2. Predigt zu Figuren aus der Passionsgeschichte - 07.03.2004 Liebe Gemeinde! Am letzten Sonntag haben wir begonnen, über "Figuren" aus der Passionsgeschichte nachzudenken. Vergangenen Sonntag war das die Frau in Bethanien, die Jesus zu seinem Begräbnis salbt. Heute ist Petrus, der Jünger Jesu dran. Es wird ja in der Bibel sehr viel über Petrus erzählt: Seine Berufung, sein Bekenntnis zu Jesus Christus, seine besondere Stellung unter den Jüngern, Heilungen und Wunder, die er vollbracht hat, aber auch seine Verleugnung, ehe der Hahn zweimal krähte... Ich möchte uns zwei kleine Geschich- ten von Petrus lesen, beide stehen bei Johannes, die eine spielt kurz vor dem Tod Jesu am Kreuz, die andere kurz nach seiner Auferstehung am Ostermorgen. Textlesung: Jh. 18, 15 - 18 + 25 - 27 Simon Petrus aber folgte Jesus nach und ein anderer Jünger. Dieser Jünger war dem Hohen- priester bekannt und ging mit Jesus hinein in den Palast des Hohenpriesters. Petrus aber stand draußen vor der Tür. Da kam der andere Jünger, der dem Hohenpriester bekannt war, heraus und redete mit der Türhüterin und führte Petrus hinein. Da sprach die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieses Menschen? Er sprach: Ich bin's nicht. Es standen aber die Knechte und Diener und hatten ein Kohlenfeuer gemacht, denn es war kalt, und sie wärmten sich. Aber auch Petrus stand bei ihnen und wärmte sich. Da sprachen sie zu ihm: Bist du nicht einer seiner Jünger? Er leugnete und sprach: Ich bin's nicht. Spricht einer von den Knechten des Hohenpriesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sah ich dich nicht im Garten bei ihm? Da leugnete Petrus abermals, und alsbald krähte der Hahn. Und nach Ostern spielt die folgende Geschichte (Jh. 21, 15 - 17): Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich liebhabe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Das kann man ja gar nicht überhören, dass diese beiden Geschichten miteinander zu tun haben. Dreimal verleugnet Petrus. Dreimal wird er nach Ostern gefragt, ob er seinen Herrn lieb hat. Fast kommt es einem so vor, als hätte diese (kleine) Strafe für ihn doch auch sein müssen. Wie voll- mundig hat er Jesus doch geschworen, dass er ihn niemals verraten oder verleugnen würde. Als es ernst wird, versagt er jämmerlich. Aber wir wollen uns nicht über ihn erheben. Bleiben wir einen Augenblick bei diesem Mann aus dem Evangelium, der uns irgendwie so verwandt ist in seinem Verhalten, so sympathisch auch und so menschlich. Wie war das bei ihm: Herr, wenn dich auch alle verlassen, so will ich doch bei dir aushalten! Im Hof vor dem Haus des Hohenpriesters geht seinem Mut die Puste aus. Da hat er nur noch Angst. Da schwört sein Mund, der gerade noch so große Worte gefunden hat: Ich kenne diesen Jesus nicht. Da muß ich an uns denken. Haben wir nicht alle irgendwann in unserem Leben auch diesem Jesus Christus unsere Treue geschworen, dass wir ihm folgen, seinen Willen achten, zu seiner Gemeinde gehören wollen... Wie haben wir unsere großen Worte durchgehalten? Bei diesem Versprechen dürfen wir an unsere Konfirmation denken. Ganz kurz danach war bei manchem schon der Morgen da, an dem der Hahn laut und vernehmlich krähte. Auch wenn wir ihn nicht gehört haben. Manche haben viel später - zum ersten Mal oder wieder neu - diesem Herrn in ihrem Herzen Treue und Gehorsam geschworen. Das war vielleicht auf dem Krankenbett, nach einer schweren Operati- on oder einem schlimmen Unfall. Man war noch einmal mit dem Leben davongekommen. Jetzt sollte alles anders werden! "Herr, ich werde mein Leben herumreißen! So vieles war bis heute Zeit- vergeudung, ohne Ziel und Sinn in den Tag gelebt. Alles, alles wird sich jetzt ändern! Ich weiß ja, wer mir noch einmal die Gelegenheit zum Leben gegeben hat und ich danke dir, Herr!" - Wie lange hat das vorgehalten? Ein paar Tage, Wochen, Monate gar? Wann waren wir wieder die Alten? Ha- ben wir das Krähen gehört, als alles wieder in den gewohnten Geleisen lief? Wir sind ihm wirklich ähnlich, diesem Petrus. Darum ist er uns auch so sympathisch oder wir leh- nen ihn auch ab, weil wir an ihm strafen wollen, was bei uns leider genauso ist. Doch: Wir wollen es einmal stehen lassen; wir sind nicht besser als er. Wir sind auch Verleugner, wir hatten auch Angst oder kein Interesse, zu diesem Herrn zu zählen, der am Kreuz