Predigt zum 8. Sonntag nach Trinitatis - 2.8.2009 Textlesung: Mt. 5, 13 - 16 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Liebe Gemeinde! Es ist ja immer wichtig, dass wir die Zeit mit bedenken, in die Jesus seine Worte zuerst hinein ge- sagt hat. Heute aber ist es besonders wichtig! Mir ist das an mindestens zwei Stellen dieser vier Verse aufgegangen. Einmal gleich im ersten Vers: „Ihr seid das Salz der Erde!“ Wenn wir das mit unseren Ohren heute hören, dann denken wir bestimmt zuerst daran, dass ohne Salz die Speisen fade schmecken und ihnen die Würze fehlt. Vielleicht kommt uns noch in den Sinn, dass Salz auch eine gewisse Schärfe ins Essen gibt. Wenn wir das dann übertragen, kommt heraus: Salz gibt Geschmack und Schärfe ins Leben - fehlt das Salz bleibt alles ohne die rechte Würze. Wenn also die Christen auf solche Weise Salz der Erde sein sollen, dann hätten sie schon eine wichtige Aufgabe! Ganz sicher! Aber wenn wir den Auftrag Jesu nun aus der Zeit heraus verstehen, in der unser Herr über diese Erde ging, dann kommt noch etwas Entscheidendes hinzu. Daran denken wir aber im Zeitalter der Konserven und der Tiefkühltruhen nicht gleich: Salz macht auch haltbar. Es wehrt der Fäulnis! Mit diesem Gedanken im Hintergrund bekommt Jesu Auftrag jetzt noch wesentlich mehr Ernst: Wenn ihr, meine Leute, nicht das Salz in der Welt seid, dann verkommt alles, wird ungenießbar und verfault. Aber sehen wir nach dem zweiten, das aus der damaligen Zeit heraus gedeutet, viel deutlicher spricht, als wir es zuerst verstehen: „Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter ...“ Beim ersten Hören denkt man doch, dass so ein Licht unter dem Scheffel halt nicht mehr zu sehen ist, nicht mehr leuchtet. Und das ist sicher auch so. Auf die Christen übertragen hieße das: Von ihnen ginge - vielleicht ja nur für eine Weile - kein Licht aus. Sie würden es im Raum - für eine Zeit - nicht mehr hell machen, bis man das Licht wieder her- vorholt. Aber schauen wir genauer hin: Ein Scheffel ist ein Hohlmaß, gemacht dafür, eine bestimmte Ge- treidemenge abzumessen. Dass keine Körner hindurchfallen, war das Scheffelmaß ringsum ganz dicht. Nicht einmal Wasser wäre nach außen gedrungen! Was würde also passieren, wenn man ein Licht anzündet, also eine offene Flamme entzündet und sie unter ein solches Maß stellt? - Es würde nicht lange dauern, dann müsste sie erlöschen, denn ihr würde nur zu bald der Sauerstoff ausgehen. Wenn man das Licht später wieder hervorholt, wäre es erloschen und der Raum läge weiter in Dun- kelheit. Es geht also um mehr als die Würze oder Schärfe innerhalb der Beziehungen oder der Gesellschaft der Menschen. Es geht um mehr als eine vielleicht kurze Zeit, in der es dunkel ist, dort wo Men- schen zusammen leben. Nein, es steht auf dem Spiel, dass alles verdirbt: Die Werte, die Maßstäbe, der Glaube und die Hoffnung. Und wir Christen sind verantwortlich dafür, ob sich eine lähmende Dunkelheit über die Welt breitet, die alle Toleranz, alles Verständnis, alle Güte und Nächstenliebe zwischen den Menschen und Völkern vertreibt. Ich denke, jetzt haben wir wirklich den Ernst dieser Verse begriffen. Aber besteht denn diese Ge- fahr wirklich, dass durch unser Versagen die Werte verfallen und es dunkel wird in der Welt und unter den Menschen? Fragen wir einmal von der anderen Seite: Wo sehen wir heute noch etwas davon, dass Christen ihr Licht vor den Menschen leuchten lassen? Mir fallen dazu bestimmte Orte, bestimmte Anlässe und bestimmte Personen ein. Ich denke an den Gottesdienst am Sonntag. Die sich da mit ihrem Licht hervortun sind meist Pfarrerinnen und Pfarrer, Prädikanten, Lektoren und manchmal Kirchenvors- teherInnen und MitarbeiterInnen aus der Gemeinde. Und - das füge ich der Ehrlichkeit halber hinzu - es ist in der Kirche, im Gottesdienst besonders leicht, etwa die Flamme des eigenen Glaubens zu zeigen. Da gehört es hin - nach unserer Meinung. Dort hat es seinen Platz - nach Tradition und oft jahrhundertelanger Übung. Und in der Verkündigung geschulte Leute tun sich da auch nicht schwer, ein Stück von sich selbst preiszugeben. Hier braucht es meist keine große Überwindung, darüber zu reden, was unsere innerste Überzeugung ist. Und mir fallen Großveranstaltungen wie Kirchentage oder Missionsfeste ein. Auch das sind Orte und Gelegenheiten den Glauben leuchten zu lassen, der in einem ist. Hier werden oft sogar Men- schen dazu angesteckt, auch ihr Licht zu zeigen, die das sonst selten oder nie tun. Solche Anlässe lassen oft Mauern der Zurückhaltung einstürzen und reißen Vorbehalte, die uns sonst hemmen, ein- fach nieder. Wenn so viele Menschen von dem reden, was tief in ihnen drin ist, dann lernen andere das plötzlich auch. Aber jetzt kommen wir zu uns. Uns fällt das nicht