Ansprache zur Goldenen Hochzeit: Eheleute E., 6.5.2001 1. Mos. 12, 2 Liebes Goldenes Brautpaar, liebe Gemeinde! Im Trauungsbuch unserer Kirchengemeinde stehen sie beide mit ihrer Hochzeit auf Seite ...., unter dem ........ W. E. ........... zu Groß-Eichen und M. U., ohne Beruf. Als Trauspruch wurde ihnen von Pfr. W. damals ein Wort aus dem 1. Mosebuch im 12. Kapitel, Vers 2 mit auf den gemeinsamen Le- bensweg gegeben: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. Die meisten von uns haben eine lange Beziehung zu den beiden Goldenen Hochzeitern. Ich darf auch zu denen gehören, die M. und W. E. seit bald 23 Jahren kennen. W. E., damals noch Kirchenvor- standsvorsitzender, war überhaupt der erste Mensch, dem ich in Groß-Eichen begegnet bin, denn er hat ja damals die Bauaufsicht bei der Pfarrhausrenovierung gehabt, als wir in unserem Dorf eingezo- gen sind. Warum ich das betone? Weil wir, die unsere Jubilare kennen, eigentlich doch jetzt die Fra- ge im Herzen haben, stimmt denn das: "Ich will dich segnen...." Hätte ein anderes Wort für diese Feier heute denn nicht besser gepaßt, als gerade dieses - auch wenn es der Trauvers der beiden ge- wesen ist? Denn wir denken doch, wenn wir ehrlich sind, Segen Gottes müßte immer etwas mit schönem, mit leichtem Leben zu tun haben, mit Glück, Gesundheit und Wohlergehen. Und wir wissen doch eben, das ist bei den beiden nicht so gewesen. Im Gegenteil. Wir wollen es einmal so sagen: M. und W. E. haben auch sehr viel auferlegt bekommen. Manche Last mußten sie tragen. Von schwerem Geschick - persönlich und in der Familie - sind sie nicht verschont geblieben. Und manche schwere Stunde, manche Krankheitszeit, viele Ängste und Sorgen mußten bestanden werden und körperliches Leiden und Behinderung werden die beiden wohl auch nicht mehr los, solange Gott ihnen noch Zeit schenkt. Noch einmal also: Paßt das denn: Ich will dich segnen...? Liebe Gemeinde, jetzt könnten wir dieses Wort beiseite legen und sagen: Nein, es paßt nicht. Oder aber, wir räumen auf mit unseren Vorstellungen vom Segen Gottes. Ich möchte das zweite tun. Der erste Mensch, dem Gott dieses Wort zugesagt hat, ist Abraham gewesen. Gott spricht ihm das zu: Du sollst ein Segen sein...und schon beginnt eine Geschichte an Gottes Hand, die Abraham durch einige Höhen, aber alle Tiefen des Lebens führt. Schon bei ihm hätten wir fragen müssen: Stimmt das denn, das er ein gesegneter Mensch war? Und Josef bekommt den Segen Gottes zuge- sprochen. Kurz darauf wird er von seinen eigenen Brüder als Sklave nach Ägypten verkauft. Und die Propheten Gottes fallen mir ein. Ausdrücklich legt Gott seinen Segen auf sie - und dann erleiden sie ausnahmslos das schwerste Geschick! - Wir werden also umdenken müssen: Segen heißt nicht glückliches, unbeschwertes Leben. Segen heißt nicht, alles gelingt, alles ist leicht und fröhlich, was uns begegnet. Segen heißt nicht, immer obenauf, immer gesund, immer ein Lied auf den Lippen. - Was aber heißt Segen? Das kann man ganz wunderbar mit der Geschichte* von vorhin ausdrücken: Wie sagt Gott zu dem, der ihn fragt, wo bist du in meinen Leidenszeiten gewesen: Da habe ich dich getragen! Das ist es! Gott trägt uns. Gott hilft uns. Gott ist bei uns. Er will uns nicht vor schweren Zeiten bewahren, er will uns nicht an Krankheit, Sorge und Leid vorbeiführen, er führt uns hindurch - und wenn wir selbst gar nicht mehr weiterkönnen, dann