endet. Vielleicht waren wir auch lange Zeit gänzlich gleichgültig: Was soll mir das eigentlich, ein Christ zu sein, was habe ich davon? Aber auch das ist Verrat an ihm! Wir tragen ja doch seinen Namen und es gibt ja auch im- mer wieder Zeiten der Not, in denen wir ihm das vorhalten, dass wir doch zu ihm gehören. Meist sagen wir dann: "Herr, hilf mir jetzt, das Wasser geht mir bis zum Hals!" Aber die Gedanken an Petrus haben auch etwas sehr Tröstliches! Einer der Jünger, ein so angese- hener auch noch, hat so kläglich versagt! Es ist also - ein für allemal - keine Schande, wenn auch wir uns eingestehen: Wir sind wie er, auch nicht treu, auch nicht standhaft, vielmehr ängstlich und nicht fähig, unsere großen Worte in der Tat durchzuhalten. Aber folgen wir Jesus und seinem so unvollkommenen Jünger noch in die Zeit nach Ostern, da sie neu das Mahl halten und der Herr von ihm wissen will: Hast du mich lieb? Wie peinlich muß das gewesen sein, dass er ihn dreimal fragt! Aber wir wissen warum! So vollmundig hatte er's verspro- chen: Ich will dich nie verlassen und dann - krähte der Hahn. Jetzt muß er's auch dreimal gut ma- chen: Hast du mich lieb? Du weißt, Herr, dass ich dich lieb habe! Sicher weiß Jesus das, aber diese kleine Strafe muß sein: Noch einmal: Hast du mich lieb? Jetzt wird Petrus traurig, aber er antwortet noch einmal: Du weißt es, Herr, ich habe dich lieb! Aber jetzt ist es auch gut: Weide meine Schafe! Jesus hat diesen Auftrag für ihn, den größten Auf- trag, den er überhaupt zu vergeben hat: Er vertraut Petrus seine Menschen an, seine Leute, die er so teuer erkauft hat durch Leiden und Tod, durch Sterben und Bluten. Ich denke, auch das hat mit uns zu tun, nicht nur so, dass Jesus ja auch für uns gestorben ist. Aber ist das nicht unerhört, dass er für einen Versager, wie es Petrus doch gewesen ist, solche Aufgaben hat!? Hätten wir für einen solchen Schwätzer, der nur einen großen Mund hat und dann so jämmer- lich versagt und den liebsten Menschen im Stich läßt, noch irgendeinen Auftrag gehabt? Hätten wir überhaupt noch mit ihm gesprochen? Würde uns das Vorbild Jesu leiten, dann müssten wir einem solchen untreuen Menschen, auf den absolut kein Verlass war, unsere Familie, unser Haus und all unseren Besitz anvertrauen! Wer von uns würde das tun? Aber auch das kann man von der anderen Seite sehen - und da wird es wieder zu einer sehr tröstli- chen Botschaft: Wir sind ja auch so untreu, so schwach und so wenig verlässlich - wie Petrus. Wir haben ja gesehen, dass wir keinen Grund haben, uns zu erheben und auf den Jünger herabzuschau- en. Nein, wir sind ihm viel zu ähnlich, als dass wir ihn verdammen dürften. - Aber, dann dürfen wir jetzt auch davon Gebrauch machen: Wenn uns das aufgeht, wie untreu und elend wir versagt haben - als Menschen, die doch Jesu Namen tragen! - dann schickt uns der Herr doch nicht ein für allemal fort! Vielleicht wird er auch uns peinlich befragen: Hast du mich denn wirklich lieb? Vielleicht wird's auch uns ein bisschen wehtun und traurig machen...das muß wohl auch so sein! Es war ja auch nicht recht, wie wir uns verhalten haben! Aber dann wird Jesus auch für uns Aufgaben haben, wird auch uns wieder gebrauchen können und es wird uns nicht mehr von ihm trennen, was gewe- sen ist! Ich finde, für diese Aussicht lohnt es sich schon, auch einmal in sich zu gehen, offen und ehrlich zu sehen und zu bekennen: Nein, es ist vieles nicht in Ordnung bei mir. Ich bin kein guter Nachfolger Christi. Ich bin schwach und arm, untreu und ein Versager. - Das Wunderbare ist: Jesus will uns dennoch in seiner Nähe haben und nicht nur das: Er will uns für seine Sache einsetzen und gibt uns Verantwortung und traut uns viel zu! Ist das nicht wirklich eine gute Botschaft, die uns diese beiden Petrusgeschichten heute nahebringen?: Mögt ihr auch untreu sein und schon oft ver- sagt haben im Leben als Christen - Petrus war auch nicht standhafter und verlässlicher als ihr. Trotzdem aber setzt Jesus seinem Leben nach Ostern einen neuen Anfang: Weide meine Schafe! Und Petrus kann erfüllen, was Jesus ihm aufträgt, weil er, der Herr, es ihm zutraut. Wir sind schwach und elend wie Petrus. Aber auch für uns hat Jesus Aufgaben und wir können sie erfüllen - in seiner Kraft. Er traut auch uns viel zu. Heute ist unserem Leben - durch ihn - ein neuer Anfang gesetzt.