Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis - 19.7.2009 Textlesung: Mt. 28, 16 - 20 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Liebe Gemeinde! Es gibt wohl wenige Verse der Bibel, außer dem Vaterunser, die wir schon so oft gehört haben. Bei jeder Taufe werden sie vorgetragen. Darum gehören diese Worte ja auch an diesen Sonntag, denn heute ist ein Sonntag, der uns in besonderer Weise an unsere Taufe erinnern soll. Aber bevor wir uns der Taufe zuwenden, noch ein Gedanke über die Jünger, denen Jesus hier einen Auftrag gibt und von denen er hier Abschied nimmt: Warum hören wir von ihnen, dass „einige aber zweifelten“? Weshalb und woran waren ihnen denn Zweifel gekommen? Wenn man das hin und her überlegt, kommt man drauf: Es kann nicht die Auferstehung Jesu sein oder die Frage, ob der, mit dem sie jetzt auf dem Gipfel des Berges standen, denn wirklich der Herr war, den sie ein paar Jahre auf seiner Wanderschaft begleitet hatten und der dann gekreuzigt worden und gestorben war und den sie ins Grab gelegt hatten. Nein, das wussten sie inzwischen: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ So hatte es Petrus formuliert. Und das war auch ihre Meinung. - Ich glaube, sie zweifelten daran, ob sie jetzt auch weiter seine Jünger sein wollten, sein könnten ... Sie hatten Zweifel, ob die Kraft, die er ihnen nun zurückließ, für längere Zeit reichen würde und sich nicht allzu bald aufgebraucht hätte. Und wir können das sicher gut verstehen, denn es stand für die Jünger eine ganz neue Zeit bevor: Der Herr, der sie mit seinem Wort und seinem Wesen gestärkt hatte, war nicht mehr bei ihnen. Bei ihren Entscheidungen im Alltag, bei den kleinen und großen Fragen des Lebens wären sie jetzt immer allein. Auch, ja vielleicht ganz besonders die Gemeinschaft mit ihm würde ihnen fehlen. Sie durften zukünftig nicht mehr direkt mit ihm reden. Von nun an konnten sie ihm ihre Bitten nur noch in ihrem Innern, in der Stille des Gebets vortragen. Große Veränderung standen also bevor. Das machte ihnen Angst und ließ sie unsicher werden. Aber Jesus tut etwas gegen ihre Zweifel. Er tröstet sie, redet ihnen gut zu, macht ihnen Mut: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Was sich ändert ist eigentlich nur das: Jesus ist nicht mehr ihr direktes Gegenüber, sichtbar wie ein Freund, mit dem sie sprechen und den sie fra- gen können. Aber die größte Macht der Welt, die hat er jetzt. Sein Wort und Wille steht von nun an hinter allem, was geschieht und was ihnen widerfährt. Darum müssen sie keine Angst haben. Und Jesus gibt ihnen einen Auftrag: „... gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes ...“ Und wahrhaftig: Damit hatten und haben die Leute Jesu Christi bis heute zu tun! Und das wird nie zu Ende sein, so lange die Erde steht und der Herr uns Zeit lässt, Menschen zu ihm zu rufen. Aber etwas aus Jesu Auftrag habe ich eben nicht gelesen, vielleicht haben sie es gemerkt. So heißt es vollständig: „Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes ... und des heiligen Geistes!“ Der Heilige Geist aber gehört unbedingt hinein in den Auftrag zur Taufe und dazu, die Menschen zu Jesus Christus zu führen. Der Heilige Geist ist nämlich nach dem Abschied Jesu die neue, ent- scheidende Kraft, die uns Menschen hilft, den Willen und Auftrag unseres Herrn zu erfüllen. Damals bei den Jüngern wird das noch nicht so besonders große Hoffnung und Zutrauen ausgelöst haben. Die Macht des Heiligen Geistes war ja sozusagen noch neu in der Welt und in diesem Au- genblick oben auf dem Berg in Galiläa eigentlich erst eine Verheißung. Aber bei uns ist das anders: Der Geist Gottes und Jesu Christi ist nicht ausgeblieben. Er hat seit damals in ungezählte weltpolitische Entscheidungen eingegriffen. Er hat unzähligen Schicksalen von Menschen eine neue Richtung gegeben und die Wende in Millionen menschlicher Beziehungen eingeleitet. Wenn man diese Wirkung des Geistes bejahen kann, fragt man sich wie von selbst, warum wir dann von diesem Heiligen Geist doch eher wenig sprechen. Warum wir ihn nicht ange- messen über seinen großen Taten preisen und ihn nicht mehr durch Gebet und Bitte in unsere Sorgen, Ängste und Nöte hineinrufen? Das hat sicher mit dem Wesen dieses Geistes zu tun, von dem wir ja an anderen Stellen der Bibel manches hören: Der Geist weht, wo er will! Kein Mensch weiß, wo er herkommt