Dialogpredigt zur Konfirmation - 2.5.1999 (zu halten vom Pfarrer, der Pfarrerin und einem Gemeindeglied) (Um die zwei Bilder zu sehen, zurück auf Archiv-Seite und auf das Icon zu "Konfirmationspr.5" klicken!) G: Liebe Konfirmanden, liebe Eltern, liebe Paten, liebe Gemeinde! Ich möchte gern bei dieser Konfirmation mit Ihnen 2 Bilder betrachten und ihren Sinn bedenken. Das erste zeigt uns einen Kopf ohne Gesicht... T: Ein schreckliches Bild ist das! Was da anstelle des Gesichts zu sehen ist - das ist doch so ein Ding, was sonst auf den Waren im Supermarkt klebt? G: So ist es. "Balken-Code" nennt man das. T: Aber das gehört doch nicht über den Kopf eines Menschen! G: Eigentlich nicht... T: Wenn Sie's auch sagen...was soll denn das dann darstellen? Menschen sind doch keine Waren! Man kann sie doch nicht kaufen und verkaufen! G: Eigentlich nicht. Aber es gibt in dieser Zeit Entwicklungen... T: Sagen Sie bloß: Entwicklungen, daß der Mensch käuflich wird und bezahlbar wie eine Ware!? G: Ist es nicht so? Was tun wir einander denn noch, ohne daß Geld oder irgend eine Bezahlung im Spiel ist? Selbst die Liebe, die Hilfe, die Treue von Menschen wird heute gekauft und verkauft! T: Aber es gibt doch auch andere Beispiele! Die echte Liebe von Ehepartnern oder von Eltern zu ih- ren Kindern und die Zuneigung und Pflege von Kindern zu ihren altgewordenen Müttern und Vätern und... G: Natürlich gibt's das, Gott sei Dank! T: Aber, dann gibt's doch keinen Grund, solch ein scheußliches Bild zu zeichnen, mit solch einem Ding über dem Gesicht! G: Vielleicht will uns der Zeichner warnen? T: Aber das lädt doch nicht ein, hinzusehen. Das ist doch nur abstoßend! G: Gerade deshalb könnte es uns warnen: Paß auf, daß du nicht käuflich wirst und wie eine Ware. Paß auf, daß du deine Zuneigung frei und gern verschenkst und nicht danach schielst, was du dafür bekommst. Sieh zu, daß in dein Denken und Handeln nichts von dem hineinkommt, etwas für Geld oder für Vorteile zu tun. - Bleib' ein Mensch! T: Gut. Wenn das der Zeichner gemeint hat? - Aber mir gefällt das Bild immer noch nicht. Es ist nicht schön. G: Dabei ist das noch nicht einmal alles, was uns das Bild sagen kann - und nicht das wichtig- ste...und auch nicht das schlimmste! T: Was denn noch? Was könnte noch schlimmer sein, als daß ein Mensch zur Ware wird? G: Wenn er eben - wie auf dem Bild - kein "Gesicht" mehr hat! Wenn einer oder eine ist wie der oder die andere. Wenn also - sozusagen - jeder so ein "Ding" über dem Kopf hat. T: Dann könnte man ja keinen mehr vom anderen unterscheiden! G: Alle wären zu verwechseln...austauschbar: Dieselben Gedanken, dieselben Ansichten, dieselben Gefühle... T: Aber soweit ist es doch wirklich noch nicht! Sieht das der Zeichner nicht zu schwarz? Und gerade die jungen Leute - wie unsere Konfirmanden - die wollen doch eigene unverwechselbare Menschen sein! G: Das stimmt! Gerade in diesem Alter ist das wichtig, daß man zu sich selbst findet, ein eigener Mensch wird... T: Na also! G: Aber die Gefahren sind auch heute so groß, daß es nicht gelingt! T: Daß alle am Ende gleich werden, mit denselben Meinungen, demgleichen Denken... G: ...und denselben Zielen, für die man lebt und arbeitet. T: Was für Ziele? Da müssen Sie schon auch Beispiele nennen! G: Nehmen wir so einen Konfirmanden oder eine Konfirmandin - wie viele Pläne hat man noch, wie viele Träume. Was möchte man noch alles erreichen, was geht einem auch die Not der Armen und Zukurzgekommenen in der Welt noch so nah! T: Und Sie meinen, daß wäre später nicht