Erzählende Predigt ohne engere Textbindung - an den Christtagen (oder im Advent) Textlesung: Gal. 4, 4 - 7 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Ge- setz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott. Liebe Gemeinde! Diese Worte kann man mit den Ohren und mit dem Herzen hören. Mit den Ohren hören wir etwas vom Gesetz, von der Knechtschaft, von Erlösung und erfüllter Zeit. Unser Herz hört vom "Vater" und daß wir "Kinder" sind. Ich habe mich für das Herz entschieden und daß wir Kinder genannt werden. - Wie sind sie, die Kinder? Da kommen uns zuerst wohl Bilder in den Sinn, die wir vielleicht erst gestern abend gesehen ha- ben: Hier in der Kirche, in der Christvesper (beim Krippenspiel). Oder später bei der Bescherung unserer eigenen Kinder oder Enkel zu Hause. Wie dringen die Weihnachtsgeschichte, die schönen alten Lieder und der Glanz des Christbaums doch noch durch bis in die kleinen Seelen! Wie groß ist noch die Aufregung, die Erwartung, das Staunen, die Freude... Was sie empfinden, die Kinder, das spiegeln ihre Augen wider. Sie können gar nicht anders als zurückstrahlen, wenn sie beschenkt werden, fröhlich und glücklich sind. Aber warum können sie das: sich freuen, so von innen heraus glänzen, fröhlich sein? Warum kön- nen wir es auch noch - nicht mehr so gut wie die Kleinen! - aber manchmal und zu besonderen Zei- ten...wie diesen schönen, milden Tagen um das Fest? Und vor allem: Wie gewinnen wir vielleicht wieder zurück, was uns verloren gegangen ist im Fluge der Jahre?: Das Hören mit dem Herzen, die Gefühle der Freude und des Glücks über das Weihnachtsgeschenk Gottes? Wie kann das wahr wer- den: Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott. Wie war denn das bei uns, als wir noch klein, wirklich Kinder waren? Bei manchen von uns steht da jetzt sicher das Bild des Großvaters vor Augen. So lange ist er schon tot... Aber er war es, der uns damals in unserer Kindheit so viel vermittelt hat. Wir denken daran, wie gern wir auf seinem Schoß gesessen haben. Noch hören wir seine Stimme, wenn er von alten Zeiten erzählt hat und von seinen reichen Lebenserfahrungen. Aber er hat uns ja so viel mehr gege- ben: Immer konnten wir zu ihm kommen. Er hatte Zeit für uns. An ihm haben wir gelernt, daß es Geborgenheit gibt, einen Ort, einen Menschen, bei dem wir sicher sind und zu dem wir immer flie- hen können. Nie sind wir von ihm weggegangen, ohne Trost, Hilfe, ein aufbauendes Wort zu emp- fangen. Und ernst genommen hat er uns mit unseren Nöten und Sorgen - die uns selbst ja von heute aus so klein und unbedeutend vorkommen. Aber der Großvater nahm sie wichtig! Und oft hat er uns genau das Richtige gesagt, den Rat gegeben, der uns weitergebracht, das Wort gewußt, das un- sere Tränen getrocknet hat und uns wieder lachen ließ. Er hat uns geprägt! Ohne ihn wäre unsere Kindheit nicht halb so schön, so erfüllt gewesen. Ohne ihn wären wir heute sicher auch ganz ande- re Leute! Und der Tag, an dem er starb, ist auch deshalb so tief eingegraben in unsere Erinnerung. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen... Andere haben sicher jetzt andere Menschen im Sinn, den Vater, die Mutter, die Großmutter... Was wir aus unseren Kinderjahren mitgenommen haben, verdanken wir zum großen Teil ihnen: Das Ge- fühl, nicht allein, nicht einsam in der Welt zu sein. Die Gewißheit: für mich ist gesorgt. Das Wis- sen, ich muß keine Angst haben, es gibt Menschen, die auf mich achten und mich beschützen. Und - hoffentlich - verdanken wir auch diesen Menschen, daß wir beten können, Gott kennen und lieben gelernt haben. Liebe Gemeinde, ich bin nun ganz gewiß: Wenn wir heute wieder Kinder sein können, wenn es uns gelingen soll, uns zu freuen wie die Kinder, dann wird es das Verdienst der Menschen sein, die uns in unserer Kindheit geprägt haben und uns zugetan waren. So bist du nun nicht mehr Knecht, son- dern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott. Wenn wir das verstehen können, wenn wir das wirklich in unseren Herzen hören und