Predigt zu Gründonnerstag - 08.04.2004 Textlesung: 1. Kor. 11, 23 - 26 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Liebe Gemeinde! Was ranken sich doch um das Mahl des Herrn so tiefe und manchmal auch seltsame Gedanken! Wie ist doch der Gang zu seinem Tisch so belastet durch innere Hemmnisse und alte Gewohnhei- ten, Sitten und Gebräuche, die wir oft selbst gar nicht mehr verstehen. Vielleicht sagen wir: Aber das ist heute doch alles nicht mehr so streng mit dem Abendmahl! Die alten Bräuche sind doch schon lange überholt! Die Sitten haben sich gelockert! Trotzdem: Überwunden ist das alles längst noch nicht und ich bin sicher, in jeder und jedem von uns, die heute abend zum Tisch des Herrn ge- hen wollen, lebt manches von dem fort, was wir vielleicht seit Jahren oder Jahrzehnten abgetan glauben. An welche Gebräuche, welche inneren Hemmnisse denke ich? Nur drei Beispiele von vielen weiteren, die mir schon begegnet sind: - Die dunkle Kleidung, die zum Abendmahlsgang gehört. - Die Frage nach dem würdigen Genuss des Mahls. - Die Sache der Häufigkeit, mit der wir Gäste am Tisch des Herrn sind. Beim ersten meinen sicher die meisten von uns, es handle sich um eine überholte Ordnung!Wem macht das denn heute noch Probleme, wenn er nicht in Schwarz zum Sakrament geht? Aber so ganz überwunden ist die Kleiderfrage noch nicht. Wenn wir schon älter sind, denken wir uns dazu doch einmal, das dunkelblaue Kostüm wäre heute zur Reinigung gewesen oder wir hätten den grauen Anzug nicht finden können. Säßen wir dann jetzt in diesem Abendmahlsgottesdienst? Oder - und da können sich selbst die Jüngeren unter uns noch einreihen: Wie wirkt die Patentante (aus der Stadt) auf uns, die bei der Konfirmation im knallroten Hosenanzug zum Abendmahl geht? Das zweite. Wen - zumal wieder die Älteren unter uns - quält wirklich überhaupt nicht mehr die Frage: Bist du eigentlich heute würdig, Leib und Blut Christi zu genießen? Eins ist sicher: Genera- tionen vor uns hat das sehr beschäftigt, ob sie wohl in der rechten inneren Verfassung vor den Altar treten. Woher das kommt? Im 1. Korintherbrief des Paulus heißt es: Wer nicht würdig ist für den Empfang des heiligen Mahls, der ißt es sich selbst zum Gericht (1.Kor.11,29). Ist niemand hier, den solche Gedanken noch beschäftigen - und belasten? Und schließlich: Wie oft muss ich denn gehen? Wievielmal im Jahr ist genug? Was muss als über- trieben angesehen werden? Hat es dafür nicht auch früher Vorschriften gegeben und gilt so eine gewisse Regel nicht heute noch? Und umgekehrt: Erstaunt uns das nicht, wenn einer oder eine jede Gelegenheit zum Abendmahl wahrnimmt? Denken wir über solche Menschen nicht vielleicht so: "Die müssen es aber nötig haben?" Liebe Gemeinde, ich will heute nicht gegen diese Gedanken und Bräuche anpredigen. Ich will sie nicht einmal besprechen oder gar bewerten. Ich will etwas anderes vor ihre Ohren, vielleicht sogar vor ihre Seele bringen, das soll uns helfen, eine neue Sicht vom Mahl unseres Herrn zu gewinnen. Und vielleicht kann uns das auch helfen, für uns selbst so manche Last abzuwerfen, die uns das Abendmahl bedeutet. Wäre es nicht schade, wenn wir mit schwerem Herzen oder mit belastenden Gefühlen der Einladung Jesu folgen? Mir ist bei unserem Brauchtum und Denken zum Abendmahl aufgefallen: Wir bleiben bei allen Fragen und Gedanken bei uns selbst stehen und sozusagen mit uns selbst allein: Trage ich die angemessene Kleidung? Ist jener Gast nicht zu hell angezogen? Bin ich würdig? Müßte dieser sich nicht zuvor mit jenem aussöhnen? War die nicht schon letzten Sonntag beim Sakrament? Will der bei der Konfirmation dann noch einmal gehen? Habe ich jetzt nicht mein Jahrespensum erreicht? Bei vielen anderen Fragen zum Abendmahl, die wir uns stellen, ist es genau so: Immer geht es um uns, immer denken wir über uns nach, die Gäste am Tisch des Herrn. Selten oder nie fragen wir nach dem Gastgeber, Jesus! Wie er