mehr so? Wie kommt denn das? G: Sehr leicht kommt das - und so, daß man es meist gar nicht merkt! T: Was tritt denn nun an die Stelle der Pläne und Träume? G: Ich kann es mit einem Wort sagen: Der Konsum! T: "Konsum" - was heißt das? G: "Konsum" - das ist: Was alle haben. Was alle wollen. Was alle sehen. Was alle denken...und so weiter. T: Das verstehe ich immer noch nicht. Wie sieht das denn praktisch aus - so im Leben - ja, vielleicht der Konfirmanden? G: Gut. Aber mein Beispiel trifft natürlich nur ganz allgemein. Bei jedem einzelnen ist das dann an- ders...aber ähnlich! T: Nun machen Sie's nicht so spannend. G: Ein junges Mädchen will vielleicht in diesem Alter noch Krankenschwester werden, ein junger Mann strebt einen sozialen Beruf an. Nur ein paar Jahre später finden wir sie im Büro eines kleinen Betriebs und ihn in einer kleinen Baukolonne, wo er im Frankfurter Raum Siedlungen aus Fertigtei- len hochzieht... T: Und Sie meinen: Nur des Geldes wegen? G: Warum sonst? In den sozialen Berufen wird nicht gut verdient. Irgendwann standen die Wünsche nach Konsum und die Bedürfnisse nach Komfort und diese oder jene Anschaffung gegen die frühe- ren Pläne und Träume. T: Und der Konsum hat gewonnen? G: In meinem Beispiel schon. Meist gewinnt er! T: Aber es können doch nicht alle Krankenschwester oder Sozialarbeiter werden! G: Sicher nicht. Aber alle gehen einmal davon aus, daß dem Menschen dienen, mit anderen Men- schen arbeiten, ihnen helfen, sie pflegen oder ihnen sonstwie Gutes zu tun, wichtiger ist, als ein dik- kes Auto zu fahren, einen Computer zu haben und eine Satellitenschüssel auf dem Dach. T: Und alle geben dann einmal auf, wovon sie ausgingen? G: Alle nicht. T: Aber Sie sagten auch: Konsum wäre, was alle "denken". G: Wenn alle - oder halt die meisten - dasselbe haben, dasselbe erstreben und ersehnen, dann denken sie auch irgendwann alle gleich: Daß sie nur ja dieses und jenes noch erreichen, sich dies noch kau- fen können und das noch anschaffen...und dann kommt die Angst! T: Angst auch noch? G: Ja, die Angst, es könnte ihnen einer nehmen, was sie erworben haben oder sie könnten es ir- gendwann verlieren. Das kann einen dann sehr beschäftigen... T: So, daß wirklich keine Zeit mehr bleibt für die alten Träume und Ziele. G: Für die anderen Menschen und was sie brauchen und was wir von der Kirche und der Gemeinde ihnen auch einmal geben wollten, damals als Konfirmand, als junger Mensch...vor vielen Jahren. T: Da kann man ja ganz traurig werden. - Muß das denn so gehen? Es gibt doch auch Menschen, die haben nicht...so ein Ding vor dem Kopf! Die sind irgendwie einmalig, unverwechselbar. G: Ja, die gibt es. Und die haben mit dem zweiten Bild zu tun, das ich mitgebracht habe. T: Ein Fingerabdruck...und wenn man genau hinschaut, sieht man ein Gesicht darin. G: Für mich ist es der genaue Gegensatz zum anderen Bild. T: Jeder Fingerabdruck ist ja einmalig! G: Und so soll der Mensch auch sein. Keinen soll es ein zweites Mal geben. Jeder einzig - eine Per- sönlichkeit. T: Aber wie wird man so? G: Ich glaube, wir sind alle einmal so. Wir dürfen davon ausgehen. Das hat mit Gott zu tun, mit un- serer Taufe, mit unserem Glauben...und mit der Konfirmation. T: Das ist aber viel auf einmal. Der Reihe nach, bitte! G: Ich denke mir, das ist Gottes Fingerabdruck, den jeder Mensch trägt. Er hat uns gemacht und je- den einmalig, besonders...wertvoll. Und wie sein Finger einzig ist, so ist es auch unser Gesicht, unse- re Züge. T: Und die Taufe? G: Da sagt uns Gott das auch noch zu: Ich habe dich gemacht, dich gewollt. Du bist mein einzig ge- liebtes Kind. