Traupredigt für Daniela und Karl-Heinz R. 1. Kor. 16,14 Liebe Daniela, lieber Karl-Heinz! Einen ganz kurzen aber sehr schönen Vers habt ihr euch für diese Stunde und für euer ganzes gemeinsames Leben ausgesucht. Und beherzigenswert ist er auch. So heißt euer Trauspruch: Alle eure Dinge laßt in der Liebe geschehen! Ein schöner Vers, ganz gewiß. Trotzdem wird mancher jetzt denken: "Liebe" - die empfinden die beiden doch ohnedies. Wären sie sonst schon so lange zusammen. Und wären sie sonst am Donnerstag zum Standesamt gegangen? Und vielleicht denkt der eine oder die andere darüber hinaus: Müßte hier in der Kirche jetzt nicht noch etwas anderes empfohlen werden als immer wieder die Liebe, an der es den beiden doch gewiß nicht mangelt? - Was meinen wir meist, wenn wir von "Liebe" reden? (- und man darf ruhig - auch in einer Kirche - davon sprechen!) Wir meinen die Anziehung z.B., die seit Evas und Adams Zeiten zwischen Mann und Frau besteht und die eine wunderbare Gabe Gottes ist. Auch die "Verliebtheit" meinen wir, wenn uns einer oder eine den Kopf verdreht hat, wir wie auf Wolken gehen und der Himmel voller Geigen hängt. Und wir meinen die schönen Stunden miteinander, die Zeiten am Anfang unserer Beziehung, wenn der andere noch so neu ist und überraschend, wenn wir die berühmte "rosa Brille" noch auf der Nase haben und wenn wir uns geradezu überschlagen, dem anderen eine Freude zu machen, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen, und wenn wir für ihn oder für sie noch bis zum Nordpol gehen würden - oder doch wenigstens bis Venedig oder Paris. Vielleicht meinen wir noch dies und das, wenn wir über die Liebe reden. Vorhin hieß es: "An Jesus Christus habt ihr ein gültiges Beispiel für die Liebe!" Der Mann, dem wir das Beispiel für die rechte Liebe verdanken, der meint nichts von dem, was wir meinen! Nicht, daß er die Liebe, die wir eben beschrieben haben, nicht kannte. Aber er wußte, wie flüchtig sie ist, wie vergänglich und darum wie gefährdet eine Beziehung, die sich nur darauf verläßt. Er meinte die Liebe, die dauert, die bleibt, die nicht vergeht, die trägt und hält - jeden Menschen für sich und auch zwei, die ihr Leben miteinander verbringen wollen. Er hat von der Liebe gesprochen, die auch hier gemeint ist: Alle eure Dinge laßt in der Liebe geschehen! Von dieser Liebe soll alles, was wir tun, bestimmt sein. Dann kann unser und dann wird euer Leben gelingen. Die andere "Liebe", die wir nun einmal mit dem selben Wort bezeichnen, kann das nicht. Ist es nicht so (auch darüber darf und muß man reden): Die Anziehung zwischen zwei Menschen wird geringer im Laufe der Jahre. Die Verliebtheit läßt naturgemäß nach. Der Wolkenteppich, über den wir schreiten, wird dünner und härter mit der Zeit. Die Baßgeigen am Himmel schweigen. Manchmal ist das Leben ja auch Kampf und Mühsal - und nicht nur wenn wir an unser Leben mit den anderen Menschen denken. Auch mit uns selbst haben wir's zuzeiten schwer und mit unserem Partner auch. Wenn die trüben Tage kommen, beschlägt die rosa Brille. Dem Menschen, für den wir einmal die Sterne vom Himmel holen wollten, schenken wir dann kaum noch unser Herz. Wo wir einmal - wer weiß wie weit - für ihn gegangen wären, schaffen wir jetzt kaum den Weg vor ihn hin. Und das lösende Wort des Verzeihens bringen wir nicht mehr heraus. Alle eure Dinge laßt in der Liebe geschehen! Wahrhaftig, hier ist etwas ganz anderes gemeint! "Liebe, im Sinne Jesu Christi kann unserem Leben Hilfe und Richtung geben", so habe ich vorhin gesagt. Ich will diese Liebe, von der euer Trauspruch redet, noch ein wenig genauer beschreiben: Diese Liebe fragt nach dem anderen. Ob der Partner mich nun noch so anzieht und