Predigt zum Buß- und Bettag - 18.11.2009 Textlesung: Lk. 13, 1 - 5 (6 - 9) Es kamen aber zu der Zeit einige, die berichteten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit ihren Opfern vermischt hatte. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer mehr gesündigt haben als alle andern Galiläer, weil sie das erlitten haben? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen. Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger ge- wesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen. Er sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab. Liebe Gemeinde! Das Thema dieser Verse und des Gleichnis’, das Jesus erzählt, hat mit der am meisten bedachten und besprochenen Frage auch unseres Christenglaubens zu tun. Sie stellt sich oft so: „Was hat der Nachbar nur getan, dass dieses Unglück über ihn gekommen ist?“ Oder auch so, persönlicher und „religiöser“: „Warum muss meine Freundin so viel leiden, warum straft Gott sie so?“ Manchmal ist das auch nicht als Frage, sondern als Sprichwort formuliert: „Jeder ist seines Glückes Schmied!“ Oder noch einmal biblisch ausgedrückt: „Was der Mensch sät, das wird er ernten!“ (Gal.6,7) In jedem Fall hat dieses Thema, diese Frage mit einem Wort zu tun, das nicht gut klingt in unseren evangelischen Ohren: Vergeltung! Und darum ging es auch schon in den zwei unausgesprochenen Fragen, wie sie damals an Jesus herangetragen wurden, die hießen nämlich: Was haben denn die galiläischen Pilger Böses getan, die der Statthalter Pilatus hat umbringen lassen - auch noch wäh- rend sie im Tempel opferten? Und welche Schuld haben die Menschen in Siloah auf sich geladen, denen jüngst ein Turm der Stadtbefestigung über den Köpfen zusammengestürzt ist, so dass sie zu Tode kamen? Bevor wir jetzt Jesu Antwort hören und betrachten, müssen wir noch eines wissen: Es war das selbstverständlichste Denken in Israel, dass der, dem so etwas widerfuhr, sich das als Strafe für eine besondere Schuld zugezogen haben musste. Gott vergalt ihm damit eben die bösen Taten, die er vorher begangen hatte. Jetzt begreifen wir (wieder einmal!), wie anstößig, ja, wie ungeheuerlich Jesu Worte für fromme Juden waren: „Meint ihr, dass diese Galiläer mehr gesündigt haben als alle andern Galiläer, weil sie das erlitten haben?“ Aber Jesus kommt den Zuhörern noch näher: „Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen?“ Wir dürfen hier schon zweifeln, ob die frommen Juden, de- nen Jesus solche Gedanken zumutet, das denn verstanden haben. Das war ja ganz und gar ungeheu- erlich und bestritt, was sie doch immer geglaubt und für fest gehalten hatten: Eben die „Vergel- tung“ des gerechten Gottes! Sollte das wirklich nicht so sein, dass der allmächtige Gott die - und nur die bestrafte - die Sünde getan hatten, andere aber verschonte, die sich um gutes, gerechtes Handeln nach dem göttlichen Gesetz bemühten? Wie gesagt: Das konnten sie wohl nicht verstehen. Nicht gleich jedenfalls. Liebe Gemeinde, haben wir das denn begriffen? Haben wir nicht neulich noch gedacht, warum die- se liebe Frau aus unserer Gemeinde (Straße?), die doch so oft in die Kirche geht, jetzt dieses Krebs- leiden hat? Und haben wir uns nicht gefragt, warum ausgerechnet dieser nette junge Mann aus der Nachbarschaft vor ein paar Wochen diesen schrecklichen Unfall haben musste? Und oft genug dreht es sich bei solchen Fragen ja auch um uns selbst: Warum muss denn gerade mir dieses Leid zustoßen? Was habe ich denn getan, dass Gott mir in letzter Zeit so viel Schlimmes und Schweres schickt? Und gar nicht selten gehen solche Fragen doch so weiter: Bemühe ich mich denn nicht, ein guter Mensch zu sein? Bin ich nicht ein gottesfürchtiger Christ und halte ich nicht die Gebote? Ein Bibelwissenschaftler (Klaus Koch) und zwar einer, der sich besonders mit dem Alten Testa- ment beschäftigt, hat schon in der Mitte des letzten Jahrhunderts einen Begriff für dieses Denken geprägt: „Tun-Ergehen-Zusammenhang“. Nun ist das zwar ein Wortungetüm, das sich recht gut als „Theologisches Unwort“ des Jahres seines Entstehens geeignet hätte. Trotzdem, wenn man diesen Begriff einmal näher anschaut, bringt er die Sache klar auf den Punkt: So wie du tust, so ergeht es dir; das hängt eisern zusammen, das ist das Gesetz der Vergeltung Gottes. Aber, liebe Gemeinde, das beschreibt, wie die Juden Gott sehen. So handelt der Gott des Alten Testamentes an den Menschen, zumindest