Predigt zur Kirchweih - 19.6.2001 Es sind wenige Anlässe im Jahr, an denen ich hier oben sprechen soll, die mir ähnlich viel Mühe machen wie das Fest der Kirchweih. Und das liegt nicht nur daran, daß dieser Gottesdienst heute mitten in der Woche liegt - nachdem ich ja schon am Sonntag zweimal zu predigen hatte. Und das kommt auch nicht daher, daß mir nichts einfiele, über das ich predigen könnte. Im Gegenteil. Ich weiß aber, daß Sie mit ganz bestimmten Gefühlen und Erwartungen heute morgen in die Kirche gekommen sind: Sie möchten hier etwas über Ihre Kirche hören, über die Gemeinde, über die Freude, daß wir diesen Ort haben zum Beten, Loben und Singen. Es überwiegen sicher frohe Gedanken: Wie gut, daß wir eine Kirche haben! Wie schön auch, daß es bei uns noch diesen Kirchweihdienstag gibt, mit Gottesdienst und auch kirchlichem Bezug, eine ehrwürdige alte Tradition! Vielleicht regt sich auch bei einigen ein wenig Stolz: Wir haben uns heute wieder Zeit genommen für die Kirche, für ein Wort Gottes, für diese Stunde mitten in der Arbeitswoche. Sehen Sie, mir gehen ganz andere Gedanken durch den Kopf. Ich kann sie nicht abschalten, nicht so tun, als beschäftigten sie mich nicht, als würden sie mich nicht belasten: Da ist zunächst etwas recht äußerliches: Jedes Jahr kann ich das nicht zusammenbringen, daß mir die Leute auf der einen Seite immer wieder etwas vorschwärmen: Wie ist das doch gut, daß wir noch diesen Kirchweihgottesdienst haben! Auf der anderen Seite erscheinen dieselben Menschen dann aber nicht zu diesem Gottesdienst - obwohl sie könnten. Ich gewinne dabei den Eindruck, es gibt andere sehr starke Interessen am Kirmesdienstag, die sich auf andere Dinge richten als diesen Gottesdienst. (Daß die Kirche halt immer wieder - wie bei Weihnachten und Ostern auch - nur für den Anlaß zum Feiern gut ist, davon will ich schweigen!) Ein zweiter Gedanke, der mich bewegt, ist dies: Ist die Sache mit dem Gottesdienst am Kirmesfest, der angeblich so wichtig ist und in der Praxis doch ziemlich wenig beachtet wird, nicht wie eine Abbildung im Kleinen: Von Gott im Leben der Menschen, von seinem Wort im Alltag der Leute, von der Religion in dieser Gesellschaft? Auch da ist es doch so: Fragt man die Menschen, was ihnen Gott bedeutet, dann werden sie alle möglichen Geschichten erzählen...von Bewahrung, von seiner Hilfe, von ihren Versuchen auch, ein gottgefälliges Leben zu führen. Sieht man aber an, wie sie wirklich leben, dann stellt man keinen Unterschied fest zu dem Denken, Reden und Handeln, das Menschen an den Tag legen, die ausdrücklich nicht an Gott glauben. Dann das Wort Gottes... Es wird mit dem Mund enorm hochgehalten. Die Bibel ist für viele Jugendliche und Erwachsene das Buch überhaupt! Geht man dem aber nach, dann stellt man fest: Die so von der Bibel schwärmen, haben sie vor fünf, 10 oder gar 30 Jahren zuletzt in der Hand gehalten. Und Religion in der Gesellschaft? Manchmal kommt mir das "Wort zum Sonntag" oder ein christliches Magazin kurz vor Sendeschluß oder selbst jetzt vor Tagen die ungewöhnlich umfangreiche Berichterstattung vom Kirchentag wirklich nur wie das Feigenblatt vor, das die ansonsten totale Blöße unserer Medienlandschaft in Sachen "Religion" verdecken soll. Gewiß bleibt der Fernseher für die fünf Minuten, in denen der Fernsehpfarrer spricht, angeschaltet, aber fragen Sie die Wasserwerke, wie stark der Wasserverbrauch in diesen Minuten ansteigt! Was will ich nun eigentlich heute morgen? Ich will - ehrlich! - die Umgebung beschreiben, in der wir heute leben und unseren Kirchweih-Gottesdienst feiern. Ich habe - und auch das ist ehrlich - einfach genug davon, immer nur zu verschleiern und so zu tun, als ob doch alles eigentlich bei uns noch ganz gut wäre, als könnten wir doch hier in unserem "heilen Dorf" noch ganz zufrieden sein. Nein, es ist