betört, wie am Anfang... Ich habe einmal Ja zu ihm gesagt. Ich habe mich ihm versprochen. Ich wollte ihn glücklich machen. - Hier kommt Verantwortung in die Beziehung hinein und Treue und Verläßlichkeit. So wie eben Jesus nicht um seiner selbst willen geliebt hat, sondern um der anderen willen und wie er treu und verläßlich war (und ist). Diese Liebe ist kein Gehen auf Wolken, sie verdreht uns nicht den Kopf. Im Gegenteil! Sie läßt uns geradeaus auf den Partner sehen und zeigt uns auch seine Fehler und seine Schwächen - aber in seinem Gesicht auch unsere eigenen! Und sie läßt uns behutsam und barmherzig miteinander umgehen. Da wird einer den anderen nicht zurechtbiegen wollen und zu dem machen wollen, wie wir uns unseren Partner vorstellen. Die Liebe, die Jesus zu uns hat und uns zum Beispiel macht, läßt uns verständnisvoll aufeinander blicken, Geduld miteinander haben und einander helfen. Diese Liebe weiß nämlich etwas davon, daß wir selbst ja auch unsere Schattenseiten und unsere Mängel haben. Selbst wo wir einmal in Schuld voreinander fallen, kann diese Liebe noch zu einem neuen Anfang finden. Da wird sie dann zum befreienden, lösenden Wort der Vergebung. So nimmt unsere Liebe Maß an der Liebe Jesu Christi, die nicht die Gerechten und in ihrem Verhalten perfekten Menschen gesucht hat, sondern die Schwachen, die Unsicheren, die Verängstigten, Hilfsbedürftigen und mit Schuld Beladenen. Seine Liebe hat Menschen frei gemacht und froh. Bei ihm konnten sie aufatmen und den Kopf wieder oben tragen. Und seine Liebe hält nicht nur in den schönen Stunden. Sie kann auch Lasten tragen und kommt auch durch steile Wegstrecken und dunkle Zeiten des Lebens hindurch. Sie kann das, weil sie nicht allein von dem lebt, was in uns selbst ist. Diese Liebe bezieht ihre Kraft, ihre Ausdauer, ihre Beharrlichkeit direkt aus der noch viel größeren Liebe, mit der wir als seine Leute immer umgeben sind. Das ist Menschen, die mit dieser Liebe noch keine Erfahrung gemacht haben, schwer zu erklären. Aber, es ist doch so: Verliebtheit vergeht. Alle Liebe, die wir selbst aufbringen können, zehrt sich irgendwann auf. Für die schweren Zeiten hat sie schon gar keine Reserven. Die Liebe Jesu aber wächst uns immer wieder neu zu. Sie fließt nach, sozusagen. Sie ergänzt immer wieder mindestens das, was wir an Liebe zum Partner und zu unseren Mitmenschen ausgeben - und wer Erfahrung mit ihr hat, der weiß, sie ist eine solch überströmende Quelle...wir können ihre Fülle ein Leben lang nicht ausschöpfen! Aber was rede ich. Man muß es ausprobieren! Alle eure Dinge laßt in der Liebe geschehen! Liebe Daniela, lieber Karl-Heinz! Ich wünsche euch beiden heute von Herzen, daß die Anziehung die ihr zwischen euch spürt, euch ganz lange erhalten bleibt. Ich wünsche euch, daß die Verliebtheit viele Jahre noch vorhält. Ich wünsche euch viele frohe, schöne, erfüllte Stunden miteinander und daß der Wunsch, dem anderen Freude zu machen, euch allezeit bestimmt. Viel mehr aber wünsche ich euch die Liebe Jesu Christi zueinander, die euer Trauspruch meint: Die Liebe, die zuerst nach dem anderen fragt. Die Liebe, zu der auch Verantwortung und Treue tritt. Die Liebe, die den anderen und sich selbst ganz nüchtern sehen kann und die dann Verständnis hat und Geduld, Behutsamkeit und Hilfe, Barmherzigkeit miteinander und schließlich Vergebung. Und ich wünsche euch Liebe, die aushält, wenn die Zeiten zusammen einmal schwer werden und dunkel. Alle eure Dinge laßt in der Liebe geschehen! An Jesus Christus habt ihr ein gültiges Beispiel für die Liebe, die ein Leben lang hält und trägt. - Und wir anderen auch! Die Predigt wurde gehalten von Pfr. Manfred Günther, Lohgasse 11, 35325 Mücke/Groß-Eichen