haben die Menschen das so gedacht! Jesus aber hält dieses Denken für falsch! So ist Gott nicht! Er vergilt in dieser Welt nicht jedem nach seinen Taten! Er straft in diesem Leben nicht immer die Sünder und den Guten geht es durchaus nicht immer gut. Nein, die von Pilatus Getöteten waren nicht schuldiger als andere. Nein, die unter dem Turm von Siloah begraben wurden, waren nicht schlechter, aber auch nicht besser als irgendwelche anderen Menschen. Ist schon das damals eine gewaltige Zumutung gewesen, so setzt Jesus - wie wir heute sagen wür- den - jetzt noch einen drauf - und er sagt es gleich zweimal, dass es nur ja keiner überhört: „Ich sa- ge euch ... wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.“ Um Buße also geht es - damals wie heute. Unsere Umkehr auf die Wege Jesu und in die Nähe Got- tes, sind das Ziel aller Erlebnisse von Unglück oder Glück, von Schwerem oder Schönem, von Leid oder Freude, die uns begegnen. Und - da wollen wir jetzt bei uns bleiben und in der Welt, in der wir leben - das fordert nach wie vor unseren Widerspruch: Ist denn das gerecht, wenn ein rechtschaffener Mensch leiden muss? Warum geht es dagegen dem Bösen so gut und er weiß gar nicht wohin mit seinem vielen Geld? Warum? Weil ihr zu Gott gehört und weil das alles, was ihr hier erfahren müsst und erlebt, nicht das letzte ist. Und weil diese Welt selbst vergeht und alle Gesetze dieser Welt mit ihr. In der neuen Welt Gottes wird es nur noch nach der Liebe gehen, dort wird allein Gottes Güte regieren und jedem den Lohn zumessen, den er nicht verdient hat, es wird - wie im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg - der volle Tageslohn sein für alle und jeden. Aber ihr sollt auf dem Weg dorthin bleiben und wenn ihr ihn verlassen oder verloren habt, dann sollt ihr dahin zurückkehren, wo ihr ihn noch unter den Füßen hattet. Überhaupt, was schaut ihr denn immer auf die anderen, denen - wie ihr meint - von Gott Unrecht geschieht? Was fragt ihr euch, was die denn wohl Schlimmes getan haben, dass Gott sie so straft? Und warum könnt ihr, wenn ihr euer eigenes Leben bedenkt, auch immer nur auf euer Leid deuten und dann fragen, wie sich das mit Gottes Güte reimen soll? Seht ihr denn nicht, dass alles, was euch geschieht, nur den einen Zweck hat, eure Augen und Herzen hin zu Gott zu lenken? Hört ihr denn nicht, dass Gott euch ruft und lockt, dass ihr an seine Hand zurückkehrt, die ihr doch lange verlassen habt. Und wenn ihr auch noch in seiner Nähe seid und wenn ihr euch auch ehrlich be- müht, seinen Willen zu erfüllen, dann gibt es doch viele Versuchungen, die euch von ihm abbrin- gen, Gedanken, die sich gegen ihn auflehnen und Zweifel, die euch den Mut und die Kraft nehmen wollen. Und dass es dem Bösen schlecht und dem Guten gut ergehen müsste in dieser Welt, ist ei- ner dieser Gedanken. Aber so ist es nicht! Es klingt hart, aber abgerechnet wird zum Schluss! Noch aber ist diese Zeit nicht gekommen. Sonst nämlich wäre das die ganze Geschichte, die Jesus uns er- zählt: „Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft?“ Wenn das alles wäre, dann ginge nun der Weingärtner hin und holte Axt und Säge - und aus wäre es mit dem Baum. Dann wäre auch bestätigt, dass im- mer die Strafe auf dem Fuß folgt, dass einer immer erntet, was er sät und jeder seines Glückes (oder Unglückes!) Schmied ist. Aber das Gleichnis geht weiter: „Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab.“ Für den Baum bricht jetzt die Zeit der Gnade an, der Bewährung. Für uns Menschen ist es die Zeit der Buße, der Umkehr auf den Weg Jesu Christi und an die Hand Gottes. Was die Zuhörer Jesu damals noch nicht wussten, das wissen wir und das wollen wir uns heute auch ganz besonders in unsere Erinnerung rufen: Seit Jesus Christus ans Kreuz von Golgatha ge- schlagen wurde, ist der Tun-Ergehen-Zusammenhang, ist das eherne Gesetz, dass Schuld immer Strafe nach sich zieht, ein für allemal aufgehoben. Denn Christus hat gelitten, ohne Schuld. Er war ohne Sünde und trug doch unsere Strafe. Der Glaube an ihn macht frei vom falschen Denken, wir müssten für unsere Schuld leiden und uns den Himmel mit guten Taten verdienen. Freie Menschen gehen froh und dankbar auf dem Weg, auf dem ihnen ihr Herr vorausgegangen ist und sie begleitet. Liebe Gemeinde, heute ist Buß- und Bettag, also genau der Tag, an dem Buße und Umkehr ihren Platz haben und vielleicht ihren Anfang nehmen. AMEN