Predigt zur Silbernen Konfirmation - 10.6.2001 Predigt zu einem Bild von Willy Fries, "Das große Gastmahl" (Um das Bild zu sehen, zurück auf Archiv-Seite und auf das Icon zu "Silberne Konfirm. 5" klicken!) Liebe Silberne Konfirmanden, liebe Gemeinde! Das Bild, das sie in Händen halten, hat mir ein Kollege geschenkt. Er hat mich dabei gefragt: "Wie findest du das?" Ja, wie finde ich das Bild? - Es ist wohl nicht besonders schön, sicher nicht. Eher etwas düster und vielleicht sogar abstoßend. Aber es hat eine Botschaft und es kann zum Nachden- ken anregen. Aber lesen wir erst einmal die Geschichte zu diesem Bild. Sie steht im Evangelium des Lukas im 14. Kapitel. Textlesung: Lk. 14, 16 - 24 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe ei- nen Acker gekauft und muß hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist gesche- hen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, daß mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, daß keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird. Das Bild gibt uns keine Chance, die Geschichte in ein fernes Damals abzuschieben. Es sind Men- schen unserer Tage, die da an den Tisch des Herrn treten. Ja, er selbst trägt auch ein Hemd und ei- nen Haarschnitt, der ihn als einen Mann unserer Zeit ausweist. Und wenn wir noch die vielen Gestal- ten hinten ansehen, die uns den Rücken zuwenden... solche Hüte hat man nicht gehabt, als Jesus über diese Erde ging. - Heute also spielt die Einladung und das Mahl, zu dem wir gerufen sind. Selbst noch auf der schlechten Wiedergabe, die sie in Händen halten, kann man erkennen, was das für Leute sind, die dem Ruf an diesen Tisch folgen: Menschen mit Krücken und Gebrechen, Nackte, Hungernde und Abgemagerte, Elende und ganz offensichtlich Arme, Menschen unterschiedlicher Rassen und Hautfarben, Frauen und Männer, Alte und Junge... Eines aber scheint diese Menschen alle zu verbinden: Sie sind gern gekommen, sie sitzen jetzt mit Freude hier und die anderen, die noch nicht sitzen, eilen auf den Tisch zu, fast meint man die Angst zu spüren, sie könnten zu spät kommen und es könnte kein Platz mehr sein... Soweit ist das ja nur eine Übertragung der Geschichte in unsere Zeit. Da sind die Krüppel, die Blin- den, die Lahmen, die Heimatlosen, die Außenseiter unserer Tage. Sie sind gekommen, wo die zuerst geladenen Gäste abgesagt haben. Ganz anders ist das mit den Menschen im Hintergrund. Das ist nicht mehr nur der Mann, der seinen Acker besehen muß, oder der andere, der fünf Gespanne Och- sen gekauft oder geheiratet hat. Zu einer richtig großen Schar sind diese Menschen geworden, die das Mahl und die freundliche Einladung ausschlagen. Und sie sind auch nicht wirklich beschäftigt - so wie sie es doch vorgegeben haben - sie sind auch nicht fern geblieben, weil sie doch etwas ande- res zu tun gehabt haben... Sie stehen direkt dabei, wenn die andern feiern, nur haben sie sich abge- wandt, blicken lieber in den aufgehenden Mond oder in den weiten Horizont. Wir fragen uns jetzt si- cher, ob das Hochmut ist, weshalb sie wegschauen? Oder interessiert sie das nicht genug, was da in ihrem Rücken vorgeht? Vielleicht möchten sie sich ja auch an diesem Tisch nichts schenken lassen. Oder alles zusammen trifft zu und beim einen mehr dies, beim anderen stärker das. Was mir jeden- falls noch auffällt an diesen dunklen Menschen im Hintergrund: Nicht einer steht wirklich richtig ne- ben dem anderen. Jeder auf seinem Platz - und bis zum Nächsten ist es ein Stück. Das müssen schon ziemlich eigenbrötlerische Menschen sein, eigensinnig, ichsüchtig, nur auf sich selbst ausgerichtet: Leute, die nur um ihren eigenen Nabel kreisen, die sich selbst genug sind, die niemanden brauchen und ganz gut allein zurechtkommen... Schauen sie doch nur: Alle anderen sind auf eine Mitte ausgerichtet, Jesus und der Tisch, der für alle gedeckt ist... Die da hinten aber haben alle ihre eigene Richtung, sie stehen nebeneinander, ohne jede Beziehung, keiner schaut nach dem anderen, jeder für sich. Liebe Silberne Jubilare, liebe Gemeinde, ich denke, sie haben das jetzt alle gemerkt - oder sagen wir besser - gespürt, was an diesem Bild so düster ist, so beklemmend, fast schmerzhaft: Daß es so wahr ist. Es überträgt die Geschichte Jesu vom großen Gastmahl sehr treffend in unsere Tage. Es bringt sie sozusagen auf den Punkt: So wie wir es hier sehen, geht die Scheidung durch unsere Zeit, jeden- falls was unseren Glauben, unser Christentum