Predigt zum Mitarbeitersonntag - 1.12.1996 - (Text: 4. Reihe: 4. So.n.Trin.) Textlesung: 1. Petr. 3, 15 + 16 Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, 3,16 und das mit Sanftmut und Gottesfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen. Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter! Nein, ich meine jetzt nicht nur die unter uns, die eine Jungschar leiten, den Seniorennachmittag vorbereiten oder den Vorsitz im Frauenabend oder ein Amt als Kirchenvorsteherin oder Kirchenvorsteher haben. Ich spreche sie heute alle so an, weil ich glaube, daß auch und gerade in unseren Kirchengemeinden viel mehr Mitarbeit für die Sache Jesu Christi geschieht, als wir ahnen, ja vielleicht auch viel mehr, als die "Mitarbeiter" selbst wissen! Ich glaube nämlich, daß wir von Gott täglich in bestimmte Kontakte und Beziehungen mit Menschen, in Gespräche oder Lebenslagen geführt werden, in denen wir uns als seine Leute bewähren können und müssen - und das auch tun! Das ist eine ziemlich großartige Behauptung! Ich mußte dabei an einen Bibelkreisabend vor einiger Zeit denken. Wir haben über unser Bekenntnis als Christen und unser alltägliches Zeugnis dafür gesprochen, daß wir zu Jesus Christus gehören. Ich weiß noch, was ich damals gesagt habe: "Wir können und müssen täglich zeigen, daß wir Christen sind!" Bei dieser Predigt hat mich nun beschäftigt, was damals eine darauf erwidert hat: "Das Leben hier im Dorf ist doch für viele sehr arm an Möglichkeiten, sich als Christen zu bewähren! Für sie als Pfarrer gibt's da sicher mehr Gelegenheiten! Aber für uns andere? Es ist doch alles immer wieder gleich tagein tagaus, wo sollen denn die Situationen sein, in denen von uns gefordert wird, Zeugnis oder gar Rechenschaft abzulegen?" Ich habe gedacht, daß ich einfach einmal darüber sprechen muß, wann und wo diese alltäglichen Situationen sind, in denen wir als Christen gefragt werden. Und mir fällt das gar nicht schwer, denn ich habe in letzter Zeit einmal darauf geachtet, wo diese Möglichkeiten sind, daß wir uns hier in diesem Dorf als Christen erweisen können. Ich muß - bevor ich ins Einzelne gehe - sagen, es gibt dazu viel mehr Gelegenheiten, als auch ich dachte! Sie werden sicher auch staunen! Aber seien sie mir nicht böse, wenn ich dabei ganz deutlich spreche. Aber wenn das scheinbar gar nicht mehr auffällt, wo die Stunde oder Minute schlägt, in der ich mich als Christ bewähre oder versage, dann muß ich ja wohl klar und deutlich reden! Denn ich kann mir nicht denken, daß wir gern versagen oder uns das gleichgültig ist, wenn von uns Rechenschaft gefordert wird, wie wir's mit Jesu Sache halten! Wo sind nun diese Gelegenheiten zur Bewährung im Alltag? Zuerst fiel mir ein, was doch Gegenstand vieler unserer täglichen Gespräche ist: Die Gesundheit, wie es uns geht, wie wir uns im Augenblick oder in letzter Zeit fühlen. Und da gibt es zwei sehr unterschiedliche Auskünfte, die wir geben und die wir dann hören können: Entweder klagen wir, jammern über unsere kranken Beine, das Herz oder unser seelisches Leiden. Oder wir halten es wie die Frau, die mir neulich so geantwortet hat: "Wie es mir geht? Ich bin zufrieden!" Was das mit Rechenschaft und Bekenntnis als Christen zu tun hat? Nun, im ersten Fall, wenn nur gejammert wird, sieht der Mensch offenbar gar nicht, daß es anderen doch viel schlechter geht. Er weiß auch nichts von der Bewahrung, die darin liegt, daß Gott ihn ja trotz aller Beschwerden am Leben erhält und ihm ja doch auch täglich Freude schenkt. Er nimmt auch scheinbar nichts von all den günstigen Umständen wahr, die er genießen darf, die ihm die Krankheit oder sein Leiden erträglich gestalten: Daß wir einen Arzt haben und uns Medikamente leisten können, daß es bei uns eine gute Gemeindeschwester gibt, die uns pflegt, daß Nachbarn in der Nähe wohnen, die helfen und nach uns sehen und uns einmal eine Besorgung machen... Mit einem Wort, wer immer nur klagt, läßt den gebührenden Dank vermissen! Wie anders doch neulich die Frau, die übrigens gesundheitlich auch sehr angeschlagen ist: "Ich bin zufrieden!" Da schwingt Dankbarkeit mit! Da weiß ein Mensch, daß er geborgen ist bei Gott und daß er gemessen am Leid so vieler anderer Menschen noch ein gutes Los geschenkt bekommen hat! Und wer es hört, dieses "Ich bin zufrieden", der spürt etwas davon, daß hier ganz