Predigt zur Jahreslosung 2004 - 01.01.2004 Liebe Gemeinde! Nun ist sie überschritten...die Schwelle zum neuen Jahr. Manche haben das heute Nacht mit be- klommenem Herzen getan. Andere mit einem geräuschvollen, farbenfrohen, glänzenden und sprü- henden Empfang. Die einen haben sich beim Übergang mehr in sich selbst, ihre Sorgen und Be- fürchtungen zurückgezogen, die anderen sind voll gespannter Erwartung gewesen: Ein neues Jahr voller Möglichkeiten, Anfänge, vielleicht endlich erfüllter Wünsche... Und wir alle hier in der Kirche heute morgen erwarten jetzt ein Wort, das uns die kommenden 12 Monate begleitet, uns führen, uns wie ein Leitstern vorangehen kann. Ein Wort, das uns in den dunklen Tagen tröstet, in schweren Erfahrungen Kraft und Geduld gibt und unser Herz in Stunden der Freude zum Dank und zum Lob Gottes ermuntert. Hier ist dieses Wort, die Jahreslosung für das Jahr des Herrn 2004: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. (Markus 13, 31) Wie von selbst steigen da die Gedanken an die Vergänglichkeit aller Dinge in uns auf, aller Bezie- hungen zu den Menschen und des Lebens selbst...dann schauen wir zurück: "War das Silvester vor 10 oder schon vor 11 Jahren, dass er noch bei uns war?" - "Ist mein letzter Geburtstag mit ihr im Jahr 88 oder 89 gewesen?" - "Wann habe ich meinen Patenonkel eigentlich zuletzt besucht?" - "Wie lange ist das jetzt schon her, dass ich die schwere Operation hatte?" Aber wir blicken auch nach vorn: "Ob ich meine Arbeitsstelle bis zum nächsten Januar noch haben werde?" - "Wann darf ich wohl endlich den ersehnten Enkel im Arm halten?" - "Werde ich gesund bleiben und auch das nächste Silvester noch in meiner eigenen Wohnung verbringen, oder werde ich dann wohl der Pflege bedürftig sein?" Vielleicht kommen uns aber auch Erlebnisse in den Sinn, die uns gezeigt haben, wie flüchtig die Zeit ist und wie schnell es manchmal gehen kann mit der Veränderung, dem Abschied... Am Sonn- tag hat er noch neben uns in der Kirchenbank gesessen, am Freitag danach sind wir hinter seinem Sarg hergegangen. - War sie nicht immer eine so starke Frau, der Schlaganfall hat sie von einer Mi- nute auf die andere hilflos und schwach werden lassen. - Jetzt wohnen die jungen Leute schon fast zwei Jahre im neuen, eigenen Haus - und ich bin allein und die Zimmer sind leer. Mir fällt bei solchen Gedanken immer die kleine Geschichte ein von einem Jungen am Weih- nachtsabend, dem das Christkind endlich den ersehnten Bollerwagen unter den Baum gestellt hat. Nun wird er sich freuen, wird jubeln und springen - meinen die Eltern. Aber der Kleine bricht un- vermittelt in Tränen aus, kann sich gar nicht mehr beruhigen, zerfließt in Rührung und Leid... "Aber warum weinst du denn", fragen die Eltern. Und der Kleine stößt schluchzend hervor: "Weil ich dar- an denken muss, dass der schöne Bollerwagen doch einmal kaputt geht!" Vergänglichkeit... Alles vergeht, ändert sich, welkt, wird vergessen oder zerfällt. Manchmal allmählich, oft auch ganz plötzlich, beängstigend rasch...und wir fühlen uns so ohnmächtig, so ausgeliefert...der vergehenden Zeit, dem Schicksal... Liebe Gemeinde, hier ist das Wort, das uns aufrichten will: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Das ist nicht irgend einer, der selbst Wandel und Ver- änderung unterworfen wäre, es ist der ewige Gott, der uns das zuspricht! Er will unser Herz fest machen, wenn es bange ist, traurig und ohne Hoffnung. Er will uns Mut geben, einen festen Halt, das Geländer für einen Weg mit ihm, dass wir mit sicheren Schritten durch das kommende Jahr ge- hen können. Aber wie gelingt das? Wie wird das wahr? Dass Himmel und Erde, dass Dinge und Menschen, Hoffnung und Schönheit, das Leben und wir selbst vergehen, das wissen wir, das haben wir erleben müssen. Aber wo erfahren wir, wo werden wir gewiss, dass Gottes Wort nicht vergänglich ist, dass es trägt und uns im Fluge der Zeiten halten kann? - Was sind das eigentlich für Worte, von denen hier die Rede ist? Es sind viele Worte... Jeder und jedem von uns werden andere einfallen. Aber ich denke, es gibt auch ein paar darunter, die uns allen in den Sinn kommen. Betrachten wir gemeinsam einige dieser Worte. Hier ist das erste - ganz gewiss haben wir alle daran gedacht: "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln." Was geht doch von diesem Wort für ein Friede aus. Und wenn man den ganzen Psalm liest und sich zu Herzen gehen lässt, wie viel Trost liegt doch darin! Gott ist wie ein guter Hirte. Er weiß den Weg für uns. Er führt uns und ist immer bei uns. Nichts - nur unser eigener Wille - kann uns von ihm trennen. Und der Psalm geht auch nicht daran vorbei, dass es "Feinde" gibt, dass unser Leben auch bedroht und angefochten ist, dass uns auch "finstere Täler" nicht erspart bleiben... Gott aber bleibt bei uns, stützt und stärkt uns "im An- gesicht" aller, die uns Böses wollen und er verlässt uns auch