Erzählende Predigt ohne engere Textbindung - an den Christtagen Textlesung: Lk. 2,(1-14) 15-20 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Laßt uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war. Liebe Gemeinde! Es ist ein bißchen heikel und schwierig, was ich heute sagen möchte. Und schwer zu verstehen sind manche Worte wohl auch, die sie heute hören sollen. Darum dies zuvor: Ich freue mich mit jedem, der reich ist und dem es gut geht in dieser Welt. Ich bin dankbar, mit denen, die von Gott mit bester Gesundheit und mit einem glücklichen Leben beschenkt sind. Und auch, wenn viele Menschen so ganz und gar undankbar sind und alles nur hinnehmen, ohne ein Wort und ohne einen Aufblick nach oben - dann gönne ich diesen Leuten doch deshalb nichts Schlechtes. Nein, ich glaube, was ich heute sagen möchte, entspringt weder dem Neid noch der Mißgunst. Und ich hege auch nicht - tief im Herzen drinnen - irgendwelche bösen oder gar rach- süchtigen Gedanken, weil ich insgeheim denke, ich und die Meinen wären gegen andere vielleicht doch irgendwie zu kurz gekommen. Nein, ich bin zufrieden. Ich will nicht mehr haben. Mein Schicksal ist von dem, was ich wahres Glück nenne, nicht allzu weit entfernt. Soweit das Vorwort zu dem, was jetzt kommt: Ich habe in diesem Jahr, wenn ich so sagen darf, zum ....ten mal seit ich zum Predigtdienst beauf- tragt bin, an der Krippe von Bethlehem gestanden. Wieder sollte ich mir etwas einfallen lassen, was ich ihnen in einer Predigt weitersagen kann, möglichst etwas Neues, noch nicht zu oft Gehörtes... Und wenn ich jetzt sage: "an der Krippe gestanden", dann meine ich das durchaus ganz wörtlich. Ich habe mir in diesen Tagen nämlich einmal eine Weile Zeit genommen und mir das vorgestellt: Bethlehem heute...bei uns...in einem Viehstall um die Ecke... Und ich wirklich mit dabei, mitten- drin im Stall, neben der Krippe, Maria ganz nah und Josef nur zwei Schritte weiter und im Hinte- grund der Ochse und der Esel... Ja, und als ich mich da so ganz hineingedacht hatte, da eben ist mir etwas eingefallen, etwas aufgegangen, das ist vielleicht wirklich neu und noch nicht so oft vor ihre Ohren gekommen: Ich habe da in diesem Jahr an und neben der Krippe schon etwas gespürt, da war es im Stall noch ganz still. Das Kind war gerade geboren, die Gäste waren noch nicht da. Vielleicht hatte sich der Engel gerade aufgemacht hinaus zu den Hirten? Und die himmlischen Heerscharen über dem Stall haben noch geprobt, wie sie sich später aufstellen wollten, wenn sie ihr "Ehre sei Gott in der Höhe" anstimmen? Jedenfalls war es da schon zu spüren: Die Armut dieser Geburt, und wie alles in der Szene damit zusammenpaßt... Ochs und Esel, Viehstall, Futterkrippe, die armen Eltern ohne festen Wohnsitz...im Reisegepäck nur ein paar Windeln... Als dann die Hirten eintraten, wurde es noch viel deutlicher: War das ein Lumpenpack! Die Außen- seiter von Bethlehem. Einer ging an Krücken. Ein anderer hatte nur einen Arm. Ein dritter war vom Aussatz gezeichnet. Wieder einer redete wirr und warf den Kopf immer so zur Seite. Aber das Staunen in diesen Gesichtern! Die Freude! Sie konnten sich ja gar nicht darüber beruhigen, daß ausgerechnet zu ihnen der Engel gekommen war und daß ihnen dieses Wort gelten sollte: Euch ist heute der Heiland geboren! Schließlich - da waren die Hirten gerade wieder im Aufbruch - schließlich kamen die drei Weisen daher. Ach, war das anders, als wir's uns immer vorstellen! Von wegen "geritten auf Pferden und Kamelen"! Zu Fuß waren sie, mit Schwielen an den Fersen. Und bloß Sterndeuter waren das! As- trologen, um die immer ein Hauch von Geheimnis weht und ein Rüchlein von schwarzer Kunst! Auch mit solchen Magiern hatten die wohlanständigen Leute von Bethlehem nicht so gern zu tun! Aber auch sie paßten hier gut ins Bild. Und mit dem bißchen Gold, Weihrauch und Myrrhe, das sie dabei hatten, zog auch nicht gerade der große Reichtum in den Stall ein! Und ein bißchen später kamen dann noch ein paar Leute aus der Nachbarschaft. Auch das ganz arme Schlucker, einfache Taglöhner, Handwerker und Hausfrauen. Die Reichen von Bethlehem habe ich nicht gesehen. Die haben sich nicht für diese Arme-Leute-Geburt in einem Viehstall inter- essiert. Die sind hübsch zu Hause geblieben am warmen Herdfeuer, bei weißem Brot, Putenkeule, Oliven und Wein... Liebe Gemeinde, jetzt will ich, jetzt wollen wir den Ort wechseln. Jetzt gehen wir zurück in unsere Zeit, in die Welt unserer Tage, in unser Dorf (usere Stadt) vielleicht? Wer ist es denn heute, der sich zur Krippe Jesu aufmacht? Wer hört denn die Botschaft: "Euch ist heute der Heiland geboren"? Ja