Predigt zum Sonntag „Laetare“ - 22.3.2009 Liebe Gemeinde! Wenn man den Namen dieses Sonntags versteht, kommt man nicht an ihm vorbei. „Laetare“ heißt nämlich „Freuet euch“ und ist das erste Wort des so genannten „Introitus“ dieses Sonntags, also des Eingangspsalms des Gottesdienstes, der aus Jesaja (66,10) stammt und so weitergeht: „Freut euch ... mit Jerusalem! Jubelt über sie, alle, die ihr sie lieb habt!“ - Nun werden Sie vielleicht denken: „Und? Was ist da Besonderes? Warum soll man daran nicht vorbei kommen?“ Nun: Wir sind in der Passionszeit und jemand ruft uns zu: „Freuet euch!“? Wir gehen Jesu Lei- densstraße mit und sollen „jubeln“??? - Ein kleiner Anlass zur Freude liegt vielleicht ja darin: Heute haben wir die Mitte der Zeit auf Ostern hin erreicht. „Mitt-fasten“, so heißt dieser Sonntag daher auch in manchen Regionen unseres Landes. Aber ist das ein hinreichender Grund zur Freude? Noch ein wenig näher kommen wir dem fröhlichen Charakter dieses Sonntags, wenn wir hören, was für ein Brauch in vielen Gegenden Mitteleuropas bis heute an „Laetare“ vollzogen wird. Es ist das „Todaustragen“. Der Tod, der dabei mit dem Winter gleichgesetzt wird, hat die Gestalt einer Strohfigur, die erst unter Absingen von Liedern durch den Ort „getragen“ und dann vor dem Ort verbrannt, auf andere Weise zerstört oder auch ins Wasser geworfen wird. Dieser Brauch, das ha- ben wir uns schon gedacht, soll den Frühling einläuten und das neue Leben draußen in der Natur herbeizwingen. Und wir können uns sicher vorstellen, dass mit der Erwartung der wärmeren Ja- hreszeit auch frohe Gedanken und Vor-Freude verbunden sind. Aber in die Tiefe der freudigen Grundstimmung dieses Sonntags „Laetare“ führt uns erst der Pre- digttext, der uns für heute verordnet ist. Er steht bei Johannes, im 12. Kapitel: Textlesung: Jh. 12, 20 - 26 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen’s Jesus weiter. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren. Liebe Gemeinde! Gehen wir hinein in diese Geschichte: Das Passafest steht dicht bevor. Wieder - wie seit vielen hundert Jahren - werden sich die Juden in Jerusalem und überall auf der Welt an den Auszug aus Ägypten erinnern, an die wunderbare Errettung am Schilfmeer vor den Truppen des Pharao und an die Ankunft im gelobten Land nach vierzigjähriger Wüstenwanderung. In diesem Jahr waren auch einige Griechen nach Jerusalem gekommen, um im Tempel-Vorhof an- zubeten. Da sie keine Juden waren, durften sie nicht ins Innere des Tempels, wo sich Jesus aufhielt. Aber sie wollten ihn gern kennen lernen. Darum sprechen sie einen seiner Jünger an, Philippus, der wohl ihre Sprache beherrschte: „Wir möchten gern Jesus sehen!“ Und Philippus sagt es Andreas und dann gehen sie beide hin zu Jesus. Wo die beiden Jünger wahrscheinlich auf die Bitte der Griechen hin ein Ja oder Nein erwartet ha- ben, sagt Jesus etwas, das so gar nicht zu passen scheint: „Die Zeit ist gekommen, dass der Men- schensohn verherrlicht werde.“ Wir wissen nicht, wie Andreas und Philippus damals reagiert haben, aber wir wissen, wenn wir das weitere Schicksal Jesu bedenken, was er meint: Ich werde jetzt bald ans Kreuz gehen, die Welt damit erlösen und den Tod ein für allemal besiegen! Denn das ist es, was Jesus seine „Verherrlichung“ nennt. Und so ist es durchaus nicht unpassend, wenn Jesus das gerade jetzt anspricht, da die griechischen Fremden nach ihm fragen. Denn er nimmt damit eine uralte Weissagung auf, dass wenn der Messias kommt, auch die Heiden zum Berg Zion pilgern werden, um dort Weisung zu bekommen, wie sie recht vor Gott leben (Mi. 4,2). So ist dieser Tag heute also ein Sonntag, der schon ganz ausgerichtet ist auf Karfreitag und Ostern, auf Kreuz und Auferstehung unseres Herrn und damit auf die Mitte unseres Glaubens und auf den tiefsten Grund unserer Freude: Dass er unsere Sünde und Schuld wegnimmt und uns erlösen wird von Tod und Teufel. Von daher verstehen wir jetzt, warum uns schon der Name dieses Sonntags zuruft: „Freuet euch!“ Aber dass wir nicht ganz aus den Gedanken und unserem Sinn verlieren, dass wir noch mitten in der Leidenszeit sind, dazu kann uns das Bildwort Jesu dienen, das er damals seinen Jüngern und heute uns vor Augen stellt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es al- lein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.