nicht in dunkler Zeit. Allerdings führt er uns an schweren Stunden nicht vorbei, sondern hindurch. - Dieses Wort wird nicht vergehen. Es ist wahr und es bleibt wahr in Ewigkeit, denn der, von dem es uns gesagt wird, ist ewig. Noch ein anderes Wort fällt uns sicher ein, eines aus dem Neuen Testament: "Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet!" Wie die eiserne Ration für uns Christen hört sich das an. "Hoffnung" sollen wir haben, wenn auch manches in unserem Leben nicht so läuft, wie wir uns das wünschen. Hoffnung, auch wenn wir manches verkehrt gemacht und Schuld auf uns geladen haben. Es gibt Vergebung, es gibt einen neuen Anfang durch Jesus Chris- tus. Und "geduldig" sollen wir sein. Unsere Wünsche auch einmal zurückstellen können, die Mit- menschen, die uns ihre oft schwierige Art und ihr forderndes Wesen auferlegen wie eine Last, er- tragen, freundlich bleiben, wenn sie uns auch manchmal auf die Nerven gehen, immer wieder mit ihnen neu beginnen, auch wenn wir sie so gern festlegen auf das, "was und wie sie halt sind". Ge- duld haben... Das können wir nur, wenn wir auch sehen und bekennen, dass wir selbst genau so dessen bedürftig sind, dass andere mit uns geduldig sind. Und schließlich: das "Gebet". Haben wir das nicht schon manchmal gespürt, wenn wir vielleicht am Morgen das Beten vergessen haben, dass uns etwas fehlt, ja, wir fühlen uns dann vielleicht so, mitten am Tag, als wäre unsere Gardero- be nicht vollständig... Und vielleicht suchen wir dann die Zeit und den Ort, unser vergessenes Ge- bet nachzuholen? Haltet an am Gebet! Kaum etwas Wichtigeres kann es für uns Christen geben, als dass wir mit unserem himmlischen Vater im Gespräch bleiben! Wenn wir - vielleicht für einige Zeit - nicht mehr beten können, dann ist etwas nicht in Ordnung in unserer Beziehung zu Gott. Dann wird es Zeit, den Kontakt wieder herzustellen. Wie? Im Gebet! - Auch die Wahrheit dieses Wortes wird nicht vergehen, genau wir unsere Beziehung zu unserem himmlischen Vater niemals an ihr Ende kommt, vielmehr von diesem Leben bis in die Ewigkeit reicht. Und noch ein Wort wollen wir bedenken, d a s Wort Gottes an seine Welt, seine Schöpfung und sei- ne Menschen! Wir lesen davon in wunderbaren Versen aus dem Johannesevangelium: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Wir wissen, von wem hier die Rede ist: Jesus Christus. Er ist das eine Wort Gottes, das alle anderen Worte umschließt. In ihm liegt aller Sinn, der Plan und das Ziel dessen, was Gott mit uns, seinen Menschen, vorhat...Jesus Christus. - Gerade noch haben wir an seiner Krippe gestanden, haben dort gesehen, wie klein sich in ihm der große Gott macht. Und vielleicht haben wir darüber gestaunt, dass Gott in diesem Jesus seinen Himmel verlässt, einer von uns wird, unser Bruder - und uns so zu seinen Geschwistern ver- bindet. Am Karfreitag werden wir unter sein Kreuz treten. Wir werden dort die Erlösung von Tod und Teufel empfangen, die Vergebung unserer Schuld - durch sein Leiden und Sterben. Und schließlich wird uns an Pfingsten sein Heiliger Geist geschenkt, der uns hilft, so zu leben, so zu denken, zu reden und zu handeln, wie es Menschen ansteht, die von Jesus Christus berührt und von seiner Liebe entzündet sind. - Jesus Christus, das ganze, umfassende Wort Gottes an uns wird nicht vergehen, wie die Sache Gottes in und mit ihm nicht vergeht und seit es Menschen auf der Erde gibt - in allem Wandel und aller Veränderung - nicht vergangen ist. Liebe Gemeinde, wir wollen uns im gerade begonnenen Jahr darauf verlassen, dass wir in Jesus Christus das Wort Gottes gehört und geglaubt haben, das alle anderen Worte enthält. Und wir wol- len glauben und mit unserem Leben, unserem Denken, Reden und Handeln zeigen, dass es wahr ist, was die Jahreslosung verspricht: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Gedicht zur Jahreslosung 2004 - vielleicht nach der Predigt oder am Schluss des Gottesdiensts zu verlesen: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Mk. 13, 31 Wie flüchtig alles: Liebe, Menschen, Dinge... Das Leben selbst vergeht, ein Raub der Zeit. Das Hohe fällt genau wie das Geringe, nur eins scheint sicher: die Vergänglichkeit. Wo ist in diesem Schwinden und Vergehen, der feste Ort, der unsre Seele hält? Wer stärkt das Herz und lässt es widerstehen, wenn uns die Angst den Tod vor Augen stellt? - Von Welt und Menschen lässt sich nichts erhoffen, sie sind ja selbst in diesen Lauf verstrickt. Auch Glück und Freude - vom Vergehn betroffen, wenn erst das Leiden seine Boten schickt... "Es ist mein Wort", so hat uns Gott versprochen, "das in der Zeit und ewig tragen kann!" Und was er sagt, wird nimmermehr gebrochen! In seinem Wort fängt neues Leben an. Es wird im Glauben dann durch uns empfangen und macht schon hier und jetzt die Zukunft licht. Wer Gott vertraut, wird Ewigkeit erlangen und heute schon des Glaubens Zuversicht. Manfred Günther