Predigt zum Trinitatissonntag - 7.6.2009 Textlesung: Jh. 3,1-8 (9-15) Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, einer von den Oberen der Juden. Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist. Die Frage, die Nikodemus hier stellt, ist - kurz gesagt - diese: Was muss ich tun, dass ich Gottes Reich sehe. Wir würden vielleicht so fragen: Wie kann ich die Ewigkeit in Gottes neuer Welt ge- winnen? Und Kinder würden es sicher so ausdrücken: Wie komme ich in den Himmel? Die Antwort Jesu, die er hier so schön und bildhaft gibt, lautet ganz einfach: Du musst von oben her wiedergeboren werden - und noch einfacher: Du kannst gar nichts tun! Ob sich der Pharisäer, der auch ein Oberer der Juden im Hohen Rat war, damit zufrieden gegeben hat, erfahren wir nicht. Auch wissen wir nicht, ob es ihm irgendwie geholfen hat, was Jesus sagt. Und sie sind auch schwierig, diese Gedanken, denn damals wie heute ist die Antwort auf die Frage nach der Ewigkeit und dem Himmel dieselbe: Wir können nichts tun! Denn das Reich Gottes ist ein Geschenk, wie der Glaube ein Geschenk ist und der Heilige Geist und die Wiedergeburt ... und ei- gentlich ja alles, was wir sind und haben und erhoffen! Sind wir damit zufrieden? Hilft uns das irgendwie? Sicher nicht auf Anhieb. Zuerst nämlich gehen wir ja an all unsere Aufgaben, an alle Aufträge, an jede Entscheidung und an jede Frage immer wieder so heran: Was muss ich tun, um das zu erfüllen, zu lösen, richtig zu machen, zu erreichen und Antwort zu bekommen. Dann überlegen wir, planen wir, denken hin und her ... und dann tun wir etwas und es gelingt, klappt, bringt uns weiter - oder auch nicht. So ist es mit vielen Dingen. So soll es dann aber auch in der Sache Gottes mit uns Menschen, in Glaubensdingen und den letz- ten Fragen nach dem Tod, der Auferstehung und dem Ewigen Leben sein. Auch da zerbrechen wir uns den Kopf, grübeln und forschen, denken in diese und jene Richtung - aber alles das führt uns nicht weiter, ist verlorene Mühe und schafft in uns keinen Glauben, keine Hoffnung und schon gar keine Sicherheit. - Du kannst gar nichts tun!, sagt Jesus. Du musst von oben her wiedergeboren werden! Nein, damit sind wir nicht zufrieden und es hilft uns auch nicht. - Da könnten wir jetzt traurig wer- den und zweifeln und vielleicht sogar ver-zweifeln ... Aber wir müssen es nicht! Denn es gibt da auch noch die andere Seite - und die ist gut und wunderbar und ein Grund zu ganz großer Freude! Davon gehen wir aus: Wir können gar nichts tun in der Sache Gottes! Wir haben es nicht in der Hand, ob wir glauben können, ob wir auf ein Leben nach diesem hoffen ... Aber Gott kann etwas tun! Er hat es in der Hand! Und wenn er uns bis heute das Geschenk des Glaubens noch nicht ge- macht hat, wenn für uns bis heute der Gedanke an ein ewiges Leben in Gottes neuer Welt ganz fremd war und uns nicht in den Kopf, geschweige denn in die Seele wollte ... Vielleicht war es ge- rade unsere Art, alles selbst machen, selbst lösen, selbst erreichen zu wollen, die Gott im Wege ges- tanden hat, so dass er uns seine wunderbaren Gaben nicht schenken konnte!? Stellen wir uns das doch einmal ganz praktisch und auch ein wenig kindlich vor: Da ist der Vater, der seinem Kind eine wunderbares Geschenk geben will. Er ist schon sehr gespannt, wie das Kind sich freuen wird, wie es jubelt und dem Vater um den Hals fällt vor Glück. Und dann ... Dann ach- tet das Kind gar nicht auf den Vater, der schon in der Nähe steht, schon das Geschenk in der Hand hält und dem Kind entgegenstreckt ..., sondern ist in seinen Gedanken versunken, überlegt hin und her, wie es dem Vater besser und immer besser gefallen kann, wie es ihn auf sich aufmerksam ma- chen, ihn für sich einnehmen kann mit seiner Mühe, dass er ihm doch endlich die ersehnte Gabe schenken möchte. - Können wir uns vorstellen, wie traurig und enttäuscht der Vater über das Kind ist, das die Gabe einfach nicht annehmen will? So ist es vielleicht die erste und einzige Lektion, die wir in unserer Beziehung zu Gott lernen müssen: Dass er nichts von uns haben will, dass er alles, was wir ihm geben wollen, nicht nötig hat, weil es ohnehin ihm gehört und von ihm herkommt, dass wir vielmehr nur die Hände und die Her- zen öffnen sollen, damit seine Geschenke zu uns kommen können. Das ist nicht leicht in einer Welt, die immer mehr eine Welt der Macher geworden ist. Überall in der Leistungsgesellschaft müssen wir uns mit vollen Kräften einbringen, anstrengen, mühen und abstrampeln. Wer nichts leisten will oder kann, fällt hinten runter. Das bringt Menschen ins