Predigt am 1. Advent - 27. November1994 Predigt über Mitarbeit in der Gemeinde - zu einem Bild des "Abendmahls" aus der Sixtinischen Kapelle - (Um das Bild zu sehen, auf das Icon neben "Mitarbeitergottesdienst 2" klicken!) Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter!Liebe Gemeinde! Jetzt wird sich gleich das Rätsel lösen, warum der Strahler hinter dem Altar heute das Wandbild be- leuchtet, obgleich doch kein Abendmahl gefeiert wird. Das war vor genau einer Woche, daß mir an diesem Bild etwas aufgefallen ist. Es war während der Abendmahlsfeier zum Totensonntag. Und ich habe gedacht, darüber willst du in einer Woche sprechen. Wenn sie dieses Bild jetzt trotz Strahler nicht so genau sehen können, dann kennen sie es doch - auch in gemalter Form. Das Original ist ein Fresko in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Jesus feiert das letzte Mahl mit seinen Jüngern. Sie haben gewiß schon eine der zahllosen Darstellungen davon gesehen. Genau wie ich. Was mir aber erst am vergangenen Sonntag aufgefallen ist: Das Bild ist doch eigentlich völlig unna- türlich! Oder sagen wir unwirklich. Wer wird denn - wenn er eine Gemeinschaft mit anderen bildet - so an einem Tisch sitzen? Bildet man denn nicht einen Kreis um den Tisch, wenn man zusammen ißt? Oder wenn es ein so langer rechteckiger Tisch ist, besetzt man dann nicht wenigstens die beiden Längsseiten? Wie aber sitzen Jesus und seine Jünger? Alle nur auf einer Seite. So als hätte sie der Maler so plaziert, daß er sie alle von vorn malen kann. Wie gesagt: Unnatürlich, unwirklich... Wenn da nicht eine Botschaft darinläge, die uns von diesem Bild ausgerichtet werden soll! Und diese Bot- schaft eben, habe ich vor einer Woche plötzlich gehört, oder besser gesehen. Mir sagt dieses merkwürdige Bild: Hier, dieser Tisch ist noch nicht besetzt! Hier ist noch viel Platz! Ihr, die ihr auf diesen Tisch schaut und vor diesem Tisch steht, dürft herzutreten! Den Platz an die- sem Tisch haben wir für euch freigehalten! Ja, wir warten auf euch. Erst mit euch wird dieser Tisch voll sein. Und diese Gedanken werden noch gestützt von etwas, das ist auf dem gemalten Original deutlich zu sehen: Auf der unbesetzten Seite des Tisches stehen auch Teller und Becher und liegen auch Brote. Das ist sicher kein Zufall. So spricht dieses Bild über die Gemeinschaft mit Jesus. Und es bezieht alle Betrachter ein. Vor diesem Bild sind wir nicht unbeteiligt, sondern gefragt: Willst du nicht auch zu uns kommen? Tritt doch auch an diesen Tisch! Du bist eingeladen! Eingeladen, hier mitzuessen, mit- zufeiern. Aber auch noch zu mehr! Das wäre ja wohl doch ein bißchen wenig, wenn unser Abend- mahl das einzige wäre, zu dem wir als Gemeinde, als Gemeinschaft der Leute Jesu Christi zusam- menkämen. Da sind wir uns sicher einig. Ich glaube, wir sind auch in die Nähe Jesu gerufen und in die Nähe zueinander. Er lädt uns ein, zu allen möglichen Gelegenheiten, wo wir als Christen unter seinem Wort, seinem Segen und in seiner Gemeinschaft beisammen sind. Das ist für mich die Botschaft dieses Bildes. Und darin liegt eben auch ein Auftrag - und deshalb paßt dieses Bild zu diesem Gottesdienst, in dem wir über Mitarbeit in der Gemeinde nachdenken: Ich höre den Jesus dieses Bildes rufen: Kommt doch selbst an diesen Tisch, in diese Gemeinschaft. Hier ist euer Platz! Und wenn ihr kommt, dann tretet her zu mir auf diese Seite und macht den Platz wieder frei für andere. Die sollen auch herzutreten. Und helft mir doch einladen! Zeigt in eurem Ge- sicht, bei diesem Herrn ist gut sein! Dann werden andere auch gern kommen. Und strahlt es mit eu- rem ganzen Wesen aus, daß ihr bei mir etwas gefunden habt, was Freude schenkt und sinnvoll ist. Dann werden andere neugierig. Und sprecht auch so, daß Menschen ins Nachdenken kommen, ob sie denn nicht ganz wesentliche Gedanken aus ihrem Leben verbannt und mit unwichtigem Kram zu- gedeckt und zum Schweigen gebracht haben. Dann werden andere vielleicht aufgerüttelt und begin- nen neu zu suchen. Und - nicht zuletzt! - haltet aus bei mir. Nicht immer wird die Gemeinschaft bei mir und um mich herum nur frohe, schöne Erfahrungen schenken. Auch Geduld müßt ihr lernen. Auch Spott und Härte anderer werden euch zusetzen. Auch versagen und Fehler machen werdet ihr. Liebe Gemeinde, ich könnte mir denken, daß mancher jetzt meint: Kann es denn etwa in