Predigt am 1. Sonntag n. Trinitatis - 13.06.2004 Textlesung: 1. Jh. 4, 16 - 21 Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir Zuversicht haben am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe. Laßt uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und haßt seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht? Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, daß der auch seinen Bruder liebe. Liebe Gemeinde! vierzehnmal ist hier von Liebe und vom Lieben die Rede. Da können wir uns nun wirklich nicht an die- sem Thema vorbeimogeln. Aber wir wollen erst einmal nebeneinander stellen, was hier alles über die Liebe gesagt wird: - Gott ist die Liebe. Wir haben also ein Vorbild, wie unsere Liebe aussehen soll. - Liebe bedeutet Zuversicht, Hoffnung haben am Tag des Gerichts. Liebe kann uns also vom Tod retten. - Furcht ist nicht in der Liebe. Wer sich fürchtet, der ist nicht drin in der Liebe. - Wir sind dran zu lieben. Gott nämlich kommt uns mir seiner Liebe zuvor. - Wer Gott lieb hat, der muss auch seine Mitmenschen lieben. - Es ist ein Gebot von Gott, dass wir gegenseitig Liebe üben. Das ist doch eine ganze Menge, was wir über die rechte Liebe erfahren! Wie eine nähere Beschrei- bung ist das, ein Katalog, was alles zur Liebe gehört. Was könnten wir nun anderes und Besseres tun, als diesem Katalog der Liebe einmal entlanggehen? Gott ist die Liebe. Wir haben also ein Vorbild, wie unsere Liebe aussehen soll. - Da fallen uns ja wie von selbst all die biblischen Geschichten, Gleichnisse und Bilder ein, in denen uns die Liebe, wie Gott sie hat, nahe gebracht wird: vom verlorenen Sohn: Gott nimmt sein Kind wieder an, mag es auch alles verspielt, verprasst und mit Füßen getreten haben, was der Vater ihm mitgegeben und in seiner Güte geschenkt hat. Gottes Liebe nagelt niemanden auf das fest, was und wie er gewesen ist. Immer - und wenn es in dieser Stunde wäre - haben wir bei ihm den neuen Anfang. Und nichts muss uns mehr belasten, von dem was war und wie wir gewesen sind. Und ganz ähnlich sprechen ja auch die Gleichnisse von den bösen Weingärtnern und den Arbeitern im Weinberg. Immer wieder in unserem Leben gibt es diesen Punkt, an dem wir neu beginnen kön- nen. Und wenn es in der letzten Stunde wäre. Gott legt auch dann noch alles beiseite, was gegen uns spricht, was wir an Schuld und Bosheit auf uns geladen haben. Genau so - und das ist nicht leicht! - sollen wir auch unseren Nächsten gegenübertreten. Vergeben, was vielleicht war. Verzeihen, was einer uns angetan hat. Einen Strich unter die Vergangenheit und ihre vielleicht verunglückten Beziehungen machen. Heute, jetzt!, sollen wir neu mit dem Menschen anfangen, der unsere Liebe braucht. Liebe bedeutet Zuversicht, Hoffnung haben am Tag des Gerichts. Liebe kann uns also vom Tod ret- ten. - Ein Vater im Himmel, der immer wieder neu seine Hand nach uns ausstreckt, der bis in die letzte Stunde unseres Lebens mit seiner Liebe nach uns sucht und ruft, der wird uns auch im Tod nicht fallen lassen. Er wird uns das, was er uns schon vergeben hat, im Gericht nicht noch einmal vorhalten. Wenn wir hier und heute ein Leben in Gottes Nähe beginnen, dann sind wir hindurch - ein für alle Mal, in Ewigkeit. Wenn wir fragen, wie das eigentlich möglich ist, warum Gott uns ver- zeihen und das Leben schenken kann, dann sollen wir zu Jesus Christus hinsehen. Er ist der Grund, auf dem unser Leben - auch das in der Ewigkeit! - steht und wächst. Er hat genug für uns getan, dass uns niemand mehr verklagen darf. Durch seine Wunden am Kreuz sind wir geheilt. Die Strafe liegt auf ihm, damit wir Frieden haben. Furcht ist nicht in der Liebe. Wer sich fürchtet, der ist nicht drin in der Liebe. - Jetzt bekommen wir auch noch ein Kennzeichen dafür genannt, dass wir wirklich in der Liebe sind, in ihr leben, denken und handeln: Wir werden es spüren, wenn die Furcht weicht, wenn wir keine Angst mehr vor der Zukunft haben, wenn wir nicht mehr bange sind davor, was uns Menschen vielleicht tun können. Nun geht es bei der Liebe nicht um eine Sache, die wir uns nehmen, aneignen könnten wie irgendeinen Besitz. Die Liebe ist ein "Ding", auf das wir unser Vertrauen setzen müssen, um es zu erwerben. Was uns hier vielleicht fremd und schwierig erscheint, ist zwischen uns Menschen, be- sonders zwischen den Geschlechtern eigentlich nichts Unbekanntes oder gar