Predigt zum 2. Adventssonntag - 7.12.2008 Textlesung: Lk. 21, 25 - 33 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt aussch- lagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht. Liebe Gemeinde! Hier wird eine sehr heikle Frage angesprochen! Ja, eigentlich sind es drei Fragen: - Haben die Zeichen, die wir doch gerade in unserer Zeit vermehrt sehen und spüren, wirklich etwas damit zu tun, dass der Menschensohn Jesus Christus bald wiederkommt in Kraft und Herrlichkeit? - Wenn es so wäre ... blicken wir denn wirklich mit erhobenem Haupt dem Herrn und unserer Erlösung entgegen? - Wenn das alles so ist wie bei einem Feigenbaum, an dessen Ausschlagen wir erkennen, dass es Sommer wird ... wissen wir jetzt, dass Gottes Reich nahe ist, ja, wollen wir es wissen? Fangen wir bei der ersten Frage an: Weisen die Zeichen unserer Zeit auf die Wiederkunft Christi hin? - Ich denke, das hat mit der Informationsflut unserer Zeit zu tun, dass wir meinen: Die Zahl der Orkane, Überschwemmungen ganzer Landstriche, verheerender Waldbrände und mancher anderer schlimmen Entwicklungen und Unglücke hätte zugenommen. Noch vor 50 Jahren hätten wir von manchen dieser lokalen Ereignisse kaum etwas mitbekommen und von daher gedacht: Es ist eigentlich ganz friedlich auf der Erde und wir können doch recht geborgen sein in dieser Welt. Und auch das will ich dazu sagen - und es soll nicht so klingen, als wollte ich die heutigen Katastrophen verharmlosen: In den schlimmen Pestjahren 1348-50 hat der „Scharze Tod“ rund ein Viertel der Menschen in Europa dahingerafft, 25 Mio. Menschen! Und der Dreißigjährige Krieg, 1618 bis 48, und seine Folgen haben die Bevölkerung mancher Städte und Dörfer auf 5 % dezimiert. Es gäbe noch viele weitere Beispiele aus allen Epochen der Geschichte der christlichen Zeit an- zuführen, die uns verdeutlichen könnten: Immer schon gab es Zeiten, die den Menschen den Ge- danken nahelegten, jetzt wird Jesus Christus sicher bald wiederkommen! Oft genug gab es dann ja auch christliche Gruppen mit ihren geistlichen Führern, die dafür sogar ein Datum nannten und sich dann an einem Ort zusammenfanden, um das Weltende zu erwarten. Aber gekommen ist es nicht. Jetzt zur zweiten Frage: Wenn es nun doch so wäre, dass der Klimawandel mit all seinen schrecck- lichen Begleiterscheinungen, in dem wir ja schon mittendrin stecken, tatsächlich den jüngsten Tag ankündigt? Blickten wir dann mit erhobenem Haupt unserem Herrn und damit unserer Erlösung entgegen? - Ich glaube, wenn wir ehrlich sind, müssen wir das verneinen. Das scheint uns zum einen ganz und gar unrealistisch. Zum anderen aber würde es bei den meisten Zeitgenossen, auch wo sie Christen sind, keine Freude wecken - wohl eher Angst und Schrecken! Da ergibt sich ja wie von selbst die dritte Frage - und ihre Antwort: Wenn der Feigenbaum - jetzt im übertragenen Sinn - ausschlägt, dann schauen wir lieber überhaupt nicht hin! Denn wir wollen gar nicht, dass es bald Sommer wird, also unser Herr wiederkommt und Gottes Reich anbricht. Was machen wir nun mit diesen Versen aus dem Lukasevangelium? Legen wir sie beiseite und sprechen über etwas anderes? Versuchen wir sie ganz für die Zeit der ersten christlichen Gemeinden auszulegen, für die der Evangelist ja zuerst geschrieben hat? Oder sind wir tapfer und probieren diesen Versen standzuhalten und sie doch auch als Botschaft an uns heute zu verstehen? Ich denke, Sie wissen, was jetzt meine Antwort ist: Wir werden uns diesen Gedanken und Fragen stellen. Wenn wir es nicht täten, dann hätte das nicht weniger verheerende Folgen als sie der Kli- mawandel je haben könnte. Wir würden die Heilige Schrift nämlich als unzeitgemäß und überholt abtun. Wir würden das in ihr enthaltene Wort Gottes für nichtig und unbedeutend erklären. Ja, wir würden die Urkunde unseres Glaubens verlassen und