etwas im Gange in dieser Welt, in unserer Gesellschaft und auch in unseren Dörfern... Es geht etwas vor, das spüren die meisten von uns genau, das macht uns unruhig, das weckt Ängste und Sorgen. Vielleicht können wir es noch nicht recht benennen: Dies oder das ist es. Aber wir fühlen es hier drinnen. Und manchmal meinen wir oder ahnen wir wenigstens etwas davon, daß vielleicht ein Zusammenhang besteht zwischen der Gottlosigkeit unserer Gesellschaft und den vielen Krisen im persönlichen und öffentlichen Leben der Menschen. Manche gehen ja sogar soweit, daß sie selbst Naturereignisse wie Vulkanausbrüche oder Sturmfluten in dieses Denken einbeziehen. - Gehen wir hier aber wenigstens davon aus: Unsere Welt - auch die kleine Welt unseres Dorfes - entwickelt sich immer weiter weg von einem Leben, in dem Gott eine wirklich bedeutsame Rolle spielt. So ist der Befund. Da hinein möchte ich jetzt ein Wort der Bibel sagen, ein Wort, wie gemacht für diesen Tag und für diese Gedanken: Wenn der Herr nicht das Haus baut, dann mühen sich umsonst, die daran bauen. (PS. 127,1) Bei diesem Wort an diesem Tag denken wir sicher zuerst an das "Haus Gottes", in dem wir jetzt sitzen. Und das dürfen wir auch. Nun ist dieses Gotteshaus ja schon gebaut, es ist fertig. Nicht einmal zu renovieren gibt es derzeit etwas. Trotzdem: Wir werden das auch so verstehen können: Wenn Gott diese Kirche nicht erhält, wenn er nicht seine Hand über sie hält, dann wird sie vergehen und zerfallen - und das trotz der Blitzschutzanlage, die wir bei uns installiert haben. Ein anderes "Haus Gottes" aber ist noch im Bau und wird niemals "fertig" sein: Unsere Gemeinde hier im Ort. Da mühen sich viele Menschen: Kirchenvorsteher, Kirchendiener und Organist, viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und der Pfarrer... "Wenn Gott aber nicht mitbaut, dann ist es rein vergeblich!" Was heißt das? Ich verstehe es als Warnung, als Mahnung: Seht euch vor, daß ihr Gott den Platz in der Gemeinde einräumt, der ihm zusteht! Alles, was ihr für die Kinder und die Alten, die Jugendlichen und die Familien tut an Gemeindeveranstaltungen, an Freizeiten und sonstigen Angeboten soll etwas mit Gott und seiner Sache zu tun haben: Der Seniorenkreis ist nicht bloß ein Kaffeekränzchen! Die Familienfreizeit ist nicht nur ein billiger Urlaub ohne christliche Farbe. Die Jungschar hat einen Auftrag: Auch Jesus Christus muß dort ins Spiel und ins Gespräch kommen! Und beim Reden über dieses "Haus Gottes", die Gemeinde, hat auch die Frage nach der "Kirmes" ihren Platz, finde ich: Was wird eigentlich gefeiert, an "Kirchweih", wenn nur noch so wenige von denen, die heute nachmittag drüben im Festzelt sitzen werden, auch nur einen Gedanken übrig haben für die Kirche, für den Gottesdienst und den Ort, an dem Gott wohnt, am Geburtstag dieser Kirche hier im Dorf? - Wenn der Herr nicht das Haus baut... Wenn Gott und sein Haus am Fest der Kirmes nicht mehr im Gespräch und im Herzen der Feiernden sind, dann ist kaputtgegangen, was eigentlich zählt, zählen muß. Darüber kann kein noch so buntes Festprogramm hinwegtäuschen. Aber "Haus Gottes" hat noch einen ganz weltlichen Bezug: Immer wenn ich junge Leute am Feierabend und am Wochenende an ihren Baustellen arbeiten sehe, muß ich daran denken: Wird hier mit Gott gebaut, muß ich denken. Ist bei diesen Menschen die Haltung noch da, das Wissen: Wenn Gott nicht seinen Segen auf dieses Haus legt, das hier entsteht, dann wird es keinen Bestand haben. Wird hier gebaut in Demut, in Dankbarkeit über die Kräfte, die einem geschenkt wurden und über jeden Fortschritt am Bau, der doch auch immer von oben gegeben wird? Ja, ich glaube das wirklich: Kein Haus wird bestehen, das nicht im Wissen darum wächst: An Gottes Segen ist alles gelegen! Denn so ist es. Noch deutlicher wird das alles am "Haus", mit dem