen Weg bleibt und sich nicht vom Herrn abbringen lässt, wenn der Zeitgeist oder die ei- genen Interessen in eine andere Richtung weisen. Und noch anderen Samen, wie er aus unserem Glauben kommt, sollen wir verbreiten unter den Menschen unserer Tage. Und durchaus nicht immer nur so große Körner wie Liebe, Hoffnung und Treue! Ganz klein und unscheinbar ist der Same oft - dafür aber sehr konkret und so, dass jeder ein paar Körnchen davon säen kann: Der Besuch beim kranken Nachbarn; das freundliche Lächeln nach einem Streit; der erste Anruf nach einer langen Gesprächspause; der Blumenstrauß, der danke sagen möchte; ein klares Wort über den eigenen Glauben; das Aushalten bei einem, der ganz unten ist; Hinhören, wenn einer seine Sorgen erzählen will; eine halbe Stunde Zeit haben für den Einsa- men ... So klein kann der Same sein. Nur ausstreuen sollen wir ihn - in dieser Welt, unter den Men- schen unserer Tage. Dann haben wir getan, was unsere Sache war. Das Wachstum, die Frucht, die Ernte ... darum wird sich Gott kümmern, ganz gewiss! Darum müssen wir uns nicht sorgen und schon gar nicht grämen ... Aber wie viele von uns haben Sorgen und grämen sich. Sie machen sich Gedanken - immer wieder, solche zum Beispiel: Was wird aus meinem Sohn, meiner Tochter, die den Glauben der Christen nicht haben, ja, die oft genug spotten über ihre "frommen" Alten. Das tut weh, wenn die eigenen Kinder andere Wege gehen als die, die wir ihnen weisen wollten! Aber hö- ren wir doch auf dieses Gleichnis: Wir sollen säen. Wieder und wieder die Gelegenheiten nutzen, die Körner der Sache Gottes in die Herzen unserer Jungen hineinzulegen. Ob dann Frucht wird ... endlich ... irgendwann ... Wir machen es nicht. Gott will es machen. Und er wird es tun! Wir wollen Geduld haben! Aber ich weiß auch, wie oft es auch die Alten sind, die ihren Kindern solche Nöte bereiten: Ob mein Vater, meine Mutter wohl noch zum Glauben findet, ehe ihr Leben zu Ende geht? Ob sie wohl noch begreifen, wie gut es ist, einen Halt an Jesus Christus zu haben und auf sein verheißenes Reich zu hoffen? Wie oft haben viele schon darum gebetet - und wurden scheinbar nicht erhört! Lassen wir uns heute das sagen: Geben wir nicht auf, unsere Freude am Herrn auszustreuen. Zeigen wir, wie wichtig uns sein Wort und sein Wille sind. Es gibt im härtesten Boden einmal den Riss, in den so ein Same fallen kann! Und wenn nicht - so haben wir doch getan, was unsere Sache war. Gott gibt die Frucht - oder er verweigert sie und verschließt die Herzen. Und dann weiß ich noch, wie oft ganz allgemein geklagt wird: Was sind die Menschen dieser Zeit so ungläubig und gottlos! Und wir scheinen ja auch allen Grund zu haben, so zu sprechen: Wo ist die Bindung der Politiker an ihr christliches Gewissen noch mehr als ein Lippenbekenntnis? Wo sind die Werte wie Nächstenliebe und Gottesfurcht im heutigen Wirtschaftsdschungel? Welchen Raum nimmt das Christentum und seine Botschaft in der Medienlandschaft ein? Welcher Promi- nente wagt es heute, sich laut auf Jesus zu berufen - im christlichen Abendland? So wahr das alles ist, unsere Sache ist die Saat des Glaubens. Wir sollen die Körner unserer Liebe und Treue da hi- neinwerfen, unbeirrt und sorglos: Gott wird daraus Frucht und Ernte entstehen lassen! Und schließlich weiß ich von meinen eigenen Sorgen: Man predigt am Sonntag, man wirkt und müht sich die Woche über auf mancherlei Weise, dass die gute Sache unter die Leute kommt. - Und was verändert sich durch all das? Was wird daraus auf dem Ackerfeld Gottes? Wie deprimiert ist man doch manchmal! Und darum möchte auch ich das hören und mir sagen lassen: Das Säen ist dir aufgetragen! Du sollst alle deine Möglichkeiten nutzen, die Körner der guten Botschaft zu verbrei- ten. Dann darfst du abwarten, ganz getrost und gewiss, dass ein anderer dafür sorgt, dass Früchte wachsen. So will auch ich, so wollen wir alle künftig mehr Geduld haben. Nein, liebe Gemeinde, wir haben nicht alles in der Hand! Wir können es nicht machen. Mit uns gemeinsam will Gott Frucht und Ernte für sein Reich schaffen. Wir sollen säen. Er will die Saat aufgehen lassen, dass Früchte und Reife entstehen. - Wir wollen warten lernen und geduldig sein. Aber, wir wollen doch eins nicht lassen: die Körner der guten Sache auszustreuen!