Erzählende Predigt ohne engere Textbindung - an den Christtagen (oder im Advent) Liebe Gemeinde! Stellen Sie sich vor, Sie sehen eine Talk-Show im Fernsehen. Einer nach dem anderen wird vorge- stellt und sagt vielleicht auch selbst ein paar Worte zu seiner Person: Einer hat gerade ein Buch ge- schrieben. Ein anderer spielt in einem Film mit, der in diesen Wochen im Kino anläuft. Wieder eine andere ist vor Tagen aus Palästina zurückgekehrt und hat Schreckliches gesehen und zu berichten und noch einer hat mit dem Fahrrad die Welt umrundet... Schließlich, so stellen wir uns vor, ganz am Ende der Runde wird ein Mann gefragt, wer er denn wäre. Er ist äußerst einfach gekleidet, ja ei- gentlich elend und ärmlich. Und er sagt auch nicht: Ich bin der und der! Schon gar nicht kann er mit einer Sensation aufwarten oder mit einer großen oder ungewöhnlichen Tat oder einer beachtlichen Leistung. Nein, er nennt nicht einmal seinen Namen. Man muß ihn mehrfach fragen, bis er endlich eine Erklärung abgibt. Und dann sagt er vielleicht: Ich selbst bin ein Niemand. Ich möchte nur hin- weisen auf einen, der kommt in nächster Zeit einmal in diesem Sender, in dieser Show. Empfangt ihn angemessen, wenn er kommt! Er ist ein wichtiger Mann. Ich bin gegen ihn nur ein völlig unbedeu- tender Mensch, ein ganz kleines Licht und gar nicht wert, daß wir von mir reden. Stellen Sie sich das vor, liebe Gemeinde! - Sie können es nicht? So etwas wäre zu verrückt, zu un- gewöhnlich? Sie könnten sich so etwas allenfalls als Scherz des Fernsehsenders denken? Hören wir den Predigttext zu diesem Sonntag. Es ist genau diese Situation in der Zeit vor bald 2000 Jahren: Textlesung: Joh. 1, 19 - 23 (24 - 28) Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten Priester und Leviten von Je- rusalem, daß sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin's nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann? daß wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach: »Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jesaja 40,3). Damals ist es geschehen, das Ungewöhnliche, das Verrückte! Und ein Scherz war es durchaus nicht. Diese Bescheidenheit hat den Johannes zuletzt ja seine Freiheit gekostet und sein Leben. Hätte er doch geantwortet: Ich bin der Elia! Wer hätte es denn nachprüfen können? Aber sie wären ihm we- nigstens nicht ans Leben gegangen. Oder hätte er gesagt: Ich gehöre in das Gefolge des Christus! Auch davor hätten sie wohl einigen Respekt gehabt. Aber so. Nur ein Vorläufer. Einer, der nicht einmal weiß, wann der kommt, dessen Vorhut er sein soll. Ja, einer, der den nicht einmal kennt, den er doch ankündigt! Was machen wir nun mit dieser Geschichte? Liegt irgendeine Hilfe darin? Gibt dieser Johannes ein Beispiel, das sich zur Nachahmung lohnt? Ich sehe mindestens einen wichtigen Gedanken, der für uns nachdenkenswert ist. Nämlich das: Wie tut das doch gut und wie tröstlich ist das doch, wenn wir noch einmal zu dem Beispiel aus unseren Tagen zurückkehren, daß hier einer öffentlich auftritt, der nicht großartig, besonders reich, mutig, sportlich oder klug, nicht gerade einen Film gemacht oder ein Buch geschrieben hat. Ich empfinde das immer wieder als fast peinlich, wenn beim Besuch eines Autors in der Fernsehshow wie zufällig der Titel des neuesten Werkes eingeblendet oder der Einband hergezeigt wird oder wenn eine Film- diva gerade dann ihre Aufwartung bei Gottschalk macht, wenn ihr neuester Streifen in den Kinos angelaufen ist. Ich selbst bin ein Niemand, ein Nichts, sagt Johannes. Und er nennt nicht einmal sei- nen Namen. Warum, und warum ist das tröstlich? Ich glaube, hier ist ein Mann so ganz und gar in seiner Aufgabe drin, daß er einfach nicht auf den Gedanken kommt, seinen Namen zu nennen. Diese Aufgabe heißt: Jesus, den Christus vorbereiten! Ihm die Bahn zu den Herzen der Menschen ebnen. Taufen und zur Buße rufen, daß nur ja niemand versäumt, ihn bei sich einzulassen, ihm das Herz und das ganze Leben zu schenken. Wollte er sagen: Ich bin Johannes, dann würde das nur ablenken, dann würde man seine Person anschauen und befra- gen. Aber um ihn geht es