nun, hören können sie alle, denn sie gilt ja allen Menschen und wird von Anfang an allen verkündigt. Aber wer hört denn hin? Wer folgt denn dem Ruf? Wen bewegt er so, daß er aufbricht zur "Krippe", oder eben dorthin, wo er heute Jesus, seiner Sache und seinen Leuten nahekommt? Und - jetzt sage ich das Heikle, das Schwierige, das Mißverständliche - aber sind das nicht heute wie damals schon besonders oft die Armen, die Elenden, die Außenseiter, die Geängsteten und Be- ladenen? Sind das nicht heute wie damals zuerst die Menschen, die schon viele Schläge des Schick- sals haben hinnehmen müssen, die vielleicht schon lange den steinigen Weg durch fortschreitende Krankheit gehen oder seit langem mit einer Behinderung leben? Sind das nicht heute wie damals zuerst die Menschen, die kein öffentliches Ansehen haben, die nichts gelten und nichts sind, die oft wenig von sich halten und sich selbst nicht helfen können? Liebe Gemeinde, sie werden es mir abnehmen, daß ich, wie ich seit vielen Jahren immer wieder an der Krippe stehe, auch oft dort bin, wo heute die Menschen nach diesem Jesus Christus fragen, zu ihm kommen und den Glauben an ihn finden und festhalten. Und das muß ich einfach sagen, da stimmt heute - in unserer Zeit - wie damals im Stall von Bethlehem alles zusammen! Bei Jesus fin- den sich die Schwachen ein, die Verletzten, die vom Schicksal Beschädigten und von Schuld oder Angst Belasteten. Und weil das so ist, sind wir an seiner Krippe und heute in seiner Nähe niemals fremd untereinander! Da sind wir alle gleich und dort hat keiner dem anderen etwas voraus. Warum sollte denn auch der "Hirte, der in Lumpen geht" mit dem Finger auf den "Sterndeuter" zeigen, den alle mit Mißtrauen betrachten? Oder warum soll der Mensch, der sich in seiner Zukunftsangst schier verzehrt, die Augenbrauen hochziehen, wenn er bei Jesus der zweifelhaften Person begegnet, von der die Gerüchte durch das Dorf fliegen? Und jetzt gehen sie weiter, die schwierigen, heiklen Gedanken und Worte: Aber ist das nicht wirk- lich wunderbar, tröstlich und sehr hilfreich, daß sich bei diesem Jesus eben solche armen und be- lasteten Menschen sammeln. Dort findet man immer jemanden, der einem versteht, weil er selbst das auch schon durch hat, was uns gerade quält. Dort ist kein Hochmut. Dort gibt es keine Überhe- blichkeit. Da ist keiner mehr als irgend ein anderer. Und zu ihm selbst, der seinen Weg von der Krippe zum Kreuz ging, gehören alle und sie gehören in ihm und durch ihn alle zusammen: Eine Gemeinschaft von Gleichen, eine Familie seiner Leute, Geschwister... Und jetzt will ich den heiklen, schwierigen Gedanken noch den allerletzten und heikelsten anfügen: Aber gilt das nicht auch umgekehrt! Finden wir bei ihm nicht wirklich keine oder nur selten große, bedeutende Leute, Angesehene, die mit ihrem Reichtum prangen und mit Macht und Stärke blen- den können. Ja, sind die nicht - damals wie heute - daheim geblieben bei ihrem satten, behaglichen Leben. Und - oft genug - gehören sie der Gemeinschaft dieses Jesus von Nazareth auch bewußt nicht mehr an, haben seine Kirche lange verlassen, brauchen ihn ja nicht und auch nicht jene, die an ihm hängen. Liebe Gemeinde, wir aber wollen uns das nicht verdunkeln lassen, so dunkel es im Stall von Beth- lehem und in unserem Leben heute auch sein mag: Dieser Jesus ist für die Armen und Elenden in die Welt gekommen. Für uns, die wir an seelischen oder körperlichen Lasten tragen, für uns, die wir uns schwach und klein fühlen, für uns, die in Furcht vergehen und vor Schuld nicht wagen aufzublicken, für uns ist er geboren und in unser armes Leben eingegangen. Wir haben in ihm einen Bruder. Wir sind durch ihn Geschwister. Wir haben durch ihn teil an allen Gaben, die er uns von Gott bringt: Vergebung aller Schuld, Hoffnung und Zuversicht, den festen Halt eines fröhlichen Glaubens, die helle Zukunft eines ewigen Lebens. - Da mögen nun andere in Saus und Braus ihre Tage verbringen können, sich keine Sorgen machen müssen und den Wohlstand eines gesunden Lebens genießen, in dem es an nichts fehlt - sie müßten uns dennoch beneiden und vielleicht tun sie das ja auch insgeheim, denn solchen wie uns gilt damals wie heute zuerst dieses Wort: Euch ist heute der Heiland geboren! Wollen wir uns da jetzt nicht auch aufmachen, wie die Hirten damals, daß wir zur Krippe gehen und das Wunder sehen, daß dieser Heiland eben gerade für uns in die Welt gekommen ist? Bei ihm werden wir nicht allein sein, vielmehr viele Schwestern und Brüder treffen, die alle nicht besser und schlechter sind als wir. Ja, "laßt uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat!"