Predigt zum 9. Sonntag nach Trinitatis - 9.8.2009 Textlesung: Mt. 25, 14 - 30 Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort. Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern. Liebe Gemeinde! Eine deutliche Geschichte! Wenn wir sie recht verstehen, fühlen wir uns von ihr gleich bei einigen „Denkfehlern“ ertappt. Der erste ist wohl dieser: Wir verlegen immer gern den Lohn unseres Han- delns in Gottes neue Welt. Wenn wir für unser Leben diese oder jene Gaben geschenkt bekommen haben, dann meinen wir, die „Abrechnung“ käme drüben, auf der anderen Seite des Lebens. - Aber so ist es nicht! Wir sollen unsere Gaben in dieser Welt einsetzen für die anderen Menschen. Wenn wir weniger mitbekommen haben als anderen, dann sind wir vielleicht traurig oder hadern gar mit Gott. Vielleicht denken wir auch, mit dem wenigen müssten wir auch nur wenig erreichen. - Aber es macht vor Gott keinen Unterschied: Wir können allemal mit unseren geringen Talenten noch einmal so viel gewinnen - wie in der Geschichte. Und Gott freut sich kein bisschen weniger an dem, was wir ihm da bringen. Schließlich gibt es auch ein solches Denken unter uns: Was soll ich überhaupt für Gottes Sache tätig sein! Da wird er doch nicht gerade mich brauchen können! Andere haben viel mehr! Sollen die doch ... So vergraben wir, was Gott uns geschenkt hat und lassen es nicht arbeiten. - Gott aber möchte durchaus, dass wir uns für ihn und für die Menschen einsetzen. Es ist zu wenig, wenn wir alles brach liegen lassen, was er uns doch für die Arbeit an seiner guten Sache gegeben hat. Faule, schläfrige Leute will er nicht haben. Und das ist ja in dieser Geschichte nicht neu. Erinnern wir uns an die „Arbeiter im Weinberg“: Gottes Arbeitsbedingungen sind wohl anders als wir uns das herkömmlich vorstellen, aber gearbei- tet soll werden! Oder denken wir an den „Verlorenen Sohn“. Das ist zwar nicht die Mitte des Gleichnis’ vom „Verlorenen Sohn“, aber auch hier ist klar, dass Gott etwas von seinen Kindern ver- langt: Entweder als Sohn oder als Tagelöhner. Aber ich glaube, das ist uns auch ganz einleuchtend. Und wir wollten es auch gar nicht anders. Im allgemeinen jedenfalls. Selbstverständlich sind Gottes Geschenke, die Talente, die er den Menschen gegeben hat, nicht nur sozusagen für den eigenen Gebrauch! Wenn einer eine Begabung als Pfarrer hat, dann soll er in diesem Beruf den Menschen dienen. Wenn eine ihre Erfüllung darin findet, Menschen zu pflegen und zu heilen, dann soll sie Krankenschwester oder Ärztin werden. Und auch bei handwerklichen Berufen kann einer doch mit seinem Geschick anderen Menschen wertvolle Dienste leisten und viel Freude bereiten. - Soweit können wir sicher zustimmen. Auch umgekehrt würden wir sicher sagen: Wenn einer so ganz offensichtlich eine Ader dafür hat, Menschen zu verstehen und zu trösten, wenn er also irgend eine helfende, beratende Tätigkeit ausüben sollte, wenn er dann aber eine ganz andere Laufbahn einschlägt, die ganz andere Anforde- rungen stellt, dann würden wir gewiss denken, dass er sich vergeudet. Und wie oft haben wir nach Begegnungen mit anderen Menschen wohl schon gedacht: Die oder der hat seinen Beruf verfehlt? Die oder den könnte ich mir in einem anderen Beruf viel besser vorstellen! - Soweit zu unserem Denken, unserer Meinung über andere Menschen. Aber wie ist das mit uns selbst? Sehen wir unsere Talente immer ganz klar und nüchtern. Wissen wir wirklich, was uns anvertraut ist, ja, wollen wir es überhaupt genau wissen ... oder reden wir un- sere Gaben nicht lieber klein, dass sie uns nicht so fordern? Haben wir gar auch ein Loch gegraben und unseren