Predigt am 2. Sonntag n. Trinitatis - 20.06.2004 Textlesung: Eph. 2, 17 - 22 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frie- den denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist. Liebe Gemeinde! Wir wollen uns nicht so sehr darüber verbreiten, wer denn damals die "Fernen" und die "Nahen" gewesen sind, hier ist von den Heiden und den Juden die Rede, sondern wir wollen fragen: Was könnte das denn für uns heute bedeuten, dass Gott mit allen Frieden macht und wir alle zu ihm als unserem "Vater" kommen dürfen. Aber ganz deutlich: Ob wir nun schon seit unserer Kindheit an der Hand Jesu durchs Leben gehen, ob wir Verantwortung in unserer Gemeinde tragen und vielleicht in einem Kreis mitarbeiten, oder ob wir mit dem Glauben an Gott und seinen Sohn Jesus Christus eher weniger anfangen können, oder gar bis heute überhaupt noch nie den Gedanken gefasst haben, da könnte eine höhere Macht über uns wohnen... Es ist alles gleich: Gott macht Frieden mit uns. Das heißt, wir sind ihm alle gleich nah und bei ihm nicht Gäste oder Fremdlinge, sondern Mitbürger und Hausgenossen. Ich denke mir, das ist gar nicht so einfach zu schlucken. Besonders wenn wir uns sagen können - und mit vollem Recht! - wir sind schon Jahre und Jahrzehnte ganz nah bei Gott, dienen ihm nach Kräften und bezeugen mit unserem Denken, Reden und Handeln, dass wir seine Leute sind. Sollen wir hier tatsächlich denen gleich gestellt werden, die vielleicht wirklich erst vor kurzem, ja, am heutigen Tag, zu Gott und seinem Dienst finden? Ist das nicht schreiend ungerecht? Andererseits wissen wir es ja: Kein Mensch hat seit Jesus Christus der "Eckstein geworden ist" dem anderen Menschen irgend etwas voraus! Für alle ist Jesus gestorben. Alle nämlich sind sie Sünder gewesen. Für alle ist er auferstanden und allen hat er das Ewige Leben verdient. Wir wissen es... Und doch: Jetzt soll gar kein Unterschied mehr sein, ob wir fern waren oder nah, Gott kannten oder nicht, ohne ihn lebten oder unter seinem Wort? - Was führt uns in diesen Gedanken weiter? Mir fiel die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg ein: Die einen haben den ganzen Tag in Sonne und Hitze geschuftet. Die anderen sind viel später erst dazu gekommen. Ja, einige ganz Faule begeben sich erst kurz vor Schluss in der Kühle des Abends an die Arbeit. Und alle kriegen doch den gleichen Lohn! Ist das nicht auch ungerecht!? Wenn wir ehrlich sind, haben wir diese Geschichte ja auch nie so ganz nachvollziehen können. Und die Sache mit dem Verlorenen Sohn ging mir durch den Kopf: Konnten wir nicht schon immer den im Hause gebliebenen älteren Bruder verstehen, wenn er seinen Vater zurechtweist: "Mir hast du nie ein gemästetes Kalb geschlachtet. Jetzt kommt mein Bruder daher, der alles, was du ihm gegeben hast, mit Dirnen und Nichtsnutzen durchgebracht hat, und du verzeihst ihm, drückst ihn an dein Herz und nimmst ihn wieder bei dir auf!?" - Ungerecht auch das, nicht wahr? Wir dürfen ruhig dazu stehen. Aber wie kommen wir aus diesem Denken heraus? Denn das kann nicht der Zweck von Gottes Freundlichkeit gegenüber den Fernen, den Arbeitern der letzten Stunde oder auch dem Verlorenen Sohn sein, dass die anderen, dass wir daran lernen, unser himmlischer Vater wäre ungerecht, am Ende gar willkürlich. - Was aber sollen wir sonst daran begreifen? Eine Lösung des Problems läge darin, dass wir vielleicht einmal neu bedenken, ob wir wirklich zu den "Nahen" gehören, nicht vielmehr, wenn wir nur einmal ganz ehrlich sind, zu den Arbeitern, die doch sehr spät erst in den Weinberg gegangen sind. Ja, vielleicht finden sich in unserem Leben ja auch lange Zeiten, in denen wir mehr dem Verlorenen Sohn als dem zu Hause Gebliebenen ge- glichen haben!? - Aber diese Sicht verlangt schon sehr viel Einsicht und Härte gegen uns selbst. Verheißungsvoller ist da ein anderer Weg, wie wir Gottes Güte, die keine Unterschiede macht, ver- stehen und ertragen können: Bleiben wir bei uns selbst! Fragen wir einmal nicht, wie verhält sich Gott den anderen gegenüber: Wie kommt