Unmögliches. Ich kann ja auch nicht die Liebe einer Frau, eines Mannes irgendwie durch mein Verdienst oder Wohl- verhalten gewinnen. Und ich würde dieser Liebe auch niemals sicher sein können, nur weil einer oder eine sagt, sie hätte mich lieb. Mit mir und in mir gewinnt die Liebe des anderen Menschen Raum. Ich muss ja sagen zu dieser Liebe, mein Zutrauen darauf setzen und werde dann erfahren, wie gut und wie groß die Liebe ist. - Genau so ist das auch mit Gottes Liebe. Ich soll sie Gott glau- ben! Und dann werde ich erleben, wie mich diese Liebe froh macht und verwandelt. Und so etwas wie "Furcht" hat in dieser Liebe keinen Platz mehr. Wir sind dran zu lieben. Gott nämlich kommt uns mir seiner Liebe zuvor. - Was für eine wunderba- re Sache: Wir müssen uns nichts verdienen bei Gott. Wir müssen uns nicht verbiegen, dass er uns nur gnädig ansieht. Wir brauchen nichts zu leisten, um uns seiner Liebe würdig zu erweisen. Zuerst und allem zuvor, was wir Gott darbringen und geben könnten, ist seine Liebe zu uns da! Und was sollten wir Gott auch schenken? Was an dem, wie wir sind, was wir haben und können, ist denn von uns? Wer hat denn für irgendein Talent, das er besitzt, etwas getan oder es sich gar erar- beitet oder erworben. Oder wer kann denn etwas dafür, dass er im Armenhaus geboren wurde, oder dass er dort das Licht der Welt erblickt hat, wo Hunger und Not herrschen. Und wer ist umgekehrt dafür verantwortlich und kann sich selbst das zuschreiben, wenn er Kind einer reichen, angesehe- nen oder auch gebildeten Familie geworden ist? Wir hätten das vielleicht gern und wir weisen dar- auf ja auch gelegentlich hin, dass wir aus "ärmeren" oder auch "besseren" Verhältnissen stammen - aber wir haben dazu nicht das geringste getan! Gott kam uns mit seiner Liebe immer zuvor. Und soviel wir in unserem Leben auch zu beklagen und zu bejammern haben, ein offener Blick dahin, wo in unserer Umgebung und in unserer Welt wirklich der Kummer, das Elend und der Hunger wohnen, wird uns schnell zurechtbringen: Wir sind umgeben von einem Meer aus Liebe! Wir ha- ben keinen Grund zur Klage. Unsere Beschwerden bei Gott sollten zum Lobpreis seiner Gnade werden! Unser Lob Gottes wird da glaubhaft, wo wir nun auch unserem Mitmenschen mit unserer Liebe zuvorkommen! Wer Gott lieb hat, der muss auch seine Mitmenschen lieben. - Wenn wir - wie wir es ja gerade tun - über alle Geschenke Gottes an uns nachdenken, über seine zuvorkommende Güte staunen und uns daran freuen, dass in aller Ewigkeit für uns gesorgt ist, dann werden uns die Herzen und die Hände für unsere Nächsten schon aufgehen! Wahrhaftig, wie sollten wir Gott nicht lieben!? Und wie soll- ten wir nicht diese empfangene Liebe mit anderen teilen!? Zumal wir dann erfahren werden, dass die Liebe Gottes, die wir weiterreichen, nicht weniger, sondern nur noch mehr wird! Es ist ein Gebot von Gott, dass wir gegenseitig Liebe üben. - Bei diesem letzten Punkt des "Liebes- katalogs" müssten wir nun eigentlich sagen: Warum soll die Liebe denn ein Gebot sein? Ist das denn überhaupt nötig, der Liebe solch einen fast gesetzlichen Nachdruck zu geben? Wenn wir "in" der Liebe sind, dann braucht es das sicher nicht. Wenn ich geliebt werde, unverdient und ohne eigenes Zutun, dann kann ich nur antworten, indem auch ich liebe: Gott und den Nächs- ten. Aber es gibt ja auch die Menschen, die nicht fähig sind, Gottes Liebe in ihrem Leben zu sehen, die also nicht eintreten können in diesen Kreis: Weil Gott mich liebt, liebe ich ihn und die anderen Menschen... Da mag es schon gut sein, wenn ich höre: Es ist Gottes Gebot, dass ich liebe! Das kann der Liebe oder der Suche nach einem rechten, Gott gefälligen Leben Nachdruck verlei- hen! Und vielleicht gelingt es ja auch einmal der Liebe als Gebot, dass sie uns dorthin führt, wo wir dann erkennen können, dass es eigentlich zur Liebe keines Gebotes bedarf. Sie ist vielmehr das Selbstverständlichste von der Welt, sie ist der Dank des Menschen, der vor den vielen Gaben seines Lebens verstummt und staunt, das Empfangen, das zum Teilen führen muss, das Ausatmen, das dem Einatmen folgt. So ist es mit der Liebe - jedenfalls für alle, die erfahren haben, dass sie von der Liebe Gottes immer schon herkommen. Liebe Gemeinde, Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Darum: Laßt uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. AMEN