Predigt am 1. Adventssonntag (Mitarbeitersonntag) - 28. Nov. 1993 (Siehe, dein König kommt zu dir, ein gerechter und ein Helfer. Sach. 9,9) Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter, liebe Gemeinde! Das hat ja nun auch schon wieder Tradition: Daß wir einmal im Jahr über Mitarbeit in der Kirche nachdenken, den MitarbeiterInnen danken und Menschen ermutigen, doch auch die Mitarbeit in ihrer Gemeinde aufzunehmen. Und ich dachte in diesem Jahr daran, doch einmal in der Bibel nachzuschauen, wie sich dort Mitarbeiter benehmen, was sie leisten, und auf welche besondere Weise sie der Sache Gottes gedient haben. Vielleicht könnte ich dann einen - besonders hervorragenden - herausgreifen und über ihn in meiner Predigt heute sprechen!? So habe ich das Neue Testament aufgeschlagen und einmal im Leben der Jünger nachgesehen, denn die waren doch wohl die allerersten Mitarbeiter in der christlichen Gemeinde... Und ich war entsetzt! Fast hätte ich den Plan schon gleich wieder aufgegeben, über Jesu Jünger zu predigen! Wie soll man denn auch damit werben, damit Menschen für die Arbeit in Gottes Weinberg gewinnen? Hören Sie eine kleine Auswahl der Taten und "Verdienste" einiger Jünger: Natürlich fällt uns Petrus immer zuerst ein: Er war ein kleiner Fischer und wurde von Jesus zum Menschenfischer berufen. Aber er hat wohl den Mief seines Dorfes am See Genezareth und sein enges Denken nie ganz abschütteln können. Begriffen hat er von Jesu Auftrag und Sendung offenbar sehr wenig! Als ihm der Herr zum dritten Mal eröffnet, daß er sterben muß, sagt er immer noch: "Herr, das geschehe dir nur ja nicht!" Und er wird auch prompt mit "Satan" tituliert, der nur "sinnt was menschlich ist und nicht, was göttlich ist." Sagen wir's ein bißchen weniger hochtrabend, dann heißt das: "Jetzt ziehst du schon so lange mit mir durch die Lande und hast doch immer noch nicht verstanden, wozu ich in die Welt gekommen bin!" Ja und schließlich werden von da an nur noch Tage vergehen, bis dieser selbe Petrus seinen Herrn dreimal verleugnet. Wahrhaftig kein Mitarbeiter, über den ich eine gewinnende Predigt halten könnte! Dann kamen mir Jakobus und Johannes in den Sinn - aber die sind ja nicht besser geeignet! Sie feilschen mit ihrem Herrn, ob er ihnen nicht schon einmal die Platzkarten für den Himmel schenken könnte - zu seiner Rechten und seiner Linken, bitteschön! Und diese beiden - zusammen mit Petrus - sind es dann gewesen, die ihren Herrn am Vorabend seines Todes so schmählich im Stich lassen: Nicht einmal eine Stunde können sie mit Jesus in Gethsemane wachen. Dreimal kommt er in heftige Angst, dreimal sucht er die Nähe und den Zuspruch seiner Vertrauten, dreimal schlafen sie, statt ihn zu stützen und zu trösten! Dann fiel mir Thomas ein - auch kein Ruhmesblatt, wirklich nicht. "Wenn ich nicht meine Finger in seine Wundmale lege, dann will ich's nicht glauben, daß er auferstanden ist." Auch er hat es immer wieder gehört, daß Jesus nicht im Tod bleiben würde - nur geglaubt hat er ihm nicht. Als leuchtendes Vorbild für Mitarbeiter scheidet auch er aus. Wie ist es mit den anderen? Nun, Judas wollten wir ohnedies bei unserer Suche übergehen, aber wer ist denn sonst noch würdig, zum Gegenstand einer Predigt über Mitarbeit bei der Sache Gottes zu werden? - Niemand! Wirklich und wahrhaftig niemand! Wo wir überhaupt etwas über die anderen Jünger hören, da ist es entweder belanglos oder eher unschön und ihrem Amt als Vertraute Jesu unangemessen: Wie sie über die Menschen reden, wie sie die Leute - zum Beispiel auch die Kinder - abwimmeln, wenn sie Jesus nahe kommen und wie sie ihn doch am Ende alle allein lassen. Und an diesem Punkt meiner Überlegungen wollte ich meinen Predigtplan für heute endgültig fallenlassen. "Es ist halt niemand dabei, der geeignet wäre, ein Vorbild für uns abzugeben," war mein Fazit. Da fiel es mir - wie man so sagt - wie Schuppen - in diesem Fall von den Ohren: Ich habe auf einmal noch einmal auf all diese Geschichten gehört und begriffen, daß ja wohl gerade das unser Vorbild ist, was uns an diesen "Mitarbeitern" gar nicht vorbildlich erscheint! - Wie meine ich nun diese rätselvolle Feststellung? Nun, mit welchen Gefühlen sind sie denn heute hierher gekommen? Wenn Sie noch kein Mitarbeiter in unserer Gemeinde sind, dann haben sie bestimmt überlegt: Gehe ich da überhaupt