hebt er uns auf und trägt uns ein Stück. Das ist Segen. So ist es mit Gott und seinen gesegneten Menschen. Aber, wenn Gott zwei zusammenfügt, wenn er seinen Segen in eine Ehe hineingibt, dann kommt noch etwas hinzu. Und das ist hier so ausgedrückt: Auch du sollst ein Segen sein. Wie war denn das bei euch, liebe Jubilare? In den Zeiten, in denen es ihm schlecht ging, sehr schlecht, da hatte sie viel Kraft - und wußte doch oft gar nicht, woher sie kam. Und als sie ganz unten war, von einer Krank- heit erfuhr, die sie so erschreckt hat und sie bis zum Lebensende begleiten wird, da war er auf einmal so stark - und das in einer Zeit großer eigener gesundheitlicher Probleme. Wenn wir das in die kleine Geschichte von vorhin eintragen, dann müßten wir sagen: Nicht nur Gott trägt uns von Zeit zu Zeit auf seinen Armen; er hat uns auch den Partner geschenkt, daß der uns immer wieder einmal durch Wochen oder Monate der Schwäche und der körperlichen oder seelischen Not hindurchträgt. So mag in solcher Zeit dann auch nur eine Spur im Sand zu sehen sein. Einmal ist es dann ihre und ein- mal seine gewesen. Einige Male - besonders in den letzten Jahren - habt ihr das erleben müssen - ich sage: erleben dürfen. Denn das ist nicht nur schwer und leidvoll, wenn wir durch solche Zeiten ge- hen. Das sind auch wunderbare, wenn auch sehr tiefe Erfahrungen. Und hinterher, da möchte man auch und vielleicht gerade solche Zeiten nicht missen. Denn sie bringen zwei, die zusammengehören, nur noch enger zueinander und sie bringen uns nur noch näher an Gottes Hand. Und das ist wirklich seltsam, aber viele hier können es sicher bestätigen: Die besten Ehen, die haltbarsten Verbindungen zweier Menschen sind nicht die, in denen immer alles glatt geht und in denen es nur frohe Jahre gibt. Die besten Beziehungen zwischen zweien, die sich liebhaben, sind vielmehr die, in denen auch Kummer und Sorgen umeinander, Krankheits- und Leidenszeiten zu bestehen sind. Wir wachsen in diesen Zeiten zusammen. Wir spüren nur noch deutlicher als sonst, was wir aneinander haben. Wir sind ganz aufeinander angewiesen und siehe da, wir kriegen die Kraft, die wir dann für den anderen brauchen. Und was für die Ehe gilt, das gilt auch für unser Verhältnis zu Gott: Wir entdecken ihn erst in der Tiefe unserer leidvollen Zeit so richtig. Wenn wir schwach sind und uns fast aufgegeben haben, dann wird Gott stark. Es ist zwar hart dann, aber es ist doch seine väterliche Hand, die uns so weit hinun- terführt. Aber wenn wir dann beten, dann mit Gott sprechen, haben wir die schönsten, wertvollsten Erfahrungen gemacht. Denn Gott hört. Wenn wir ganz unten sind, dann zieht er uns empor. Wenn wir keinen Weg mehr wissen und wie es noch weitergehen soll, dann zeigt er uns den Weg. Und er geht mit uns allemal ein Stück - oft auch hat er uns dabei auf seiner Schulter. - Sperrige Gedanken sind das, besonders für jene, die noch nie in dunkle Stunden geraten sind. Aber vielleicht doch gut zu wissen, daß wir dann nicht allein sind, daß uns dann einer in seinen gütigen Augen hat und uns hilft. Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. Dieses Wort hat aber noch eine ganz andere Seite. Von der will ich jetzt reden. Und sicher haben manche von uns schon darauf gewartet, daß ich sie anspreche. Hier haben sich ja doch auch zwei Menschen für andere, besonders für ihre Kirchenge- meinde eingesetzt. Und sie sind auch da ein Segen gewesen und sind es noch. Jahrzehntelang war W. E. im Kirchenvorstand und hat das Spendengeld der Gemeinde verwaltet. Ich erinnere mich gern und sehr dankbar, wie er sich in diesen Aufgaben eingebracht hat. Aber ich will jetzt beileibe nicht nur ihn loben. Einmal hat er ja auch hierzu die Kraft nicht aus sich selbst gehabt, sondern von oben geschenkt bekommen. Zum anderen aber war doch auch die Frau da, die das alles mitgetragen hat: Manchen Abend hat er über den Büchern gebrütet und sie hätte doch gern mehr von ihrem Mann gehabt. Oft war er in Kirchenangelegenheiten unterwegs und sie hätte doch viel- leicht gern etwas mit ihm unternommen. - Was da herausgekommen ist, war ein großer Segen für unsere Kirchengemeinde, für den wir alle dankbar sind. Aber da ist ja noch der Seniorennachmittag! Der ist ohne E.'s gar nicht vorstellbar. Als es vor Jahren so aussah, daß W. E. nicht mehr weitermachen kann, da haben wir schon einen Nachfolger für diese Aufgabe gesucht. Aber wir haben keinen gefunden, was sicher bezeichnend ist. Gott sei Dank konn- te er dann - nach der Sommerpause - doch wieder weitermachen. Und sie? Jahrelang hat M. E. uns im Seniorenkreis mit Kaffee und Kuchen bedient und auch hinterher aufgeräumt, gespült...alles Ar- beiten, die wir Kreisbesucher gar nicht mehr so wahrnehmen. Auch hierfür unseren ganz herzlichen Dank! Seit diesem Jahr ist jetzt zwar offiziell nur noch W. E. tätig, aber sie kann es ja doch nicht las- sen! Habe ich sie nicht erwischt, wie sie beim letzten Mal wieder Teller und Tassen zusammenge- stellt hat?! Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. Ich finde, das ist wahr geworden: Von Gott her, füreinander in der Ehe, aber auch für so viele andere Menschen in unserer Gemeinde und in unserem Dorf. Was ich noch so bemerkenswert und irgendwie auch wunderbar finde: Wir andere haben an den bei- den erfahren, daß der Segen Gottes eben nicht unsere Kräfte braucht, sondern Gottes Kraft. Ist das nicht verheißungsvoll? Keiner kann sich also herausreden, wenn er den Segen Gottes in seiner Ehe oder seinem Leben bewähren soll. Und niemand ist zu schwach, zu unbegabt, daß er nicht auch zum Segen für seine Mitmenschen werden kann. Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. Ich möchte Euch noch lange Zeit dafür wünschen, füreinander Gottes Segen wahr zu machen. Ich wünsche Euch, aber auch uns allen, daß aus Eurer Ehe auch noch so manches Jahr Segen für uns alle fließt. AMEN Diese Geschichte wurde in der kirchlichen Feier als "Schriftlesung" gelesen: Die Spur Ein Mann hatte einen Traum. Er träumte, daß er mit Gott an einem Strand entlang spazierenginge. Am Himmel zo- gen Szenen aus seinem Leben vorbei, und für jede Szene waren Spuren im Sand zu sehen. Der Mann bemerkte manchmal zwei Spuren und manchmal nur eine Spur. Er bemerk- te weiter, daß sich zu Zeiten größerer Not nur eine Spur zeigte. Deshalb fragte er den Herrn: »Herr, ich habe bemerkt, daß zu den traurigsten Zeiten meines Lebens nur eine Spur zu sehen ist. Du hast mir aber versprochen, stets bei mir zu sein. Ich verstehe nicht, warum du mich da, wo ich dich am nötigsten brauchte, allein gelassen hast!« Da antwortete ihm Gott: »Mein Freund, in den Tagen, in denen du am meisten gelitten hast, mich am nötigsten gebraucht hast, da, wo nur eine Spur im Sand zu sehen war, da habe ich dich getragen.« Verfasser unbekannt