angeht: Da sind die einen, die Jesu Gemeinschaft und die Beziehung untereinander suchen. Menschen, die begriffen haben, daß sie nur bei Jesus gesund, heil, satt und froh werden können. Und da sind die anderen, die meinen, gut allein auszukommen, sie haben keine anderen Menschen nötig und keinen Herrn, der ihnen etwas schenkt oder abnimmt, was sie quält. Und da bemerken wir jetzt auch noch das, was uns bisher entgangen ist oder was wir nicht so beachtet haben: Die Men- schen im Hintergrund sind durchweg reich, gut situiert, sie haben keinen Mangel, jedenfalls äußer- lich nicht. Das sehen wir an den Hüten und der Linie der Kleidung, die sie tragen. Und ich finde, auch hierbei hat der Künstler gut beobachtet: Es sind wirklich eher die Betuchten, die besser Gestell- ten, die in Luxus und Wohlstand leben, die sich von Jesus und seiner Sache abgewandt haben. Und mir fällt dabei die andere Geschichte ein, die ich uns vorhin als Schriftlesung gelesen habe: Die vom Reichen Jüngling(Mt. 19,16-26). Und ich frage sie: Ist das nicht wirklich schwieriger für reiche Leute und ganz offensichtlich seltener bei ihnen, daß sie an den Tisch und die Gemeinschaft Jesu fin- den. Nur fragen wir uns dann auch weiter: Wer sind denn "die Reichen" in unseren Tagen? Und: Gehören wir nicht am Ende dazu? Vom Reichen Jüngling hieß es: "Denn er hatte viele Güter." Ha- ben wir die nicht auch. Jeder und jede von uns? Sind wir also nicht auch zumindest in Versuchung, es den dunklen Gestalten dieses Bildes gleichzutun, uns abzuwenden von ihm, von seiner Sache, von der Gemeinschaft mit denen, die zu ihm gehören? Und - noch deutlicher - haben das nicht auch man- che von uns schon vollzogen, mehr oder weniger, schon lange oder erst vor kurzem, weil es halt so eingerissen ist - oder auch mit voller Überzeugung? Und endlich dies - und wir müssen auch da das Bild ernst nehmen: Die Menschen, die sich abgewandt haben, sind gar nicht ganz weit weg... Sie stehen direkt hinter dem Tisch Jesu, sind sozusagen in der Gemeinde, sind in der Kirche, haben gar teil am Gottesdienst und dem Leben der Gemeinde...wenigstens äußerlich. Nur ihr Herz ist abge- wandt von ihm und seinen Leuten. Ihre Seele gehört anderen Interessen. Ihr Sinn ist auf anderes, auf das Eigene gerichtet. Für die Mitmenschen sind sie stumpf und unempfänglich geworden. Liebe Gemeinde, dieses Bild hat auch gute, schöne, helle, hoffnungsvolle Züge. Und die will ich jetzt besprechen: Was uns eben vielleicht erschreckt hat, daß die Menschen, die sich innerlich aus der Gemeinde verabschiedet haben, ganz nah sind, ist auf der anderen Seite ja auch sehr verheißungs- voll! Im Bild gesprochen: Sie müßten sich doch nur umdrehen! Dann würden sie Jesus sehen. Dann hätten sie die Mitte gefunden, seinen Tisch, seine Gemeinschaft, die Sache, für die es sich wirklich zu leben lohnt. Da hätten sie Freude und Freunde, da würden sie ihre Einsamkeit und ihre Schulden los. Und diese Menschen wissen das doch auch, was sich da in ihrem Rücken abspielt: Sie mögen ja blind sein, aber doch nicht taub und ohne Empfindung: Sie hören gewiß das "Danke" der Menschen, die bei Jesus frei werden und heil. Die allgemeine Begeisterung hinter ihnen, muß doch an ihr Ohr dringen: Der Jubel der Geheilten. Der Lobpreis der Gesundeten. Die Fröhlichkeit derer, die in Jesus schon Frieden, Fülle und Sinn gefunden haben. Das Jauchzen, das Singen, das unbeschwerte Feiern. Liebe Gemeinde, ich weiß ja nun nicht, wohin auf diesem Bild sie gehören. In die tiefsten Tiefen ei- nes Herzens kann nur Gott schauen. Aber ich weiß und sie wissen ganz tief in ihrem Herzen, daß dieses Bild die Wahrheit vor unsere Augen bringt und uns zu einer Entscheidung führen möchte. Und ich weiß, was ich jedem und jeder von uns mit diesem Bild vor Augen wünschen möchte: Denen im Hintergrund wünsche ich, daß sie sich umdrehen, neu oder zum ersten Mal nach Jesus schauen und nach seinem Tisch und seiner Gemeinde. Dort allein ist das wahre Leben zu finden, Gemeinschaft, die froh macht und frei. Denen, die schon an seinem Tisch sitzen, schon mit ihm und durch ihn leben, wünsche ich, daß sie dort bleiben können und immer neu die Freude und die Kräfte in seiner Nähe erfahren. Und noch eines möchte ich hinzufügen: Laßt doch die Freude, den Jubel und den Dank in der Gemeinschaft Jesu noch viel lauter klingen als bisher. Das würde es den Men- schen, die der Gemeinde den Rücken zuwenden, sicher leichter machen, sich endlich umzudrehen!