empfinden können, dann sind es die Menschen ge- wesen, die unsere Kinderjahre begleitet haben, denen wir das verdanken. Was machen wir nun damit? Erst einmal könnte uns das den Weg zeigen, wie wir auch heute wieder - wenigstens ein Stück weit - Kind werden, zur Freude der Weihnacht finden und damit dem auf die Spur kommen, was hier gemeint ist: Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, damit er die, die unter dem Ge- setz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. Und diese Zeit, das Geschehen und die Gefühle rings um das Fest machen es uns doch leicht: Wie von selbst gehen unsere Gedanken ja zurück in vergangen Zeiten: Waren es nicht die Advents- und Weihnachtstage von denen ein ganz besonderer Zauber ausging? Und waren es nicht eben die Menschen, die uns damals nah und wich- tig waren, deren Gedächtnis und was sie uns vermittelt haben, wir wie von selbst mit den Erinnerungen an diese Zeiten verbinden? So hat dann Weihnachten für uns immer mit Geborgensein zu tun. Und wenn wir unter dem Christbaum stehen, dann kommen uns die Gedanken an die Feste mit ihr, mit ihm, die damals noch bei uns waren. So sind sie, die uns in der Kindheit geprägt haben, eigentlich auch die gewesen, die uns Gottes Güte, seine Liebe zu uns und das Ende aller Angst und Sorge in seiner Nähe vermittelt haben. Durch sie haben wir das - vielleicht nicht mit dem Kopf verstanden, aber - mit unserem Herzen empfunden und bis heute bewahrt. Und wie gut, wie wertvoll ist das für uns! Denn so ist es: Wie unser Großvater gütig mit uns war, wie er uns niemals verlassen oder in unseren kleinen Ängsten allein gelassen hätte, und wie wir bei ihm immer sicher und geborgen wa- ren... So ist das auch bei unserem Gott. Er ist unser Vater. Und wie uns vielleicht andere mitgegeben haben, daß wir wichtig sind und wertvoll, unverwech- selbar und liebenswert trotz all unserer Mängel und auch wenn wir einmal Böses getan haben... So ist es auch mit Gott. Wir sind seine Kinder. Diese Gedanken könnten uns aber auch ein zweites sagen, das ist vielleicht genau so wichtig: Wie das bei uns war in unserem Verhältnis zu den Menschen, die uns geführt und zu dem haben werden lassen, was wir heute sind, so ist es auch zwischen uns und denen, die nach uns kommen: Unseren Kindern, unseren Enkeln... Wir werden mitspielen, vielleicht sogar entscheidend dafür sein, ob un- sere Kinder auch solche prägenden Erinnerungen in ihr späteres Leben mitnehmen können, wie sie uns vielleicht geschenkt waren. Wenn sie als Erwachsene einmal an uns zurückdenken, wenn ihr Gesicht dann ein Lächeln trägt und sie Wehmut beschleicht, wenn sie dann aber sagen können: Es war eine wunderschöne Zeit und wir haben die Liebe und die Fürsorge der Menschen um uns er- fahren, in der wir zu Hause und geborgen waren...dann verdanken sie uns das, wir haben ihnen da- mit etwas geschenkt, was unbezahlbar wertvoll und wesentlich ist. Liebe Mütter und Väter, liebe Großväter und Großmütter, liebe Paten und Patinnen, was für eine Verantwortung tragen wir! Wie- viel Freude und Glück liegen aber auch darin! Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott. Unsere Chancen sind gut, daß wir das verstehen - mit unseren Herzen! Gott will, daß wir vor ihm, bei ihm Kinder sind, die ihm vertrauen, alles von ihm erwarten, Geborgenheit erfahren und ihn lie- ben, wie man den Vater, die Mutter, den Großvater und die Großmutter liebt. Und Weihnachten, mit seiner weichen Stimmung, macht uns das doch leicht, leichter als sonst, daß wir diese Gedan- ken und Gefühle in unser Inneres eindringen lassen. Und auch das andere fällt in diesen Tagen gewiß nicht schwer: Daß wir denen, die nach uns kom- men, mit unseren Worten, mit unseren Taten und allem Ausdruck unserer Liebe und Zuneigung da- zu helfen, daß sie ein ganzes Leben lang das feste Wissen bewahren können: Wie mein Großvater, wie die Menschen, die meine Kindheit umsorgt und geprägt haben, so ist Gott mein Leben lang für mich: Mein Vater, die Güte selbst, die Liebe, die Geborgenheit...