Gem. Ansprache in der Christnacht - 24.12.97 Thema: Engel - Du bist ein Engel, meinte der Mann am Morgen, als er es so eilig hatte und die Frau ihm schon das frische Hemd und die Manschettenknöpfe hingelegt hatte. - Lacht er nicht wie ein Engel, meinte die Oma neulich, als sie den kleinen Enkel zum ersten Mal im Wagen ausfahren durfte und die Nachbarin einen Blick in den Kinderwagen warf. - Da hast du aber einen Schutzengel gehabt, sagte die Frau mit erleichtertem Ton, als ihr Sohn ihr von einem gefährlichen Moment während einer Autofahrt erzählte. - Wir sind alle keine Engel sprach der Prediger auf der Kanzel und schloß sich mit einer demütigen Geste selbst mit ein. - Du bist ein Engelchen mit einem „B” davor meinte die Mutti gestern zu ihrem Söhnchen, das ihr Widerworte gegeben hatte. Das fiel mir zuerst ein, als ich an Engel gedacht habe. - Woran denkt ihr bei „Engel”? - - - Es wird gewiß so ähnlich sein, was euch dazu einfällt. Demnach müssen Engel lieb sein, hübsch sein, sie gleichen den geschlechtslosen Putten, wie sie in manchen Kirchen dargestellt werden, sie müssen uns - wenn sie dann größer sind - behüten, und selbstlos sein, ohne Sünde und böse Gedanken. - Über solche Engel wollen wir heute nicht reden. Diese Engel stammen aus unserer Phantasie. Wir wollen über die Engel sprechen, die ihrem Namen Ehre machen, die richtigen, die wahren Engel. Der Name „Engel” heißt ursprünglich Bote. Und Bote sein, sollen sie zuallererst. Sie bringen uns also eine Botschaft. Eine Weisung, eine Nachricht von Gott. So sind sie den Propheten sehr ähnlich. Die kamen auch von Gott und sollten den Menschen etwas von ihm ausrichten. Vielleicht etwas sehr Schönes, manchmal auch etwas Schlimmes, ein schweres Geschick und sehr oft etwas Unglaubliches, womit niemand gerechnet hat. Genau das tun Engel auch. Und warum verkündigen sie uns diese Dinge? - Vielleicht damit wir uns freuen können. Oder um zu warnen. Oder um uns Gelegenheit zu geben, uns zu ändern, daß vielleicht doch nicht eintritt, was Gott vorhat zu tun? So hat der Engel damals zu den Hirten von Bethlehem gesprochen: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und dann singt der Engel zusammen mit noch vielen anderen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.” Das war wohl die gewaltigste Botschaft, die je ein Engel ausgerichtet hat. Wir verstehen, wenn er darum so beginnt: Fürchtet euch nicht! Da kann einem auch angst und bange werden: Euch ist heute der Heiland geboren... Den Hirten von Bethlehem! Den ärmsten Schluckern, den Außenseitern, den Verachteten, mit denen niemand auch nur sprach... Euch ist heute der Heiland geboren... Wahrhaftig unglaubliche Worte, die Armen werden reich gemacht, die Großen vom Thron gestürzt, Gott wird ein Kind, liegt im Futtertrog, das Unterste wird zuoberst gekehrt... - Was würde der Engel heute verkündigen? Was wären Worte an dich und mich, die dem entsprechen? - Laßt uns bei einer Musik darüber nachdenken. Musik Vielleicht würde er zu dem einen von uns so sprechen: „Fürchte dich nicht! Siehe ich verkündige dir große Freude. Dir ist heute der Heiland geboren! - Du bist verstrickt in Schuld. Du möchtest gern neu anfangen. Dir fehlt der Mut. „Das wird ja doch nicht mehr”, sagst du dir. So bin ich, so bleib ich halt. Heute nacht kommt einer in dein Leben, der traut dir zu, daß du ein neuer Mensch wirst. Du sollst gute Gedanken haben, wo du früher dunkle hattest. Du kannst den Menschen mit Liebe begegnen, wo du einmal gleichgültig warst, kannst treu werden, wo niemand sich auf dich verlassen konnte. Du wirst daran Freude haben, wenn andere sich freuen. Du wirst mitleiden, wenn ihnen Böses widerfährt. Dein Herz wird mit anderen fühlen von nun an. Mit deiner ganzen Kraft wirst du dich einsetzen für die Mitmenschen. Wenn einer sich nicht wehren kann, wirst du die richtigen Worte für ihn sagen. Wer Angst hat, dem wirst du ein Tröster. Wer nur Böses erwartet, dem machst du Mut. Wer