“ Wie so oft malt Jesus ein Bild aus der Natur, wie es die Menschen damals und wir ja auch sofort verstehen: Ein Weizenkorn, wenn es in den Boden gestreut wird, muss sterben. Es ist nicht mehr das, was es war. Aber es keimt, treibt aus, erst einen Halm, dann die Blüte und schließlich Frucht, und es wird mehr, viel mehr daraus, als das Korn am Anfang gewesen ist. Und genau so wird es auch Jesus gehen: Er wird am Kreuz auf dem Hügel sterben, man wird ihn in die Erde legen und wird nicht mehr der Mensch sein, der er war. Aber er wird aufblühen als Erlöser der Menschheit und wird für uns alle Frucht bringen: Vergebung, Auferstehung und ewiges Leben! Aber sein Vorbild wird auch unsere Einstellung zum Leben in dieser Welt verändern: „Wer sein Leben lieb hat“, das heißt, wer an diesem Leben hängt mit jeder Faser seines Herzens, „der wird es verlieren“ und da müssen wir nicht zuerst an das Ewige Leben denken! Wer in dieser Welt nur ih- ren Freuden nachläuft, wem nur das Geld und das Gut wichtig ist, das er in seinen Jahren anhäufen kann, der verliert das echte, das wahre Leben. Denn das ist von anderer Art: Darin spielt die Liebe die Hauptrolle, die Liebe, die zurück- und weitergibt, was sie zuerst von Gott an Gnade und Güte empfangen hat. Auch das Teilen ist in solch einem Leben wichtig: Ich habe niemals das, was ich besitze, nur für mich allein empfangen. Und die Gerechtigkeit ist in diesem Leben etwas, dem wir immer nachjagen sollen. Denn es ist ja nicht mein Verdienst, wenn ich mehr habe als andere, mehr kann als sie und mehr Erfolg geschenkt bekomme, als mein Nachbar. Gott liebt uns alle gleich, aber wo wir nicht gleich sind, da sollen wir uns aus unseren Gaben um den gerechten Ausgleich bemühen. „Wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.“ Wir sollen es nicht zu weit treiben mit dem Hass auf die Welt und das Leben in ihr. Aber wir wollen den nötigen Ab- stand von den Dingen nie verlieren, denn es verändert uns zum Bösen, wenn wir an den Sachen hängen, wenn wir nur um unseren Nabel kreisen und Hab und Gut wie einen Götzen anbeten. Es gibt einen guten Gedanken, der uns helfen kann, das rechte Maß dafür, was uns die Welt bedeu- ten darf, nicht zu verlieren: Im Ewigen Leben, in Gottes neuer Welt werden sicher andere Werte gelten als das Geld, der Besitz oder unser Können. Und hier wären wohl fast alle Menschen, die überhaupt an die Auferstehung von den Toten und unsere ewige Zukunft glauben, ganz schnell ei- nig. Das kann doch nun für uns Christen nur eines heißen: Üben wir uns in dieser Welt schon darin, die Maßstäbe des Himmels zu verwirklichen! Leben wir so, als wäre diese Zukunft schon angebro- chen - denn das ist sie ja für unseren Glauben auch! Wenn in Gottes neuer Welt die Liebe regieren wird, dann üben wir uns heute schon in dieser Liebe! Wenn dort keiner mehr fragen wird, was du hier besessen und wie hoch dein Gehalt und wie dick dein Bankkonto gewesen, dann nimm das doch heute schon nicht so wichtig! Wenn dann all die Macht vergangen sein wird, die heute in deinen Händen liegt, dann spiele sie schon heute nicht ge- gen die Menschen aus, sondern nutze sie für das Wohlergehen anderer. Eins muss ich nun an diesem Sonntag „Laetare“ auch noch sagen: In einem solchen Leben, das sich an den Maßstäben der kommenden Ewigkeit orientiert, liegt eine große, tiefe Freude verborgen. Treten wir heute ein in den Kreis der Freude: Wir haben die Mitte der Fastenzeit erreicht. Bald wird die Natur wieder erwachen, alles wird grün und schön und wir werden uns am Anblick der jungen Blätter und Blüten erfreuen können. Noch viel mehr Freude aber liegt darin, dass sich unser Herr anschickt den Weg hinauf nach Golgatha zu gehen. Dort wird er uns erlösen von Schuld und Tod und uns zeigen, welchen Weg auch wir einmal gehen werden: Zu Gott, ins ewige Leben! Schließlich wollen wir auch schon heute die Gesetze der zukünftigen Welt lernen und uns nach Kräften bemühen, schon in dieser Welt nach ihnen zu leben. Wir dürfen gewiss sein, dass wird nicht nur Mühe und Verzicht, sondern auch viel Freude bringen! Liebe Gemeinde, „Laetare“ heißt dieser Sonntag. Er ruft uns zu: „Freut euch mit Jerusalem! Jubelt über sie, alle, die ihr sie lieb habt!“ Lassen wir uns von dieser Freude anstecken! AMEN