einer Jung- schar oder dem Frauenabend um so gewaltige Dinge gehen wie "alles gewinnen oder verlieren"? Oder was hat das mit Gottes ewiger Verheißung zu tun, wenn wir in einem Jugendkreis basteln oder auf einer Familienfreizeit eine Bergwanderung machen? Und dann: Wer ist denn "Mitarbeiter" in ei- nem Gemeindekreis? Alle Teilnehmer oder nur die, die Verantwortung übernehmen und vielleicht die Vorbereitung? Sprechen wir über das letzte zuerst und kehren wir dazu vor dieses Bild zurück: Jesus ruft alle! Und wer hinzutritt an seinen Tisch, in seine Gemeinschaft, der tritt in die Arbeit ein. Dabei mag es dann Unterschiede in der Art und dem Einsatz für diese Arbeit geben. Aber Mitarbeiter sind alle, die sich in diese Gemeinschaft rufen lassen. Daß es wirklich so ist, nicht nur in der Predigt, sondern auch im richtigen Leben, dafür mögen diese Beispiele dienen: Wie oft sind sie schon auf die eine oder andere religiöse Frage angesprochen wor- den, nur weil sie in die Kirche gehen? - Wird also offenbar nicht selbstverständlich erwartet, daß sie Rede und Antwort stehen können, daß sie Bescheid wissen, daß sie drin sind in den Fragen und Pro- blemen...nur weil sie den Gottesdienst besuchen? Oder denken wir an den Ehepaarkreis, der sicher ein sehr weltlicher Club ist und ja eher selten be- tont kirchliche Themen behandelt oder die Abende irgendwie religiös gestaltet. Trotzdem bekom- men die Teilnehmer doch gesagt: "So, ihr geht zum Perner?" Und inzwischen - nach 15 Jahren Ehe- paarkreis - sagen sie's ja auch selbst: "Wir gehen zum Perner!" Schon die Teilnahme an solch einem Kreis also wird mit dem Etikett "Kirche", "Gemeinde" versehen. Und denken wir noch an unsere Familienfreizeiten: Wie schwer ist das einigen doch am Anfang ge- fallen, mit "der Kirche in Urlaub zu fahren"! Das sagt sich ja gar nicht so leicht im Kollegenkreis: "Ich fahre in diesem Jahr mit unserer Kirchengemeinde nach Österreich!" - "Mit "Dingsda" nach Mallorca", kriegt man besser über die Lippen. Und wir müssen schon mit solchen Äußerungen rech- nen, die man auch wirklich schon gehört hat: "Dann wird also in eurem Urlaub dieses Jahr nur ge- betet!?" Auch bei einer Familienfreizeit also begeben sich alle Mitfahrer in eine deutliche Nähe zur Gemeinde Jesu. Auch hier ist das ein Bekenntnis zu ihm und umgekehrt werden wir mit ihm zusam- mengebracht und zu seinen "Mitarbeitern". Und ich will hier jetzt überhaupt nicht dagegen sprechen oder gar rebellieren, daß man das so macht. Im Gegenteil! So ist es ja auch wirklich! Wer in die Nähe des Tisches Jesu Christi kommt, der folgt seinem Ruf! Und der muß damit rechnen, daß er identifiziert wird mit der Gemeinschaft bei ihm und den Zielen, die er dem Leben setzt. Wir können dem nicht entgehen. Und darum sind wir Mit- arbeiter Jesu, wenn wir zu ihm treten und seiner Sache näher kommen. Und weiß Gott, "Arbeit" be- deutet das schon! Aber - und damit möchte ich noch einmal mit ihnen vor dieses Bild gehen: Es ist wunderbar in dieser Nähe Jesu! Es schenkt unendlich viel Freude, Sinn und Erfüllung. Sollen sie uns doch befragen, was uns das gibt, in die Kirche zu gehen, in den Ehepaarkreis oder bei der Freizeit mitzufahren... Wir ha- ben doch etwas zu antworten: "Das gibt mir etwas zum Nachdenken für die ganze Woche. Das schenkt mir Trost. Da habe ich das Gefühl, das der Sonntag wesentlich ist - und nicht derselbe Trott wie der Alltag." Oder: "Da hatten wir schon so manchen schönen Abend. Da geht's lustig zu und ei- ne Menge Spaß kann man auch noch mit nach Hause nehmen." Oder auch: "Das ist für uns der ein- zig wahre Urlaub! Ich könnte mir nicht mehr vorstellen, nur mit der Familie wegzufahren!" Und bei allem, was uns in die Nähe Jesu und an seinen Tisch führt, sollen und dürfen wir dann auch wieder dabei mitwirken, daß auch noch andere hinzukommen. Im Bild gesprochen: Wir treten hin- über auf die Seite Jesu und machen den Platz auf der anderen Seite frei für andere. Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Ich wünschte mir und uns, daß bei uns immer wieder und immer mehr diese Bewegung hin zum Tisch Jesu und in seine Gemeinschaft entsteht. Daß wir uns aufmachen zu ihm, um den Tisch her- umgehen und den vielen Mitmenschen Platz machen und Freude daran, auch in die Gemeinde zu kommen. Die Predigt wurde gehalten von Pfr. Manfred Günther, Lohgasse 11, 35325 Mücke/Groß-Eichen