Hilfe braucht, hat dich auf seiner Seite. Du wirst den Heiland finden mitten in deinem Leben von heute an: Er ist da, er ist ganz nah, er wird dein Anfang sein, dein Trost, deine Kraft, dein Segen und das Gelingen.” Musik Und einer anderen würde der Engel sagen: „Fürchte dich nicht! Siehe ich verkündige dir große Freude. Dir ist heute der Heiland geboren! Auch in deinem Leben kann noch einmal alles anders werden. Wie lange quält dich doch schon, das alles so sinnlos erscheint. Immer derselbe Tageslauf. Immer gleich reiht sich Tag an Tag, ein Geburtstag an den anderen, ein Weihnachten, ein Sommer... Du aber hast Aufgaben! Ein Auftrag liegt über deinem Leben! Du weißt es in deinem Herzen. Du hörst ihn, du kennst ihn... Du hast die Gaben dafür mitbekommen, ihn zu erfüllen. Noch zögerst du, wie du viele Jahre gezögert hast. Jetzt ist aber der Tag da, zu beginnen: In dieser Nacht tust du den ersten Schritt. Und der nächste Schritt wird folgen. Und du kannst ihn gehen, du bist nicht allein auf dem Weg. Alles wir anders, neu, überraschend, voller Sinn... Du wirst den Heiland finden mitten in deinem Leben von heute an: Er ist da, er ist ganz nah, er wird dein Anfang sein, dein Trost, deine Kraft, dein Segen und das Gelingen.” Musik Und noch einer anderen würde der Engel zurufen: „Fürchte dich nicht! Siehe ich verkündige dir große Freude. Dir ist heute der Heiland geboren! Das Leid deiner Tage ist nicht das letzte, das du erfahren sollst! Einmal werden deine Tränen getrocknet. Aller Schmerz vergeht. Du wirst hindurch sein. Das mag noch in diesem Leben geschehen. Oder einmal in Gottes neuer, ewiger Welt. Sein Ratschluß ist es, der das bestimmt. Weißt du auch nicht wann, so weißt du doch, daß einmal aller Kummer endet und du alle Bürde ablegen darfst - für immer. Bis dahin wirst du einen an deiner Seite haben, der mit dir trägt. Er gibt noch in den schmerzlichsten Stunden ein Lächeln auf dein Gesicht. Er läßt dich den Tag haben, an dem du zufrieden bist, trotz aller Beschwerden. Er läßt dich leben in aller Trauer, in mancherlei Sorgen, trotz großer Betrübnisse. Er macht, daß du dein Leben trotz allem liebhaben kannst. Du sollst ihn entdecken, auch und gerade in deiner oft so dunklen Zeit. Du wirst den Heiland finden mitten in deinem Leben von heute an: Er ist da, er ist ganz nah, er wird dein Anfang sein, dein Trost, deine Kraft, dein Segen und das Gelingen.” Musik Und wieder zu einem anderen würde der Engel so sprechen: „Fürchte dich nicht! Siehe ich verkündige dir große Freude. Dir ist heute der Heiland geboren! Du magst nicht an die Zukunft denken. Alles macht dir Angst. Ob du deine Arbeit behalten wirst? Ob du gesund bleibst? Ob du dein Alter einmal im Kreise deiner Familie beschließen darfst? Alles ist ungewiß. Die Zukunft liegt unter einem Schleier, schon wie der morgige Tag wird, kann niemand sagen. Alles scheint trübe, finster... Wenn man nur wüßte! Du weißt aber dies: Über dir wacht ein Gott. Du bist behütet in jedem Augenblick - seit deinem ersten Schrei. Und du hast oft genug gespürt, daß einer die Hand über dir hielt. Du hast es in vielen Stunden gewußt: Gottes Güte war über mir. Er hat Unglück von dir ferngehalten. Er hat dich gesund gemacht, wo es böse aussah mit dir. Er hat dir wieder ein Lachen geschenkt, wo du lange geweint hast. Sollte er dich nicht weiter behüten und bewahren? Wovor Angst haben? Spürst du es nicht, daß dein Gott dich sehr lieb hat? Du wirst den Heiland finden mitten in deinem Leben von heute an: Er ist da, er ist ganz nah, er wird dein Anfang sein, dein Trost, deine Kraft, dein Segen und das Gelingen.” Lied: EG 36, 1-3, 7-9 (Während des Liedes gehen die SprecherInnen mit einem Körbchen durch die Reihen: Jeder Gottesdienstbesucher zieht sich aus dem Körbchen eine Karte mit einem Engelbild und je einer der vier Botschaften auf der Rückseite.) Die Predigt wurde gehalten von Mitarbeiterinnen im Kindergottesdienst und Pfr. Manfred Günther, Groß-Eichen