wir unser Leben ja gern vergleichen: Steht unser Lebenshaus auf festem Grund? Empfangen wir Gottes Lebensgaben dankbar und in dem Bewußtsein, daß wir sie nicht aus uns selbst haben? Sagen wir das nicht bloß mit den Lippen, daß wir Gott verdanken, was wir haben, daß wir gesund sind, unseren Ehepartner, unsere Kinder, unser Geld und Gut... Steht dahinter auch der gelebte Dank? Kommen wir wirklich täglich zu diesem Gott mit dem Lob seiner Gnade, mit dem Preis all seiner Taten an uns? Ja, auch hier bin ich sicher, daß es stimmt: Wenn der Herr nicht das Lebenshaus baut, dann mühen wir uns umsonst! Dann wird es früher oder später einstürzen. Und ich glaube, die Krisen, die wir im Leben vieler Menschen - und bei uns selbst vielleicht auch - beklagen müssen, haben damit zu tun, daß Gott in diesem Leben an den Rand oder ganz hinaus gedrängt wurde. Und in der Gesellschaft? Da ist doch alles genauso! Wo Gott nicht am Haus unseres seit über 10 Jahren angeblich geeinten Volkes mitbaut, da kann nichts Gutes herauskommen! Wo also nicht die Gerechtigkeit in Gottes Sinn einzieht, wo nicht ehrlich geteilt wird, wo jeder im gemeinsamen Haus eigentlich nur an sich selbst denkt und an sein Geschäft, da wird kein Gebäude entstehen, in dem Gott und sein guter Geist wohnen kann. Und dann wird die Gesellschaft, die da wächst und ihre Werte und Normen sucht, keine Dauer haben. Denn es ist umsonst, ein Haus zu bauen, in und an dem nicht Gott Maß und Wert ist. Liebe Gemeinde, ich weiß schon: Das ist starker Tobak, was ich hier sage. Das ist eine Zumutung - im besten Sinne hoffentlich. Aber noch einmal: Ich glaube das wirklich, weil ich es erfahren habe! Und ich weiß, daß es immer wieder zum Einsturz der "Häuser" kommen wird und kommen muß, an deren Bau Gott nicht beteiligt ist: Wenn der Herr nicht das Haus baut, dann mühen sich umsonst, die daran bauen. Was wir tun können, tun sollen und tun müssen, ist eigentlich sonnenklar: Achten wir, soweit es an uns liegt, darauf, daß die "Häuser" an denen wir mitbauen, auf dem Fundament und nach dem Bauplan Gottes errichtet werden! Wir haben bei manchen "Baustellen" in unserer Nähe mehr Einfluß, als wir uns jetzt vielleicht zugeben wollen! Und geben wir dort die Mahnung Gottes weiter, auf freundliche, annehmbare Weise: Baut mit Gott! Gebt ihm den Raum und die Achtung, die ihm zustehen! Es wird sonst keinen Bestand haben, was ihr plant und hinstellt. Es wird zerfallen und euch unter seinen Trümmern begraben. Wer nun denkt - und einige denken gewiß so - das ist aber doch sehr hart von Gott, sehr un- väterlich auch und wenig gütig, der hat recht. Es ist Gott zu wenig, nur den Namen für seine "Christen" herzugeben und den Anlaß für unser feuchtfröhliches Feiern. Gott, der dich und mich gemacht hat und auch diese ganze Welt und die Kirche, in der wir leben, der hat auch einen Anspruch! Der hat auch ein Recht auf uns und an uns! In meinen Gedanken wird eigentlich in letzter Zeit die Einsicht immer größer, daß wir vielleicht ja nur durch Krisen und Katastrophen im persönlichen Leben und in dieser Welt noch von Gott aufgerüttelt werden können, daß wir noch aufwachen, noch begreifen, ehe es zu spät ist. So gesehen ist es dann bei aller Härte dessen, was uns geschieht, vielleicht noch gnädig, daß es geschieht!? Vielleicht bringt es uns ja noch zurecht? Gott ist nicht schuld, wenn wir nur noch auf Unheil und Härte reagieren. Nicht er hat sich aus unseren "Häusern" und unserem "Bauen" zurückgezogen! Wir sagen ihm allenthalben und wir lassen ihn das überall spüren: Wir brauchen dich nicht mehr! Wir können das ohne dich! Nur: Es stimmt nicht - und das werden wir fühlen müssen. Wann fangen wir an - um Gottes willen - dieses Wort und die Wahrheit, die dahinter steht, ernst zu nehmen?: Wenn der Herr nicht das Haus baut, dann mühen sich umsonst, die daran bauen.