hin? Ich bin doch wohl nicht die Frau oder der Mann dafür, bei der Kirche mitzuarbeiten! Gut, in den Gottesdienst gehe ich gern. Und wenn es hie und da Not am Mann oder der Frau ist, dann will ich ja auch gern einmal helfen. Aber immer? Dazu eigne ich mich doch nicht! - Und doch sind sie gekommen und sie hören jetzt von Leuten, die sich auch wenig für das ausgezeichnet haben, was ihnen aber dennoch übertragen worden ist: Mitarbeit in Gottes Gemeinde! - Was uns das wohl sagen möchte? Und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unserer Gemeinden? Mit welchen Gedanken sind die heute zu diesem Gottesdienst gegangen? Vielleicht mit dem: Ich mache meine Arbeit in diesem oder jenem Kreis ja ganz gern. Aber alles gelingt mir durchaus nicht so, wie ich mir das wünsche! Aber ob ich das besser kann, bei meinen Gaben, bei meiner Begabung? Oder sie haben gedacht: Wenn der Pfarrer doch nicht in jedem Jahr wieder diesen Aufwand machen würde: Mitarbeitersonntag und ein extra Gottesdienst dafür! Bestimmt gibt es doch viele, die meine Aufgabe besser erfüllen könnten. Ich mache das ja auch eigentlich nur, weil sonst niemand dafür da ist. - Was die Unzulänglichkeit der Jünger Jesu diesen Menschen wohl zeigen könnte? Ich bin übrigens sicher, daß es bei uns auch MitarbeiterInnen gibt, die sehr selbstbewußt in ihrer Arbeit stehen. Und mit Recht! Aber bei uns und anderswo - gerade im Raum der Kirche - sind doch die Menschen sehr zahlreich, die nicht so von sich überzeugt sind und nicht sehr hoch von sich und ihrer Leistung denken. Das habe ich immer wieder erfahren. Und ich meine nun, für diese alle hätte die Schwäche und Fehlerhaftigkeit der ersten Mitarbeiter Gottes eine wichtige Botschaft! Um es in einem Satz zu sagen: Gerade euch will Gott haben! Ihr macht das nicht nur "so gut ihr das halt könnt", nein, ihr macht das gut! Besser könnte es kein anderer und keine andere! Denn - und da schauen wir uns nochmal die Beispiele der Jünger an - gerade die Schwachen, die Fehlerhaften, die nicht so Selbstsicheren bringen doch ans Licht, worum es bei aller Arbeit für Gott und seine Sache geht: Daß eben er zur Geltung kommt, daß er in und trotz unserer Schwäche sein Werk an den Menschen verrichtet, daß er trotz und manchmal sogar in unseren Fehlern zu seinem Ziel an den Menschen gelangt! Und da eben können die Jünger Jesu ein klares Beispiel geben: Der Verleugner Petrus ist doch gut genug, der Fels zu sein, auf den Jesus seine Gemeinde gründet. Die Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, haben doch später wichtige Ämter in der jungen Christengemeinde bekleidet und ausgefüllt. Gerade an Thomas hat Jesus für alle Zeiten die Wahrhaftigkeit seiner Auferstehung verdeutlicht - am Ende hat er ja geglaubt! Und selbst Judas ist unserem Herrn würdig genug gewesen, mit ihm das Abendmahl zu feiern. Und ich glaube, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Gemeinden das schon an sich gespürt haben, und mehr als einmal: Es ist gar nicht so entscheidend, wie perfekt ich meine Jungscharstunde vorbereite. Und es macht auch nicht unbedingt den Erfolg eines Seniorennachmittags, daß ich ein so vollendeter Redner bin und die Leute mitreißen und begeistern kann. Schließlich ist auch die Freude, die ich an der Arbeit in der Gemeinde habe, nicht das Ergebnis meiner eigenen Tüchtigkeit und daß ich so viele Gaben hätte. - Bei allem tut Gott selbst mit! Er bedient sich unserer bescheidenen Kräfte und bringt das zu den Menschen durch, was er für sie tun und was er ihnen sagen will. Und manchmal ist es so, daß er sich gerade unserer Schwäche bedient und viel besser zum Ziel kommt, wenn wir uns zurücknehmen oder halt nicht mehr bieten können, als wir nunmal tun. Ist das nicht wirklich wunderbar, daß es so ist? Könnte das uns, die wir schon in der Mitarbeit stehen, nicht dazu führen, daß wir unsere Arbeit und unsere Aufgabe in einem neuen Licht sehen? Und könnte das nicht all jene, die sich noch scheuen, einen Auftrag in der Gemeinde zu übernehmen, ermutigen, daß sie es doch einmal damit probieren? Was sie erfahren werden, ist das, was die Jünger damals und die Mitarbeiter Gottes bis heute immer wieder erfahren: Wenn ich schwach bin, bin ich stark - durch Gott! Und diese Kraft Gottes, die wir immer wieder spüren dürfen, ist etwas Wunderbares. Sie lohnt wahrhaftig unsere Mühe!