Zentner dort hineingelegt in der Meinung, mit dem könnten wir ja schließlich machen, was wir wollen? Dabei wollen wir jetzt nicht naiv sein! Es ist heute nicht mehr so, dass jeder ganz frei das werden kann, was er möchte. Was soll etwa die junge Frau tun, die gern Erzieherin geworden wäre, wenn sie dann nur ein Ausbildungsangebot zur „Fleischfachverkäuferin“ bekommt? Oder wie soll sich der Mann verhalten, der ein abgeschlossenes Studium als Sozialpädagoge hat, aber die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zwingen ihn, als Bauhelfer zu arbeiten? Erst einmal: Es ist ganz schlimm für die Menschen, die so etwas erleben. Sie werden ohne eigene Schuld um die Erfüllung und das Glück ihres Lebens gebracht. Sie machen sich müde an einer Ar- beit, die eigentlich nicht ihre ist, die fremd ist und vielleicht immer fremd bleibt. Dann aber muss man auch die andere Seite sehen und sagen, dass der Beruf nicht alles ist. Der Tag hat mehr Stunden, als wir auf dem Bau sind oder in einer Metzgerei stehen. Und in den Stunden, die frei bleiben, können wir durchaus manches tun, woran auch unser Herz beteiligt ist und womit wir - mit unseren Gottesgaben - anderen helfen und Gutes tun können. Das kann im Verein gesche- hen oder in unserer Kirchengemeinde. Wir können uns beim Roten Kreuz engagieren oder in einer Initiative der Nachbarschaft. Ohne Möglichkeiten ist niemand. Überflüssig ist gewiss keiner, der mit seinen Talenten wuchern und sich für seine Nächsten einbringen will. Sehen wir nach dem Menschen, der hier nur einen Zentner von seinem Herrn bekommen hat. Er legt alle seine „Gaben“ in eine Grube, so als hätte er sie nicht erhalten. Ich finde, der Herr ist mit Recht zornig über ihn. Wenigstens auf die Bank hätte er seinen Zentner bringen können. Wir sehen aber am Zorn des Herrn noch eines besonders deutlich: Dieser Mensch erweist sich als einer, der nur auf sein eigenes Heil aus ist. Die anderen scheren ihn nicht. Die Gaben sind nur seine eigenen, die hat er nicht zum Teilen mitbekommen. Darum kann er sie auch vergraben. Meint er. Aber das ist nicht so: Alle Geschenke Gottes zielen immer auch auf meinen Mitmenschen! Nichts gehört nur mir selbst, weil es ja eigentlich Gott gehört. Und Gott will, dass ich es mit meinem Nächsten teile. Dabei hätte es ja sogar gereicht, wenn der Mensch mit dem einen Zentner, sein Gut mit Zinsen hätte zurück geben können. Dabei würde es ja bei uns genügen, wenn wir mit dem, was Gott uns geschenkt hat, hin und wieder ein wenig zur Wohlfahrt anderer beitragen, denen es nicht so gut geht, wie uns. Wenigstens das kann Gott erwarten. Bevor wir nun vielleicht dahin kommen, dass wir das unbillig nennen und gegen unsere persönliche Freiheit gerichtet, bevor wir uns nun gezwungen fühlen, weil ja Strafe droht, Gott widerwillig zu geben, was er verlangt, lassen Sie uns noch einmal in die Mitte der Geschichte hineinsehen: Zweimal - bei dem mit den fünf und bei dem mit den zehn Zentnern - heißt es: „Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!“ Ich bin überzeugt davon, der dritte Mann, der nur einen Zentner erhalten hat, hätte etwas ähnliches gehört, wenn er seine „Talente“ wenigstens auf die Bank ge- bracht und für seinen Herrn Zinsen erlöst hätte. Unser Gott ist ein liebevoller Vater, der ganz sicher versteht, wenn wir aus welchen Gründen auch immer nicht so mit unseren Talenten arbeiten können - zumal in einer Zeit, in der das schwieriger geworden ist. Aber ich glaube auch, dass es unserem himmlischen Vater nicht gefällt, wenn wir nur um uns selbst kreisen und alle Gaben, mit denen er uns ausgestattet hat, brach liegen lassen. AMEN