und wohin er geht. Er lässt sich nicht vorher verpflichten, sondern ist dann da, wenn wir ihn brauchen. Der Hei- lige Geist ist nicht unserem Willen verfügbar, sondern tut, wozu Gott ihn sendet. Und noch eins: Wir erkennen den Heiligen Geist meist gar nicht, wenn er da und am Werk ist, sondern oft genug viel später, wenn wir - manchmal nach Jahren erst - zurückschauen. - Der Geist Gottes ist also eine Kraft, die uns nicht gehorcht, wie unsere Hände und Füße oder ein Werkzeug, das wir benutzen. Und doch ist sie da, allezeit tätig an den Menschen, an den politischen Verhältnissen in den Gesell- schaften und an den Völkern. Nun werden wir sagen: Ein Geist, der so gar nicht greifbar ist, ist doch auch in seiner Wirkung nur schlecht nachzuweisen! Das stimmt! Und genau das gehört auch zu den Eigenschaften des Heiligen Geistes, dass niemand ihn beweisen oder mit Sicherheit belegen kann, wo er am Werk war. Wir be- kommen immer nur Hinweise auf ihn, manchmal ist es nur eine Ahnung, manchmal muss man sich aber auch innerlich schon sehr verschließen, seine wunderbare Macht nicht wahrzunehmen. Wenn etwa ein Wunsch, den wir viele Jahre lang gehegt haben, nach einem Jahrzehnt erst in Erfüllung geht, dann kann es schon sein, dass wir nach der langen Wartezeit gar nicht mehr sehen und achten, dass doch etwas sehr Schönes, lang Ersehntes wahr geworden ist. Wenn viele Schicksalsschläge über einen Menschen hereinbrechen, wenn er viele Tränen weinen muss und mit den Folgen lange Zeit belastet ist, dann wird er - wenn sich sein Geschick endlich ändert - vielleicht gar nicht mehr erkennen können, dass da doch der Heilige Geist Gottes geholfen hat und sogar in allem Leid und allem Schweren, das zu überwinden war, etwas Gutes, Dankens- wertes gelegen hat. Oder wenn wir die Wende im Osten unseres Landes betrachten, die inzwischen schon zwanzig Ja- hre zurückliegt: So manches daran wurde inzwischen entzaubert. Anfänglich hatten wir ein stärkeres Gefühl dafür, dass hier auch etwas Wunderbares geschehen ist, etwas, das von Gott her kam und ein großes Geschenk gewesen ist. Im Laufe der Jahre allerdings ist dieses Gefühl verblasst und hat mannigfaltigen Erklärungsversuchen für die Entwicklung damals Platz machen müssen, die eigentlich nicht zu erklären war: Ein solcher Umbruch ohne Blutvergießen! Ein gewaltiger Mach- tverlust für eine Regierung und Tausende von Funktionären - und kein Schuss ist gefallen! Aber wir wollen an diesem Tauferinnerungssonntag auch an die Taufe denken. Und der Weg der Gedanken vom Heiligen Geist zur Taufe ist ja nun wirklich nicht weit, wie wir eben schon gehört haben: „Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes!“ Mir ist da etwas aufgefallen: Ist die Taufe nicht eigentlich genauso unverfügbar wie der Heilige Geist? Wir wissen doch, dass die Taufe ein Geschenk ist. Wir bleiben darum ja auch - gegen manche Gründe, es anders zu halten - bei der Kindertaufe fest, weil in ihr wunderbar deutlich wird, dass sie keine Belohnung für ein menschliches Verdienst ist, dass Gott in ihr nicht auf das Be- kenntnis des Täuflings antwortet oder vielleicht seinen Glauben bestätigt. Die Taufe ist und bleibt Geschenk, freie Gabe Gottes, ohne Ansehen der Würdigkeit, des Glaubens, guter Taten oder irgen- deiner anderen Eigenschaft des Menschen. - Und genau so ist der Heilige Geist doch auch: Ein Ge- schenk, das uns hilft, tröstet, segnet, stärkt und manches mehr ..., ohne irgend ein Verdienst oder eine Vorleistung, die wir erbringen müssten. Liebe Gemeinde, wir wollen uns heute neu diesen wunderbaren Geschenken Gottes öffnen: Dem Heiligen Geist, der weht, wo er will, aber dessen Macht wir immer wieder im Privaten, in unseren menschlichen Beziehungen und im Leben der Gesellschaft erkennen können. Und den wir - ein we- nig Nachdenken wird es uns deutlich machen! - auch selbst schon an vielen Stellen unseres Schick- sals erfahren haben. Und wir wollen das Geschenk der Taufe heute bedenken und uns daran freuen: Gott hat uns frei erwählt, dass wir seine Kinder und Erben sein sollen und er sendet uns den Heiligen Geist, der im- mer wieder in unserem Leben seine Macht entfalten, uns zurecht bringen, helfen und stark machen will. - So macht die Taufe und der Heilige Geist wahr, was Jesus den Jüngern damals und uns heute versprochen hat: „... siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ AMEN