Tauf-Predigt – „Er ist mein Vater" Liebe Eltern, liebe Paten, liebe Gemeinde! Es scheint jetzt ja wieder öfter vorzukommen - aber es war eine ganze Weile anders... Ich spreche von der Taufe in unserer Gemeinde. So kamen die Gedanken um die Taufe wenig vor in den letzten Jahren. Weil nun heute noch dazu ein besonderer Gottesdienst ist, weil durch besondere Umstände heute sehr wenige Nur-Gemeindeglieder gekommen sind, darum wollen wir heute über die Taufe nachdenken. Warum wir taufen und welchen Sinn es hat. Die Taufe ist ja eine viel zu wunderbare Gabe Gottes, als daß wir sie zu wenig beachten dürfen! Und es tut uns allen sicher wieder einmal gut, über dieses Geschenk Gottes zu hören. Eine kleine Geschichte soll mir helfen, den tiefsten Sinn der Taufe herauszustellen. Geschichten - das weiß ich - hören wir ja alle gern. (Auch wenn die Erwachsenen das nicht so gern zugeben.) Das ist meine kleine Geschichte zur Taufe: Hoch über dem Marktplatz einer kleinen Stadt hatte ein Seiltänzer sein Seil gespannt und machte dort oben unter den staunenden Blicken vieler Zuschauer seine gefährlichen Kunststücke. Gegen Ende der Vorstellung holte er eine Schubkarre hervor und fragte einen der Anwesenden: "Sagen Sie, trauen Sie mir zu, daß ich die Karre über das Seil schiebe?" "Aber gewiß", antwortete der Gefragte fröhlich, und auch mehrere andere der Unstehenden stimm- ten der Frage sofort zu. "Würden Sie sich dann meiner Geschicklichkeit anvertrauen, sich in die Karre setzen und von mir über das Seil fahren lassen?" fragte der Schausteller weiter. Da wurden die Mienen der Zuschauer ängstlich. Nein, dazu hatten sie keinen Mut! Nein, das trau- ten sie sich und ihm nicht zu. Plötzlich meldete sich ein Junge. "Ich setze mich in die Karre", rief er, kletterte hinauf, und unter dem gespannten Schweigen der Menge schob der Mann das Kind über das Seil. Als er am anderen Ende ankam, klatschten alle begeistert Beifall. Einer aber fragte den Jungen: "Sag, hattest du kei- ne Angst da oben?" "Oh nein", lachte der, "der mich über das Seil schob, ist ja mein Vater!" Vielleicht überlegt ja jetzt doch der eine oder andere: Aber, was hat denn diese Geschichte mit der Taufe zu tun? Darum noch ein paar Gedanken dazu: So wie der Junge, so dürfen wir auch sein. So dürfen wir vertrauen und uns - im übertragenen Sinn - bei unserem Gott "in die Schubkarre setzen." Er ist unser Vater! Nicht mehr - aber auch nicht weniger - sagt uns die Taufe als dies: Gott ist unser Vater! Wir müssen keine Angst haben, wenn wir mit unserem Gott noch die tollsten Kunststücke wagen! Er wird uns sicher über das Seil dieses Lebens bringen, er ist der Herr über die Tiefe unter uns, über alle Schrecken - und selbst noch über den Tod. Es kann uns nichts geschehen. Der "Vater" fährt uns über den Abgrund! Aber da ist noch mehr drin in dieser Geschichte, und besonders etwas, das ich schon lange einmal sagen wollte. Immer wieder fragen mich die Leute ja - und gerade Konfirmanden wollen das immer wieder einmal wissen - wenn nun ein Kind nicht getauft ist, was ist denn dann anders in seinem Ver- hältnis zu Gott? Und vor allem: hat Gott solch ein ungetauftes Kind weniger lieb? Das letzte zuerst: Gott liebt jeden Menschen genauso, gleich ob er getauft ist oder nicht. In die Ge- schichte hineingesagt: Der Schausteller hätte auch jedes andere Kind oder jeden anderen Erwachse- nen sicher über das Seil gebracht! Der Vater beschützt alle seine Kinder! Aber - und das ist der entscheidende Punkt an der Geschichte: Nur dieser eine Junge vertraut sich ihm an. Nur dieser eine weiß eben, daß er der Vater ist! Gott sei Dank ist das im Leben anders! Da wissen viele, daß Gott der Vater aller Menschen ist. Aber das eben kommt durch die Taufe: Da erfahren wir - wie auch heute wieder - ganz deutlich: Gott hat uns lieb, jeden Einzelnen von uns ganz persönlich. Gott will unser Leben segnen, bewahren, über je- dem Abgrund halten und sicher nach drüben begleiten dorthin, wo einmal unser irdisches Leben in ein ewiges übergehen soll. - So gesehen, ist es ganz und gar nicht dasselbe, ob ich getauft bin oder nicht! Ich darf durch die Taufe immer wieder ganz sicher sein und werden: Ich habe einen Vater! Mir kann nichts geschehen, nichts jedenfalls, was mich ängstigen müßte! Und noch ein Drittes liegt in dieser Geschichte. Vielleicht ja mehr am Rande, aber es ist doch auch noch wichtig: Das wird auch ausgesprochen. Das kommt vor die Öffentlichkeit und wird nicht ängstlich oder schamhaft verschwiegen: "Das ist mein Vater!", sagt der Junge. Ich finde, auch daran könnten wir uns ein Beispiel nehmen. Wir dürfen ruhig auch mehr darüber sprechen und davon zeugen, daß wir einen Vater haben und geliebt sind bei ihm. Die Welt unserer Tage ist ja weiß Gott voll von Angst und voller Sorgen. Obwohl wir ja wirklich - gemessen an ande- ren - keinen Grund für dunkle Befürchtungen haben, reden wir doch von der Zukunft, als müßte sie ganz schrecklich werden! Sie kann aber gar nicht schrecklich werden! Das sagt die Geschichte - und das sagt unsere Taufe. Wir haben einen Vater! Würden wir das doch auch denen von Zeit zu Zeit und immer wieder einmal glaubhaft vorsagen und vorleben, die so hoffnungslos sind in unseren Ta- gen. Und es wäre gut, wenn wir vor allem selbst nicht vergessen, daß der Vater die Karre unseres Lebens fährt. Wir werden nicht fallen. Wir kommen einmal drüben an, auf der anderen Seite, im Le- ben, das uns Jesus Christus verdient hat. Haben wir doch Vertrauen! Der uns über das Seil unseres Lebens schiebt, ist ja der Vater!