Traupredigt für Carmen und Mike D. - 16.06.2001 Liebe Carmen, lieber Mike! Liebe Gäste! Heute hören wir über die Liebe! Und so paßt es ja auch zu einer Trauung. Ich spreche natürlich nicht von dem, was ich unter Liebe verstehe, sondern über das, was die Bibel meint, wenn sie über Liebe redet. Hier ist euer Trauvers - über die Liebe. Ihr habt ihn euch selbst ausgesucht. Er steht im 1. Kor. 13, 4 - 8: Trauvers: Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ist nicht eifersüchtig, sie prahlt nicht und bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht unschicklich, sucht nicht ihren Vorteil, sie lässt sich nicht herausfordern und trägt das Böse nicht nach. Sie erträgt alles, hofft alles, hält allem Stand. Die Liebe hört niemals auf. Nicht wahr, das ist ein ganz schön langer Katalog von Eigenschaften, wie sie angeblich zur Liebe gehören! Fast wie ein Rezept ist das ja: Wenn man Liebe leben will, dann nehme man: Langmut, Gü- te, Demut... Man halte sich mit Prahlen zurück, blähe sich nicht auf, ertrage alles... Liebe Carmen, lieber Mike, ihr liebt euch doch, braucht ihr solche Rezepte? Brauchen Verliebte überhaupt einen, der ihnen sagt: So und so ist die Liebe? Wenn man den Liebesromanen glaubt, dann geht doch alles wie von selbst in der Liebe: Da begeg- nen sich zwei und schon springt ein Funke über. "Er war wie vom Donner gerührt", lesen wir da. Oder noch gefährlicher: "Als sie ihn sah, schlug der Blitz ein, mitten ins Herz." Bei anderen Roman- autoren werden sogar religiöse Töne angeschlagen: "Es kam über ihn wie eine Offenbarung." Seriö- se Schriftsteller drücken die gleiche Sache ein bißchen feiner aus: Da werden zwei Herzen ent- flammt; da wird ein keuscher Jüngling, der, weiß Gott, nicht an Frauen dachte, plötzlich vom ewig Weiblichen hinangezogen; da sitzen zwei bei Mondschein auf einer Bank, denken nichts Böses und schon schießt Amor aus dem Hinterhalt seine vergifteten Pfeile auf sie ab... Eines haben diese Redeweisen von der Liebe gemeinsam: Man könnte meinen, die Liebenden selbst seien ganz unbeteiligt. Es sieht so aus, als wären sie nur Statisten in einem Stück, in dem sie doch eigentlich die Hauptrolle spielen. Aber sie handeln selbst gar nicht - die Liebe scheint mit ihnen zu spielen. Da springen Funken, Blitze schlagen und Pfeile schwirren... Die Verliebten sind dem an- scheinend ganz wehrlos ausgeliefert und wissen gar nicht recht, was mit ihnen geschieht. - Ist die Liebe wirklich so? Zugegeben, am Anfang kann es so aussehen - und bei euch war's ja wohl auch so ähnlich. Das mit der Liebe passiert oft wirklich auf den ersten Blick. Die Liebe stürzt uns in einen Strudel der Gefühle und reißt uns mit sich... Aber wie geht's weiter? Was ist, wenn die erste Verliebtheit abflaut und das bleibt nicht aus? Was ist, wenn zwischen zwei Herzen die Funken nicht mehr so hörbar knistern? In Romanen ist immer genau an dieser Stelle Schluß. Wenn's richtig interessant wird, wenn der Alltag der Liebe beginnt, werden die Dichter seltsam wortkarg. Auf den letzten Seiten kriegen sich die zwei - man hat es schon geahnt - und fertig. - Aber was kommt dann? Liebe Carmen, lieber Mike! Euer Trauspruch beginnt da, wo die Dichter aufhören: Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ist nicht eifersüchtig, sie prahlt nicht... Ja, das ist wie ein Re- zept, wie eine Anweisung, zumindest sind es gute Ratschläge oder Empfehlungen. Die Bibel scheint nichts davon zu halten, allein auf die Macht der Liebe zu setzen, sich ganz auf den Überschwang der Gefühle zu verlassen - schon gar nicht, wenn man für immer beisammen bleiben will. Die Liebe ist langmütig..., das heißt, ihr müßt selbst etwas hinzutun zu der Liebe, die euch zuerst ergriffen hat! Liebe Carmen, lieber Mike, ihr habt gewiß auch schon Erfahrungen gemacht, mit dieser gegenseiti- gen Liebe, für die wir auch selbst etwas tun müssen? Ihr seid ja doch auch schon ein paar Schritte durch die Zeit hindurchgegangen, die nach dem "ersten Blick" kommt. - Wenn man sich schon eine Weile kennt, dann hat man es sicher nicht nur leicht miteinander gehabt. Verliebtheit allein, hätte da nicht durchgehalten. Ihr