offenbar jemand spricht, der sein Leben als Christ aus Gottes Hand empfängt. Denn zufrieden mit dem Leiden und der Krankheit kann man nur sein, wenn man den kennt, der gerade die Schwachen, die Leidenden und die Kranken liebt! So ist dieses "Ich bin zufrieden" schon ein Zeugnis und eine klare Rechenschaft, zu wem wir gehören. Die zweite Gelegenheit zur Bewährung, die mir einfiel, sind gleich einige Beispiele: Nehmen wir an, einer hat einen Unfall gehabt. Er ist nur mit knapper Not dem Tod oder ganz schlimmen Verletzungen oder lebenslanger Behinderung entgangen. Und mindestens in der Familie und der Nachbarschaft ist das ja auch gewiß nicht unbemerkt geblieben. Vor Jahren noch - und das müssen wir nicht nur annehmen, sondern das wissen wir! - ging man dann zum Dank mit großer Sicherheit in den nächsten Gottesdienst, den man erreichen konnte! Damit hat man einmal Gott gedankt, zum andern aber auch seinen Leuten und den Nachbarn gesagt, daß man sehr wohl weiß, wessen Bewahrung es gewesen ist, daß man glimpflich davon gekommen ist. Auch so etwas ist Zeugnis und Rechenschaft für Gottes Sache. In unseren Tagen ist das leider nicht mehr Mode. Oder jemand hat beruflich etwas erreicht, was er sich so lange erarbeitet und gewünscht hatte. Vielleicht ist er aufgestiegen, Abteilungsleiter oder Polier geworden? Auch das ist eine Gelegenheit den Menschen in der Umgebung und Freundschaft zu zeigen und zu sagen, daß man sich das nicht nur selbst zuschreibt! Noch etwas - und das ist gerade in den letzten Jahren häufig gewesen bei uns: Das Haus ist fertig geworden, an dem man lange gebaut hat. Nun konnte man endlich einziehen. Die Freude in den eigenen Vierwänden ist groß! Nur das Bewußtsein dafür, daß Gottes Segen zu all unserem Schaffen und Bauen hinzukommen muß, scheint heute sehr klein! Man sieht und spürt nichts mehr davon. Wie heißt es in der Bibel hart und völlig undiplomatisch: "Wenn der Herr nicht das Haus baut, dann bauen umsonst, die daran bauen!" Das stimmt und bewahrheitet sich auch vor unseren Augen immer wieder! Ob sich die Menschen das noch zu Herzen nehmen oder nicht. - Gehen sie bei ihrem Spaziergang heute nachmittag einmal mit offenen Augen an den alten Häusern und Scheunen in unserem Dorf vorbei. Wie oft können sie da lesen: "Mit Gottes Hilfe aufgebaut..." oder etwas ähnliches. Die Alten haben sich damit auch zu Gott bekannt, von dem sie wußten, daß "an seinem Segen alles gelegen ist". Nur noch ein drittes und letztes will ich erwähnen, auch wenn ich noch viele weitere Gelegenheiten nennen könnte, Rechenschaft für unseren Glauben und unser Verhältnis zu Gott zu geben: Das ist die Erziehung! Überall wo wir mit Kindern und Enkeln umgehen, haben wir auch Möglichkeiten, zu zeigen und auszusprechen, daß wir an Gott hängen und der Glaube an ihn in unserem Leben wirklich eine Rolle spielt und nicht nur ein Lippenbekenntnis ist! Wo sonst als bei unseren Kindern können wir denn Gottes Liebe zur Sprache bringen, ihnen zeigen, daß er uns wichtig ist, daß wir ihm vertrauen und auf seine Zukunft hoffen? Wie das geht? Mit unseren Kindern beten! Sie später dahin schicken, wo sie von Gottes Taten in Jesus erfahren, ich meine den Kindergottesdienst. Sie dann begleiten, wenn sie in die Christengemeinde hineinwachsen sollen, ich meine die Konfirmandenzeit. Und schließlich - wenn sie erwachsen sind - auch hin und wieder fragen und erinnern und mit gutem Beispiel vorangehen: "Du, betest du eigentlich noch? Vergiß nicht, daß es einen Gott gibt! Komm doch am Sonntag mal wieder mit in die Kirche!" Sehen sie, wie viele Möglichkeiten es gibt, Rechenschaft abzulegen, zu bekennen, wer unser Herr ist, Zeugnis und Verantwortung zu geben von der Hoffnung und dem Geist, der in uns ist!? Ja, liebe Gemeinde am Mitarbeitersonntag, und das alles nenne ich Mitarbeit! Da nämlich entscheidet es sich, ob Gottes Gemeinde wächst und lebendig ist oder ob sich die Menschen immer noch mehr von ihr abwenden, weil die, die sich doch Christen nennen, kein überzeugendes Vorbild mehr geben können oder wollen. Wie schön, wenn zu dieser wichtigen Mitarbeit durch Rechenschaft und Bekenntnis noch die andere Arbeit hinzukommt: In einem Kreis, einer Gruppe, dem Kindergottesdienst oder dem Kirchenvorstand unserer Gemeinden! Die Predigt wurde gehalten von Pfr. Manfred Günther, Lohgasse 11, 35325 Mücke/Groß-Eichen