er den "Fernen" entgegen? Was gibt er den Arbeitern der letzten Stunde? Warum diese unbegreifliche Güte, wie sie der Verlorene erfährt? Schauen wir auf uns. Denn durch alles, was Gott an und für andere Menschen tut, verändert sich ja nicht, wieviel Gnade er an uns übt, wie un- verdient freundlich er uns behandelt und mit wie vielen Geschenken seiner Barmherzigkeit er uns überhäuft. Wir tun immer gerade so, als geschähe uns ein Unrecht, wenn Gott z.B. den Arbeitern, die nur eine Stunde geschafft haben, den selben - immerhin vereinbarten! - Lohn bezahlt. Was ist daran nicht in Ordnung? Oder was schmälert es denn eigentlich die Stellung des älteren Bruders und wo tut es seinem Ansehen oder auch der Liebe seines Vaters zu ihm irgend einen Abbruch, wenn dieser Vater nun auch den vielleicht unwürdigen Sohn wieder bei sich aufnimmt? Aber zugegeben: Es bleibt ein schaler Geschmack! Ein letzter Rest von Unverständnis wird sich in unserem Kopf einnisten - und kann dort nicht vertrieben werden, es sei denn, wir lernen noch etwas anderes, besser: Wir lassen noch etwas anderes sprechen als den Kopf, nämlich unser Herz. Hören wir noch einmal auf diese Verse: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Proph- eten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Got- tes im Geist. Angesichts solcher Aussichten für dieses und ein ewiges Leben verblasst doch alles kleinliche Ver- gleichen, Bewerten und Beurteilen! Ist das denn nicht einfach nur schön, überwältigend und wunderbar: Wir sind schon heute und einmal in Ewigkeit die Kinder Gottes, die nie mehr suchen und fragen müssen, wo ist unsere Heimat, unser Zuhause? Wie sollen Menschen, die eine solche Zukunft vor Augen haben, sich noch an den Gedanken verlieren, ob sie diese Zunkunft nicht mehr als andere verdient haben? Ja, mir scheint wirklich, das ist Herzenssache! Erst wenn ich das mit meinem Herzen ganz ergriffen habe, oder wenn es mich ergriffen hat, was Gott mir da völlig frei und ohne jede Veranlassung durch meinen tadellosen Lebenswandel oder meine Christlichkeit schenken will, erst dann werde ich die rechte Haltung zu dieser gewaltigen Gabe der Liebe Gottes gewinnen. Und erst dann werde ich auch angemessen darauf antworten können: Nämlich mit meiner Freude! Und allein diese Freude wird alle anderen Gedanken übberragen und zum Schweigen bringen: Den Neid, das Ver- gleichen, das Gefühl, besser zu sein als andere, Gottes Güte mehr verdient zu haben. Die Freude hätte die Arbeiter im Weinberg dazu geführt, dass sie nicht mehr nur nach sich fragen, warum sie nun nicht mehr bekommen als die letzten, die in den Weinberg gegangen sind... Freude hätte sie darüber erfüllen müssen, dass auch diese - vielleicht faulen Arbeiter - genug Lohn nach Hause bringen, um sich und ihre Familien zu ernähren. Und Freude hätte der ältere Bruder empfinden können darüber, dass sein Bruder nun doch noch einmal eine Chance hat, sein Leben wieder in den Griff zu kriegen, aus dem Dreck einer verfehlten Vergangenheit herauszukommen und zu Hause, beim Vater und in der Familie neu zu beginnen. Zumal der Verlorene doch der Bruder ist! - Und schließlich sollen wir Freude darüber fühlen, dass Gott mit allen Menschen Frieden macht, dass er alle in seine Nähe ruft und alle zu seiner großen, die Welt umspannenden Familie, Ge- meinde und Hausgemeinschaft zusammenschließt. Und wie gut, dass Gott dabei nicht fragt, ob wir ihm bisher nun nah oder fern gewesen, ob wir der Heimat und des Hausrechts bei ihm würdig sind oder nicht, ob wir bisher vielleicht mehr oder weniger Arbeit für seine Sache verrichtet haben... Gott macht Frieden mit uns, aber er will ihn auch mit den anderen Menschen machen! Wie gut, wenn wir nicht nach den Gründen oder der Berechtigung fragen, sondern nur noch die Freude daran empfinden: Wir dürfen zu Gott gehören - und die Mitmenschen auch. Herzenssache, wie gesagt. Unser Kopf, unser Verstand wird Gott nie begreifen können. Unser Herz hat es dann begriffen, wenn uns ehrliche Freude über Gottes Liebe zu allen Menschen erfüllt. AMEN