so leicht, uns ins Herz schauen zu lassen. Wir sind nicht geübt darin, einem anderen, gar einem Fremden mitzuteilen, wie froh uns der Glaube an Jesus Christus macht. Und in einer Welt, die den Glauben und alles „Religiöse“ überhaupt zur Pri- vatsache erklärt hat, ist es auch nicht einfach, von diesen für persönlich gehaltenen Dingen offen und öffentlich zu reden. Soviel ist zugestanden. Und auch die, die es gelernt haben, in der Kirche auf eine Kanzel zu steigen oder an ein Pult zu treten, um das Wort Gottes zu verkündigen, haben oft große Mühe, beim Alltagsgespräch, beim Konflikt am Arbeitsplatz oder in der politischen Dis- kussion über ihren Glauben und den Willen Gottes zu sprechen. Es bleibt aber dabei: Wir sollen das tun! Und wir müssten es können! Denn wir sind das Licht der Welt. Wir sind das Salz der Erde. Und wenn wir nicht mehr Salz und Licht sind, dann nehmen wir unsere Verantwortung nicht mehr wahr. Dann verfallen die Werte. Dann geht das Christentum vor die Hunde. Dann wird es zertreten wie das Salz, das nicht mehr würzt und vor Fäulnis schützt. Dann wird es dunkel über der Welt, weil wir das Licht verlöschen lassen. Was machen wir im allgemeinen, wenn wir etwas lernen und uns aneignen wollen? Wir üben so lange, bis wir es können. Dabei gehen wir schrittweise vor, fangen mit leichteren Übungen an und steigern dann immer mehr, bis wir das Ganze beherrschen. - Wie könnten wir üben, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein? Ich glaube, das erste in diesen Dingen ist es, wahrzunehmen, was uns mit dem Glauben an Jesus Christus geschenkt ist. Dabei buchstabieren wir den Glauben sozusagen durch: Wir sind von Gott geliebt. Jesus Christus ist in die Welt gekommen, uns von Sünde, Tod und Teufel zu erlösen. Er hat unsere Schuld auf sich genommen. Er ist für uns gestorben und hat damit unsere Beziehung zu Gott in Ordnung gebracht. Er ist auferstanden von den Toten und wir werden auch auferstehen und in Gottes Nähe ewig leben. - Wenn wir das so hören und vor Augen haben, dann wird es uns wieder einmal so recht deutlich, wie reich, wie überreich wir im Glauben beschenkt sind. Wer kann solch ein Geschenk denn verschweigen und in seinem Herzen verschließen? Das zweite ist dies: Dass wir alles, was wir täglich erleben, was wir hören und wobei wir Zeuge werden vor dem Hintergrund dieses Glaubens bedenken: Vielleicht die Sorgen der Nachbarin, von denen sie uns erzählt. - Wie werden wir ihre Worte aufnehmen, wenn wir selbst doch im Glauben geborgen sind und ohne Angst im Blick auf die Zukunft? Oder die bösen Nachrichten der Wirt- schaftskrise. - Kann ich denn nur Schlechtes erwarten, wenn ich weiß, dass unsere Welt in Gottes guten Händen ruht? Oder auch die schönen Ereignisse, die in meiner Umgebung geschehen, die es doch auch gibt. - Sind sie nicht alle wie eine Bestätigung dafür, dass es auch immer wieder Hoff- nung gibt und die Welt nicht verloren ist, so lange Gott noch nach ihr sieht und Menschen in ihr le- ben, die Gott kennen und an ihn glauben? Und der dritte Schritt wird dann wie von selbst kommen: Wir werden auch immer wieder, wenn es dran ist, ein gutes Wort sagen, eines das Gott ins Gespräch bringt und den Glauben, der in uns ist. Vielleicht solch ein Wort: „Die Sorgen, die du dir machst, sind sicher berechtigt. Aber es ist einer über uns, der möchte, dass wir alle Sorgen auf ihn werfen, weil er für uns sorgen will.“ Oder ein solches Wort: „Die Wirtschaftskrise ist eine schlimme Sache! Aber zuletzt leben wir nicht vom wirtschaftlichen Aufschwung, sondern von Gottes Liebe und Treue.“ Und dieses Wort: „Ich glaube, wir müssten viel mehr auch die schönen Dinge sehen, die Tausend Gaben der Natur, die guten Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Kirche hier und dort. Es gibt nicht nur Angst und Schrecken, es gibt auch manches, was Mut machen kann und Hoffnung schenkt und wir erkennen Gottes Hand darin!“ Begleitet werden diese drei Schritte dann ganz gewiss - und sicher ohne jede Aufdringlichkeit und jedes Zur-Schau-Stellen - durch Taten, wie sie von diesem Wort Jesu gemeint sind: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel prei- sen.“ Liebe Gemeinde, wollen wir nicht versuchen, ob es funktioniert, ob hier nicht der Weg führt, den wir als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu gehen sollen: Über die Wahrnehmung unseres Glau- bens und aller seiner Geschenke hin dazu, alles, was uns täglich begegnet vor diesem Glauben zu bedenken und schließlich diesen Glauben auch bei passender Gelegenheit zur Sprache zu bringen?, damit der Wille unseres Herrn und der Auftrag an seine Leute erfüllt wird: „Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.“ - Wer soll es denn tun, wenn nicht wir - die Christinnen und Christen? AMEN