Abseits und ins Aus. Daran leiden die, deren Mühe irgendwann vergeblich gewesen ist, die Pech hatten und aus Gründen, die sie selbst gar nicht verantworten, den „Zug verpasst“ haben. Aber was kann einer denn dafür, wenn die Firma, in der er seit drei Jahrzehnten gearbeitet hat, durch die Wirt- schaftskrise in die roten Zahlen kommt und dicht gemacht wird? Oder was kann eine dafür, wenn sie unter dem Stress des Berufs einfach zusammenbricht und krank wird und dann arbeitslos und in der sich rasant entwickelnden Arbeitswelt keinen Anschluss mehr bekommt? Und vor diesem Hintergrund sollen wir Gottes Geschenke annehmen können? In unserem Glauben- sleben sollen wir jedem Gedanken nach Leistung und eigenem Bemühen den Abschied geben? - Liebe Gemeinde, ganz deutlich: Ja, das sollen wir! Weil es nunmal anders nicht möglich ist, eine gute, dauerhafte Verbindung zu unserem Vater im Himmel zu bekommen, es sei denn, wir lassen sie uns schenken! Und es gibt auch Hilfen dabei: Jeder Gottesdienst ist eigentlich eine Einladung dazu, nichts zu „machen“, nichts leisten zu wollen, sich auszuruhen und beschenken zu lassen. Die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift ist eine weitere Hilfe dabei, sich selbst aus der Hand zu geben und für Gott und sein Tun zu öffnen. Es sind sicher Tausende von Worten in der Bibel, die es uns sagen: Du musst nichts tun, Gott tut etwas für dich oder besser: Er will etwas für dich tun, wenn du ihn nur lässt: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln! - Sei getrost, fürchte dich nicht! - Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst. Und es gibt Gott sei Dank viele Menschen, die das Geheimnis des Glaubens und der guten Bezie- hung zu Gott schon entdeckt haben: Sich selbst in Gottes Hände zu legen, allen Kampf und Krampf sein zu lassen und ein anderes, getrostes Leben von Gott zu empfangen. Diese Menschen sollten wir fragen, wie es geht: Vertrauen in Gott zu haben, an ihn zu glauben, auf seine Zukunft zu hoffen. Übrigens: Menschen die so zum Glauben gefunden haben, sind keine faulen Leute, die sich nicht mehr um irgendetwas scheren oder bemühen. Im Gegenteil. Sie können sich auf der Basis ihres Glaubens nur um so besser einsetzen. Der Boden auf dem sie stehen, ist fest. Die Hoffnung, von der sie ausgehen, macht sie froh und sicher. Der Glaube, der sie beseelt, nimmt ihnen alle Angst. So können sie gelassen bleiben bei allem, was ihnen begegnet und zustößt. Wer weiß, dass Gott ihn behütet, der verliert alle Menschenfurcht und keine Entwicklung - persönlich oder in der Welt - kann ihn schrecken. Es ist unendlich schade, dass es uns Christen nur so schlecht gelingt, in unserer Gesellschaft diese zutiefst christliche Gelassenheit zu verbreiten. Und es ist sehr traurig, dass auch unsere Politik - und leider auch die Parteien mit dem „C“ im Namen - vergessen zu haben scheinen, dass es einmal das Fundament des Sozialstaats war, eben nicht nur den zu fördern und zu unterstützen, der etwas leis- tet, sondern gerade die Gestrauchelten, die Schwachen, die im stehen Abseits oder ganz im Aus. Wer in der Gesellschaft nur noch sieht und am eigenen Leib erfährt, dass er nicht einmal dann et- was erreicht, wenn er sich bis an die Grenze seiner Kräfte anstrengt und abstrampelt, wie soll der sich von einem Gott ansprechen lassen, der ihm Geschenke geben will? Es wird auch an uns liegen, den Menschen im Schatten, die hoffnungslos und ohne Erwartung sind, dass sich in ihrem Leben noch einmal etwas zum Guten wendet, zu sagen und vor allem vorzuleben, dass unser Christenglaube etwas anderes zu bieten hat, als es die harten Gesetze unserer Welt und der Gesellschaft glauben machen wollen. (AMEN - oder weiter:) Ich will uns noch das Gedicht einer ungarischen Diakonisse mitgeben. Es möchte uns in der Gelas- senheit bestärken, die Gottes Geschenke annehmen kann: Jetzt tue ich nichts Jetzt renne ich nicht und eile mich nicht, jetzt ruht mein Wille, jetzt plane ich nicht, jetzt tu ich nichts und atme den Frieden, lasse mich nur von meinem Vater lieben. Jetzt werde ich still, jetzt ruhe ich lind, bin sorglos frei wie ein schwaches Kind, jetzt tu ich nichts und atme den Frieden, lasse mich nur von meinem Vater lieben. Dieweil mich die Stille, das Licht erfreut, erfüllt, überflutet, beseelt und erneut, dieweil ich nichts tue und atme den Frieden, lasse mich nur von meinem Vater lieben: reifen neue Früchte, um andre zu laben, reift still neuer Sieg, neue Kraft, reiche Gaben, dieweil ich nichts tue und atme den Frieden, lasse mich nur von meinem Vater lieben. (Erzsébet Túrmezei)