Predigt am 15. Sonntag n. Trinitatis - 19.09.2004 Textlesung: 1. Petr. 5, 5c - 11 Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wißt, daß eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde! Gleich zwei Wochensprüche - also besonders wichtige und klangvolle Worte sind in diesen Versen enthalten. Der heutige: Alle eure Sorge werft auf Gott; denn er sorgt für euch, und der zum 11. Sonntag nach Trinitatis: Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. Da wird es schwer fallen, über etwas anderes zu sprechen als über diese beiden Sätze! Irgendwie klebt man ja an so bedeutenden Versen. Wir wollen uns auch gar nicht lange wehren; aber vielleicht können wir uns später auch noch ein paar Gedanken zu den anderen Worten machen, die Petrus uns hier sagt!? - Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. - Vielleicht verstehen die Jüngeren unter uns ja schon die Worte “Demut” und “Hochmut” nicht mehr so recht? Besonders “Demut” ist etwas aus der Mode gekommen. Aber wir wollen uns nicht lange bei Mutmaßungen aufhalten, sondern einfach einmal hören, was die Bibel meint, wenn sie diese Begriffe gebraucht: Hochmut - das ist ursprünglich besonders das übertriebene, weil eigentlich ungerechtfertigte, Zu- trauen zu sich selbst. Ein hochmütiger Mensch meint, er könnte sein Leben machen; er wäre begabt genug, ohne Gott auszukommen. Dabei vergisst er, dass ja schon “be-gabt” heißt, dass er eben al- les, was er hat, kann und ist Gott verdankt. Hochmut hat viel mit dem Unglauben zu tun. Wer hochmütig ist, der traut eben Gott nichts zu, sondern nur sich selbst. - Gläubige Christen wissen, wohin das führt, nämlich irgendwann in den Größenwahn und dann in die Verzweiflung. Demut - das ist nun das genaue Gegenteil. Der Demütige weiß, dass er ohne Gott nicht leben kann, dass er von Gott all sein Hab und Gut, seine Talente und alles das mitbekommen hat, was die Men- schen an ihm lieben und schätzen. Demut ist die Haltung des Glaubens: Alles bin ich aus Gott, von ihm allein kommt mir her, was ich bin, kann und fertigbringe und nicht aus eigener Stärke! Nun verursachen diese Worte in unserer Zeit nicht nur Verständnisschwierigkeiten. Sie verkleiden sich auch sozusagen in Eigenschaften, die zum einen weniger anstößig klingen, zum anderen ihr wahres Gesicht verschleiern. Aber konkret und deutlich: Hochmut kommt heute oft als Stolz daher, und der wird dann meist als “berechtigt” ausgegeben. “Wir dürfen”, so sagt der Abteilungsleiter beim Betriebsfest, “stolz auf unsere Leistung im vergangen Jahr sein!” Eigentlich meint er ja: “Ich, der Abteilungsleiter darf stolz sein!” Dann aber zeigt er auch, dass er längst vergessen hat, dass auch im Betrieb alle MitarbeiterInnen und er selbst nur so viel leisten können, wie Gott Kraft schenkt. Hochmut trägt aber oft auch das Gewand der Fürsorge und der angeblichen Hilfe für andere: Wa- rum trifft der Vereinsvorsitzende ohne zu fragen so viele “einsame” Entscheidungen? Weil er Er- barmen mit den anderen Persönlichkeiten in der Vereinsführung hat, die doch “weniger Zeit haben” und nicht “wegen jeder Kleinigkeit zu einer Sitzung zusammenkommen wollen”? Und warum hängt er sich in alles hinein, was doch z.B. Aufgabe des Rechners, des Protokollanten oder des Ge- samtvorstands ist? Nur weil er die anderen entlasten will? - Nein, weil er hochmütig ist! Weil er meint, nur er hätte den nötigen Durchblick, nur er könnte es richtig, nur er wüsste, wie der Verein wachsen und blühen kann! Weil er von den anderen niedrig und von sich selbst hoch denkt. Weil er seine Gaben nicht mehr richtig einschätzen kann und nicht mehr weiß, von wem er sie hat. Und weil er die Begabungen der anderen nicht sieht und nicht sehen will, schon gar nicht, wo sie die seinen weit in den Schatten stellen. Ja, auch das ist Hochmut! Und es gibt ihn nicht nur im Verein. Auch in der Politik und anderen Bereichen der Gesellschaft - und sogar in kirchlichen Kreisen und Vorständen soll er vorkommen! Und er ist durchaus keine nur männliche Eigenschaft. Die Demut zieht sich oft die Maske falscher Bescheidenheit vor. “Deinen Dank habe ich