habt den Verzicht um des andern willen kennengelernt und seid dadurch nicht ärmer geworden, sondern reicher. So hat eure Ehe, noch längst vor dieser Trauung, ihre erste Bewährungsprobe bestanden. So seid ihr über den Punkt hinaus, wo die Schriftsteller meist am Ende sind. Im Trauspruch, den ihr euch ausgesucht habt, scheint mir nun eine Hilfe zu liegen, zusammen in der Liebe noch weiter zu gehen. Wir kommen damit auch der wirklichen Liebe auf die Spur und damit dem, was wir für unsere Liebe tun können: ...die Liebe ist gütig. Sie ist nicht eifersüchtig, sie prahlt nicht und bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht unschicklich, sucht nicht ihren Vor- teil, sie lässt sich nicht herausfordern und trägt das Böse nicht nach. Ja, das ist eine ganze Menge! Da habt ihr - da haben wir alle, die wir lieben sollen, lieben dürfen - ein Leben lang zu tun! Fast wird es uns ein wenig bange davor. Wer kann das alles aufbringen? Aber euer Vers geht noch weiter: Die Liebe erträgt alles, hofft alles, hält allem Stand. Spätestens hier spüren wir es: Das ist für uns Menschen - und wenn wir uns noch so sehr lieben - einfach zu groß, zu gewaltig! Das können wir nicht...allein. Aber wer soll uns helfen? Beim Lieben und dabei, alles zu tun, was uns möglich ist? Der allerletzte Satz eures Trauspruchs gibt uns den entscheidenden Hinweis: Die Liebe hört nie- mals auf. Das wissen wir doch: Unsere Liebe hört auf, muß einmal enden, spätestens wenn wir von dieser Welt müssen. - Wenn sie aber nicht enden soll....dann muß ein anderen hinter ihr stehen. Wir wissen, wer das ist: Gott ist der Ursprung unserer Liebe. Von Jesus Christus haben wir gehört: Gott ist selbst die Liebe. Und bei ihm, diesem Jesus, können wir lernen, wie die Liebe aussieht, auch die zwischen Eheleuten. Denn dieser Jesus hat uns die Liebe Gottes gebracht und am eigenen Leibe vorgelebt. Und wenn wir sein Leben anschauen, dann werden wir genau das daran ablesen können, was euer Trauvers so ausdrückt: ...die Liebe ist gütig. Sie ist nicht eifersüchtig, sie prahlt nicht und bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht unschicklich, sucht nicht ihren Vorteil, sie lässt sich nicht herausfordern und trägt das Böse nicht nach, erträgt alles, hofft alles... Aber an ihm können wir eben auch sehen, was wir für die Liebe tun können und woher die Kraft kommt, daß wir die große Aufgabe der Liebe doch bewältigen können. Was hat Jesus getan, wenn die Flamme seiner Liebe heruntergebrannt war? Wir hören es immer wieder im Evangelium: Er ist in die Stille gegan- gen, mal in die Wüste, mal auf einen einsamen Berg... Und was hat er dort getan? Er hat gebetet, er war mit Gott allein, er hat ihm gesagt, was ihn beschäftigt hat und - ganz offenbar - hat er dann Hilfe bekommen, daß er weitergehen konnte, weiter lieben konnte... Keiner sage jetzt: Das ist doch aber recht wenig...Beten...in die Stille gehen... Wer es übt, der spürt es schnell und immer wieder: Im Gebet liegt ein ungeheurer Kraftquell, in der Stille kommt uns Gott nah und gute Gedanken, Ent- scheidungen, auch die Stärke neu miteinander anzufangen und einander zu verzeihen... Das weiß ja sogar der Volksmund: In der Ruhe liegt die Kraft! Liebe Carmen, lieber Mike, das möchte ich euch gern von heute mitgeben: Wenn ihr doch auch in eure gemeinsame Zukunft euren schönen Trauspruch mitnehmen wollt, daß ihr ihn immer wieder einmal lest, euch vielleicht einprägt und manchmal vorsagt, vielleicht auch gemeinsam!? Wenn ihr dann wieder an den Punkt gelangt, daß ihr meint, da wird aber doch sehr viel verlangt, dann erinnert euch auch daran, was wir an Jesus über die Liebe lernen: Wenn uns die Liebe schwerfällt, wenn uns die Kraft ausgeht, dann gehen wir in die Stille, holen wir uns im Gebet Hilfe. Wir werden erfahren, daß wir nicht allein sind, daß unsere Liebe immer wieder neu wird, aufgefrischt aus Gottes Liebe. Ich wünsche Euch beiden eine Liebe, die euer ganzes gemeinsames Leben hält und sich in Stille und Gebet immer wieder die nötige Stärke holt. Das können wir für die gemeinsame Liebe tun: Vor Gott kommen, stille sein vor ihm und betend auf ihn hören.