doch gar nicht. Und sein ganzes Äußeres unterstützt die eine Aufgabe, die er hat: Wir wissen, wie er herumlief, die- ser Täufer... Einen schäbigen Mantel aus Kamelhaaren hatte er an. Ein Hanfstrick hielt dieses Klei- dungsstück zusammen. Sein Haar war gewiß wirr und unfrisiert. Seine Füße werden bloß gewesen sein und seine Speise waren Heuschrecken und wilder Honig. Ein Einsiedler, ein Bettler also war er. Alles das wird dazu geholfen haben, daß nun keiner auf die Idee kam, er könnte irgendwie wichtig sein. Und wir kennen ja auch sein Wort, das er später zu Jesus sagt: "Ich bin nicht würdig auch nur deine Schuhriemen zu lösen." Und mich tröstet daran, liebe Gemeinde, daß so ein Niemand, ein abgerissener Hungerleider, ein Mann ohne irgendeinen Ausweis von Größe oder Talent der Vorläufer dieses Herrn sein durfte! Was wir ja immer - schwer genug - erst an der Krippe Jesu begreifen, ist hier doch schon vorweggenom- men: Dort sind es die Sterndeuter, die Armen von Bethlehem und das Lumpenpack der Hirten, die seine ersten Gäste in der Welt werden. Hier ist es dieser barfüßige Eremit, der sein Wegbereiter sein soll. Und beide, weder die Krippengäste noch dieser Vorläufer sind doch zufällig zu ihrem Auftritt in der Geschichte Jesu gekommen. Nein, dieser elende Mann aus der Wüste sollte es sein. Und diese elenden Figuren an der Futterkrippe wollte der Herr haben. Sowohl den Johannes als auch die Hirten hat er zu dieser Aufgabe ausgewählt. Von Johannes wurde Elisabeth vorhergesagt: "Er wird vor dem Herrn hergehen im Geist und in der Kraft Elias, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kin- dern und die Ungehorsamen zu der Klugheit der Gerechten, zuzurichten dem Herrn ein Volk, das wohl vorbereitet ist." (Luk. 1,17) Und die Hirten waren schließlich die ersten, denen es der Engel verkündet hat, daß Jesus geboren war. Und ausdrücklich zu ihm gerufen hat er sie auch! Ja, ich finde das tröstlich! Denn es sagt mir, daß wir uns nicht zu verstecken brauchen vor diesem Herrn, daß wir nicht länger denken müssen, er habe mit uns doch nichts vor und hätte doch wohl für uns keine Aufgaben in der Welt. Ja, es gibt wohl gar manche unter uns, die meinen, es wäre nun einmal so, daß die Geschichte Gottes mit seinen Menschen einfach keinen Platz für sie hätte. Allen- falls wie Statisten fühlen sie sich, wie Zuschauer, die irgendwo am Rande einer Szene stehen, in der sie keine Rolle spielen und die irgendwie an ihnen vorbei geht. Und was könnte Gott denn auch mit ihnen anfangen? Sie verstehen ja doch so wenig von seiner Sache. So gelehrt sind sie nicht, so fromm auch nicht, halt einfach nicht geeignet für religiöse Aufträge oder auch nur eine engere Be- ziehung zu Gott. Schauen wir auf Johannes. Nehmen wir ihn wahr in seinem lumpigen Umhang mit dem Strick dar- um. Stellen wir uns sein hageres Gesicht vor, sein wirres Haar, seine ganze Ärmlichkeit... Und hören wir hin - seinen Namen sagt er nicht, aber das sagt er: "Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!" Kann es eine größere Aufgabe für einen Menschen geben als das: Wegbereiter Jesu Christi zu sein? Kann es ein deutlicheres Beispiel dafür geben, daß keiner, wirklich keiner zu unbedeutend, unwich- tig oder zu schlecht wäre, als daß er von diesem Jesus gebraucht wird? Es ist einfach nicht so, wie wir immer wieder und inzwischen - vielleicht ohne noch zu fragen - denken: Daß Jesus mit uns doch nichts zu tun haben möchte, oder daß wir ihm doch nicht dienen oder irgendwie bedeutsam sein könnten. Gerade so kleine, einfache, vielleicht mit Zweifeln oder Schuld beladene Menschen wollte dieser Jesus vor sich her, um sich herum und an seiner Seite haben. Damals einen wie Johannes oder die Hirten oder den Zachäus oder die Ehebrecherin oder noch tausend andere ähnliche Leute, heute solche, die in keiner Talk-show auftreten könnten, ja, die nichts, absolut nichts vorzuweisen haben, was irgendwie interessant oder bewundernswert wäre. Aber damals wie heute zeichnet die Men- schen in seiner Nähe aus, daß sie ihn kennen, auf ihn hinweisen und von ihm sagen können: Der will mit mir zu tun haben, der liebt mich!