doch gar nicht verdient”, spricht sie dann vielleicht, meint aber eigentlich: “Du kannst mir gar nicht genug danken, denn ich hätte auch anders gekonnt!” Und manchmal sieht die Demut auch wie ein from- mes, besonders christliches, Gott wohlgefälliges Leben aus. Dahinter verbirgt sich aber ein Buhlen um Lohn: “Wenn ich mich so klein mache und mich selbst so gering achte, dann werden die Mit- menschen über meine selbst gewählte Niedrigkeit staunen und Gott wird mich ehren!” Nun, es ist klar geworden: Hochmut hat vor Gott und den Menschen keinen Bestand. Und die De- mut soll echt sein, nicht berechnend und falsch. Solche echte Demut hat Gottes Verheißung: So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Wenn wir jetzt den Wochenspruch zum heutigen Sonntag hören, kommen wir noch einer weiteren Eigenschaft wahrer Demut auf die Spur, dem Gottvertrauen: Alle eure Sorge werft auf Gott; denn er sorgt für euch. - Wir denken bei “Sorge” gewiss zu allererst an unsere Furcht, etwa die Arbeit zu verlieren und sozial abzusteigen. Oder uns fallen die Sorgen ein, die wir uns um die Zukunft un- serer Kinder machen, ob sie “geraten” und ihren Platz im Leben, im Beruf und in der Gesellschaft finden. Wenn wir schon älter sind, treiben uns die Ängste um, krank zu werden, pflegebedürftig und vielleicht die letzten Jahre unseres Lebensabends in einem Heim verbringen zu müssen. Und gewiss: All diese Sorgen dürfen wir auf Gott werfen und dabei ganz fest glauben, dass er uns nicht im Stich lässt, uns nicht mehr auflegen will, als wir tragen und verkraften können und dass er im- mer bei uns ist und mit uns alle Wege geht, auch die steilen und dunklen. Aber ich höre noch etwas anderes, wenn es hier heißt: All eure Sorge werft auf Gott... Und das hat mit dem Hochmut und der Demut zu tun, von denen wir sprachen: Sind wir nicht auch immer wieder voller Sorglichkeit, ob uns das hochmütige Handeln oder Reden unserer Mitmenschen nicht schadet und ob die nur vorgespiegelte (oder auch echte) Demut anderer nicht unsere Versuche demütigen Verhaltens sehr kläglich ausschauen lässt? Ich weiß von vielen Menschen, die sehr da- ran leiden, dass durch den Hochmut oder die Demut anderer ein Maßstab vorgegeben wird, von dem sie meinen, sie könnten ihm niemals gerecht werden! Nun wissen wir ja oft gar nicht, ob der Maßstab wirklich dem entspricht, wie es im Herzen der anderen aussieht. Etwas anderes aber ist noch viel wichtiger: Gott ist immer unser ganz persönliches Gegenüber! Er fragt nicht, was andere tun und reden, schon gar nicht vergleicht er ihr Verhalten mit unserem. Es geht um unsere Sorge, um unser Vertrauen und um unser Vermögen, so zu sein, wie Gott uns haben will. Die anderen ha- ben ihre Geschichte mit Gott - wir haben unsere! Gott verspricht uns vor unseren Ängsten und un- serer Sorglichkeit auch nicht, unsere Nächsten anders zu machen oder ihre Taten höher oder ger- inger zu werten. Gott gibt uns das Versprechen, für uns persönlich zu sorgen. So gehen diese Verse bei Johannes weiter: Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Ich glaube fest, dass es “vom Teufel” ist, wenn wir uns immer mit unserer Demut, unserem viel geringeren Hochmut, unse- rem festeren Vertrauen oder unserem kleineren Glauben mit den Mitmenschen und Mitchristen messen wollen. In einer Konfirmandenmappe habe ich einmal gelesen: “Es int’ressiert der Nächste nicht, wenn Gott persönlich mit dir spricht!” Und so heißt es in einem Fürbittgebet, das ein Mensch unserer Tage formuliert hat: “Es geht nicht darum, wie unser Tun und Lassen bei anderen Men- schen ankommt, sondern darum, wie wir bestehen können, wenn wir es im Angesicht Gottes ehr- lich prüfen.” So ist es. Lassen wir uns nicht vom “brüllenden Löwen” des Vergleichens verschlin- gen. Es ist Gottes Widersacher, der uns einredet, wir müssten uns am Maßstab anderer Menschen messen und messen lassen, die vielleicht sogar nicht echt sind. Hören wir noch einmal auf Petrus: Dem widersteht, fest im Glauben ... Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewi- gen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.