uns sieht? Was er von uns erwartet? Wie gerne er uns empfan- gen möchte und wie oft? Ich will ein Bild vor ihre inneren Augen malen. Sie haben dieses Bild vielleicht auch schon wirk- lich gesehen, denn es hängt so, wie ich es beschreibe, oder so ähnlich hinter dem Altar in vielen Kirchen. Dieses Altarbild zeigt das letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern, eine Szene also, die oft gemalt worden ist. Das Bild, das ich meine, zeigt aber nun eine ganz besondere Weise der Darstel- lung: Auf meinem Bild sehen wir Jesus und nur 11 Jünger. Ich weiß allerdings nicht, ob die Zahl dadurch zustande kommt, dass Judas schon zu einem Verrat unterwegs ist. Jedenfalls sind es nur 11 Vertraute Jesu. Und die Jünger und Jesus sind nicht etwa mit sich und ihrem gemeinsamen Mahl beschäftigt, sondern sie schauen auf vom Tisch, ja, sie drehen sich teilweise nach dem Betrachter um - sie sehen uns an, wenn wir das Bild anschauen. Das mag uns nicht weltbewegend vorkom- men, aber es kann uns doch etwas sagen: Einmal will sicher die Zahl 11 zu uns sprechen. Da fehlt doch einer! Und nach diesem einen blicken sich die Jünger offenbar um. Und dann: Dieser eine wird sichtlich aus der Richtung erwartet, wo die Gäste beim Abendmahl heute ihre Plätze einneh- men: vor dem Altar. Wenn uns das nun sagen soll: Du bist es, der uns fehlt? Wenn der Herr also vielleicht auf mich war- tet? Ja, wenn der Meister und die 11 nicht anfangen wollen mit dem Mahl, bevor du da bist? Was aber soll uns dieses Bild sonst sagen, wenn nicht das? Ja und dieser Gedanke eben kommt mir heute zu kurz: Du und ich, wir gehören einfach mit an Jesu Tisch. Wir fehlen ihm, wenn wir nicht kommen. Er will uns dabei haben; er wartet auf uns. Ein Platz bei ihm bleibt sonst frei. Merken sie, wie da eine ganz andere Sicht in unsere Bräuche, unsere Gewohnheiten und unser Denken kommt? Wie unwichtig wird es da doch, ob ich nun in Grün oder Grau erscheine - wenn ich nur der freundlichen Einladung folge! Will ich wirklich noch grübeln, ob ich würdig und recht bin, wenn ich den Herrn doch auf mich warten sehe? Wer sind wir denn, dass wir unseren Platz an Jesu Tisch nur einmal im Jahr einnehmen, "weil das doch genug ist"? - Es ist der Herr, der auf uns wartet - und zwar immer. Es ist Jesus, der für uns gestorben ist, der mit uns die Gemeinschaft des Tischs teilen will. Es ist der erhöhte Christus, der uns schon hier einen Vorgeschmack auf seine Ewigkeit schenken möchte. So sollten wir auch einmal denken. Und vor dieser Sicht der Sache soll- ten wir auch so manches andere prüfen, was uns seit langem den frohen Genuss des Abendmahl beschwert und vielleicht vergällt. Vor allem aber sollten wir den Blick einmal von uns selbst los bekommen: Von unseren Kleidern, von unserer Würdigkeit, von den Fragen nach Alter, Stand, Geschlecht und Häufigkeit des Gangs zu Jesu Tisch. Sehen wir doch auf ihn: Er schaut nach uns. Seine Jünger und er erwarten uns schon. Wir fehlen noch in der Runde. Er will ohne uns nicht an- fangen mit dem Mahl und schließlich will der Gastgeber ja auch nicht, dass wir uns quälen und zermartern, wie wir kommen, oder dass wir uns irgend etwas auferlegen, wenn wir an seine Tafel treten. Er will uns etwas schenken. Sich selbst. Was könnte uns noch abhalten, liebe Gemeinde, so oft er uns einlädt, so arm oder elend wir auch sind, unseren Platz an seiner Tafel auszufüllen? Wird er uns nach der Farbe unserer Kleider fragen? Wird er wissen wollen, ob ich vielleicht vor Tagen erst bei ihm war, oder noch nie? Wird es ihn in- teressieren, ob wir würdig sind seiner Gesellschaft? Hat er sich nicht allemal für Unwürdige ver- schwendet und am Kreuz geopfert? Liebe Gemeinde, unser Platz an seinem Tisch ist immer frei. Jesus sieht schon nach uns. Er wartet auf uns. Er will sich uns schenken. Lasst uns doch gern und ohne Grübelei hingehen, immer wenn er uns ruft: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.