hörten auf, Christen zu sein. Aber wie können die Worte des Lukas zu uns sprechen und was wollen sie uns sagen? - Die vorhin gestellten drei Fragen können uns helfen, auch für uns heute Antworten zu finden: - Haben die Zeichen unserer Zeit etwas damit zu tun, dass der Menschensohn Jesus Christus bald wiederkommt in Kraft und Herrlichkeit? Es scheint so zu sein, dass jede Zeit der Geschichte seit dem Geschehen auf Golgatha und am Os- termorgen etwas damit zu tun hat! Immer wieder seit bald 2000 Jahren haben die schlimmen und bedrohlichen Ereignisse, von denen die Menschen hören mussten, die Sehnsucht danach geweckt, dass einmal eine Welt kommt, in der es keine Katastrophen, keinen Krieg, keine Krankheit, kein Leid und keinen Tod gibt. Was Lukas uns schreibt, will uns einfach erinnern: Diese Welt kommt und Jesus Christus wird sie bringen. Die Zeit, in der wir keine Angst mehr haben müssen, steht be- vor: Wir nennen sie Gottes Reich, Himmel, Herrlichkeit, das Leben in der Nähe Gottes. Ich kann Lukas so verstehen: Vergesst es niemals, es kommt noch etwas! Diese Welt ist nicht das Ganze. Je- sus Christus hat uns nicht dieses Leben als Ziel und das Sterben als Ende verheißen, sondern die Herrlichkeit Gottes als Anfang der Ewigkeit! Darum können wir Christen nun in allen Zeiten dieser vergehenden Welt mit erhobenem Haupt und großer Freude im Herzen aufblicken und seelenruhig auch über alles, was uns hier den Mut nehmen will, hinausblicken: Am Horizont ist schon ein Licht aufgegangen und es ist trotz aller Leiden und oft menschengemachten Katastrophen nicht erloschen! Einmal wird es ganz hell aufstrahlen und alles Dunkel vor seinem Glanz vertreiben. Dabei ist es doch eigentlich unwichtig, ob es zu unseren Lebzeiten oder erst in Hundert oder Tausend Jahren geschieht. Es wird geschehen! Und auch die dritte Frage findet jetzt eine etwas andere Antwort: Wenn der Feigenbaum treibt, dann erinnert und das daran, dass einmal die Ernte sein wird. Wenn wir die schlimmen Nachrich- ten, die Prophezeihungen und Prognosen unserer Zeit hören, dann bestätigt uns das immer aufs Neue, dass unsere Welt gefährdet ist und nicht ewig bleiben kann. Und wir erkennen, dass wir un- sere Hoffnung allein darauf setzen können, dass Gott uns mit Jesus Christus aus dieser verfallen- den, sterbenden Welt erlösen wird. Liebe Gemeinde, lesen wir es noch einmal: „... die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ Wie sehr wünschten wir uns, dass wir in unserer Furcht und in „Erwartung der Dinge, die kommen sollen“ das wüssten und niemals vergessen: Dass weder das Nichts noch das Chaos, weder der Tod noch das Vergessen Ziel und Ende der Welt und unseres Lebens sind. Aber wir werden es nicht „wissen“, bis die Stunde da ist, an der Gott seine Schöpfung neu macht. Aber wir dürfen es glauben und darauf hoffen. - Sagen Sie jetzt nicht, das wäre wenig. Ich bin überzeugt, dass die Hoffnung dem Menschen wesentlich mehr geben kann und gibt, als das Wissen. Dazu möchte ich Ihnen am Schluss noch einen Ausschnitt aus einem Hirtengespräch wiedergeben, das ein Dichter (Martin Hausmann) geschrieben hat und das auch sehr schön in diese vorweihnachtliche Zeit passt: Der mit dem Mantel dreht sich im Gehen um: „Du sollst sehen, es bleibt alles, wie es war. Wir ha- ben keine Tröstung und keine Hilfe zu erwarten. so war es, so ist es und so wird es sein.“ „Warum gehst du dann mit uns?“ fragt die helle Stimme des Knaben, „wenn du es so genau weißt, dass wir den Heiland nicht finden, dann konntest du ja auch bei den Schafen bleiben.“ „Er geht mit“, sagt der Alte laut, „weil sein Hoffen stärker ist als sein Wissen.“ Auch unsere Hoffnung ist stärker als jedes Wissen. Und unsere Hoffnung hat ihren Grund im Wort Gottes, mit dem er uns heute ausrichten lässt: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ AMEN