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. T: Und der Glaube? Welche Rolle spielt er dabei? G: Der Glaube - ist sozusagen die Entscheidung, die ich treffe. Will ich so oder so sein, Balken- Code oder Fingerabdruck, Leben im Konsum oder für Gott und die Menschen. T: Und die Konfirmation schließlich ist die Zeit, in der diese Entscheidung getroffen wird? G: So etwa. Beim einen früher, beim anderen später. T: Dann ist das ja heute für die jungen Leute ein ganz wichtiger Tag!? G: Ein Tag der Entscheidung sozusagen. T: Da kann man ja fast auch Angst kriegen - wenn das heute so bedeutungsvoll ist! Gibt's denn keine Hilfe bei der Entscheidung? G: Gewiß! Derselbe, dessen Fingerabdruck wir sein sollen, der will uns auch helfen! T: Gott? Wie sieht das im Leben aus? G: Die Gemeinde ist die Gemeinschaft, die helfen kann! Es gibt viele Angebote... T: Sie meinen, die Jungen und Mädchen sollen zum Gottesdienst gehen? G: Auch. Es wird dabei immer wieder einmal ein Wort zu hören sein, das ihnen die Richtung zeigt. Sicher nicht jedes Mal, aber von Zeit zu Zeit. - Aber es gibt bei uns auch viele Kreise und Gruppen... T: Bibelabend zum Beispiel? G: Ja. Aber auch die Mitarbeit bei einer Jungschar für Kleinere kann sehr viel geben. T: Aber man kann sich doch auch mehr im persönlichen Bereich um ein christliches Leben bemühen. Vielleicht sogar, ohne je in der Kirche gesehen zu werden? G: Das letzte kann ich mir nicht vorstellen! Christlich leben hat immer etwas mit Gemeinschaft zu tun. Zuhause, ohne die Herausforderung durch die leidenden Mitmenschen, werde ich schnell zu ei- nem...na, wie der mit diesem Ding vor dem Gesicht! T: Dann geht es also darum, unter die Menschen zu gehen und die Aufgaben an ihnen wahrzuneh- men? G: Und - was noch wichtiger ist - es geht darum, sich bei Gott immer wieder den Anstoß dazu zu holen: In der Predigt, im Gebet, aus dem Wort der Bibel und nicht zuletzt durch die Not der Men- schen, die wir in der Gemeinde sehen und erfahren. T: Das ist wirklich ein ganz anderes Leben, als es einer mit diesem Ding vor dem Kopf führt! G: Ein gutes Leben ist das, eines das erfüllt ist und Freude macht! T: Eins, in dem jeder wichtig ist, unverwechselbar, einzig... G: Genau wie man es sich im Konfirmandenalter wünscht und erträumt! T: Und man kann sich noch dafür entscheiden. Alles ist noch offen! - Übrigens: Es sind ja doch auch viele Ältere hier. Ist es denn einmal zu spät für diese Entscheidung? Wenn einen das, was Sie "Kon- sum" nennen, erst in den Klauen hat, gibt's dann kein Zurück mehr? G: Es ist sicher schwerer dann! Aber es ist möglich. Man muß es wollen. Wirklich wollen! T: Dann kann man von so einem Menschen - wie auf dem ersten Bild - wieder zu einem Fingerab- druck Gottes werden? G: Man kann! Ich glaube es fest! Ich kehre dann sozusagen zurück zu meiner Taufe und dem, was mir Gott damals gesagt hat: Du bist mein Kind. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! T: Wann, bei welcher Gelegenheit könnte das denn geschehen? G: Heute zum Beispiel! T: Sie meinen: Auch für uns andere hier, heute morgen, ist diese Entscheidung gestellt: So ein Ding vor dem Gesicht - oder Fingerabdruck Gottes? G: So ist es. Und ich glaube, wenn wir Gott nur recht bitten, wird er uns dabei helfen, daß wir sol- che unverwechselbaren Menschen werden können. T: Es ist nicht zu spät? G: Es ist nicht zu spät - für ein reiches, erfülltes, sinnvolles Leben! T: Was für ein wichtiger Tag - heute!