Predigt zur Silbernen Konfirmation - 18.6.2000 Liebe Silberne Konfirmanden, liebe Ehegatten und Angehörige, liebe Gemeinde! Die Predigt für dieses Jubiläum war schon fertig: Eine schöne Idee, ein gutes Wort aus der Schrift, ein klarer Aufbau... Dann habe ich sie zur Seite gelegt und neu angefangen. Worüber ich sprechen wollte? - Ich habe vor ein paar Tagen das Bild eines Irrgartens in die Hand bekommen. Wissen Sie, so eine Anlage aus dichten Hecken, in der man von einem Ende zum anderen finden muß. Ein Zeit- vertreib, dem die Fürsten vergangener Zeiten in den Parkanlagen vor ihren Lustschlössern frönten. Ich wollte unser Leben mit solch einem Irrgarten vergleichen und fragen: Wie finden wir hindurch? Wer zeigt uns den Weg? Wo ist der Ausgang und das Ziel? Wie gesagt, ich bin davon abgekommen. Mir war das doch zu leicht und locker: Das Leben - ein Irrgarten? Ein Zeitvertreib im Grünen? Par- ke, Gärten von Fürsten, Lustschlösser? Was passiert, wenn wir den Weg hindurch nicht finden? Dann dauert es halt ein bißchen länger - aber wir kommen hinaus! Ein Irrgarten aus grünen Hecken, eine Belustigung für heitere Stunden - aber da steht nichts auf dem Spiel. So ist das Leben nicht! Mir ist dann die alte Sage von Theseus und Minothaurus eingefallen, die ich in meiner Schulzeit einmal gehört habe: Minothaurus war ein furchtbares Ungeheuer mit einem Menschenleib und einem Stierkopf. Er lebte in einem Labyrinth, in das ihn der König Minos von Kreta eingesperrt hatte. Von Zeit zu Zeit mußten dem Ungeheuer Menschen als Opfer er dargebracht werden. Sie wurden ins La- byrinth hineingeschickt und fanden nicht mehr heraus - bis sie schließlich an die Stelle gelangten, wo sie das schreckliche Tierwesen erwartete und verschlang. Bis eben Theseus an der Reihe ist. Er geht ins Labyrinth und erschlägt das Ungeheuer - und er findet an den Eingang zurück. Wie konnte das gelingen? - Die Sage erklärt uns das so: Die Tochter des Königs Minos, Ariadne, hatte Theseus ei- nen Faden in die Hand gegeben. Als er nun ins Innere des Labyrinths vordrang, wickelte sie den Fa- den von der Spule... Nach dem erfolgreichen Kampf mit dem Minothaurus tastet sich Theseus am Faden entlang zurück in die Freiheit und ins Licht. - Warum Ariadne dem Theseus den Faden in die Hand gelegt hatte? Nun, das ist doch klar: Sie liebte ihn! Liebe Silberne Konfirmanden, so ist das Leben! Kein Irrgarten, um uns heiter die Zeit zu vertreiben! Keine Grünanlage für fröhliche Stunden bei Spaß und Spiel! Vielmehr eine bitterernste Sache: Ein Labyrinth, in dem man sich verlaufen kann, in dem Gefahren lauern, in dem Dunkel und Tod warten - oder aber: in dem wir uns behaupten, unsere Aufgabe erfüllen, herausfinden - aus dem Dunkel hin- aus in Freiheit und Licht. Was hilft uns hindurch? Nehmen wir's einmal als eine Frage an uns - ganz persönlich, besonders, wenn wir heute Silberne Konfirmation feiern: Da steht einer in der Mitte seines Lebens und besinnt sich: Wie war der Weg bis hierher, was habe ich schon alles erfahren, was habe ich ausgelassen? Wie geht's jetzt weiter, wie kann mein Weg in die Zukunft noch ein wenig mehr Glück bedeuten, was möchte ich noch erleben, wieviel bisher Ver- säumtes will und kann ich nachholen? Viele Menschen so wie ihr - so um die vierzig - denken und fühlen so. Sehr oft und sehr schnell werden dann ganze Jahrzehnte abgetan und zurückgelassen. Da rennt einer an gegen die Wände seines Lebenslabyrinths. Da stürzen die Gänge, die zurückführen, ein. Da wird Vergangenes geleugnet! - auch wo es schön war. Nur vorwärts! Dort vorn muß der Ausgang liegen! Dort ist Licht! - Ab er es ist Täuschung. Da gehen Verbindungen entzwei, da zer- brechen Freundschaften, da flieht einer aus seiner Ehe... Nach ein paar Tagen vermeintlichen Glücks wird die Finsternis nur größer. Der helle Fleck am Ende des Gangs war nur Trug. Die Schwierigkei- ten im Labyrinth sind nur schlimmer geworden. Auch die Gefahr, daß uns der Mut und die Kraft ausgehen. Dieser Weg führt nicht ins Freie! Da steht ein anderer in der Mitte seines Lebens und besinnt sich: Er hat es zu etwas gebracht! Das Haus ist bezahlt, die Position ist erreicht, man kann sich etwas leisten. Welches Hobby soll man nun wählen? Pferde, Fliegen, ein Boot, die Jagd? Welches Vergnügen mag dem Immer-so-weiter noch einen neuen Reiz verleihen? Wo kann man sein Geld sinnvoll anlegen? Wo trägt der erworbene Be- sitz Früchte und vermehrt sich noch? Was sichert das Erreichte? - Das muß der richtige Weg sein! Da liegt Leben und Zukunft! Dann hetzt einer durch die Gänge des Labyrinths, voller Eifer, voller Hoffnung - und manchmal wie besessen: Das gibt Freude, hier liegt Spaß und Zerstreuung drin, hier muß es lang gehen. Aber es wird ihm bald die Luft ausgehen. Bepackt mit Sachen und Kram kom- men wir nicht weit. Und wer noch immer mehr in die Taschen stopft, schleppt sich zuletzt nur noch dahin. Wer hinaus will ins Freie, muß unnützen Ballast von sich werfen! Wir verstellen uns selbst die Gänge, die in die Freiheit führen! Wer Hände und Kopf voll Kram und Sachen hat, der ist nicht frei für die Hilfe, die uns nach draußen bringt! Da steht ein dritter in der Mitte seines Lebens und besinnt sich: Wie war das eigentlich am Anfang? Wovon bin ich ausgegangen? Mit welchem Mut und welchen Plänen bin ich einmal in das Lebensla- byrinth hineingegangen? Was hatte ich vor mit meinem Leben? Welchen Auftrag habe ich gehört und welche Aufgabe wollte ich erfüllen? Wieviel Zuversicht war doch in mir! Wie stark habe ich mich gefühlt! Allen Gefahren wollte ich ins Auge sehen. Allem Dunklen und Angsterregenden wollte ich entgegentreten. Wie sicher war ich damals, den Weg hinein und hindurch zu kennen! - Wohin muß ich mich heute wenden? Zurück zum Beginn? Aber wo ist der? Nach vorn zum Ausgang? Aber was ist die Richtung? Liebe silberne Konfirmanden, ich will jetzt ganz deutlich reden: Ich glaube, Ihr habt vor 25 Jahren alle den Faden in die Hand bekommen, der Euch den Weg durch das Labyrinth des Lebens zeigen kann. Dieser Faden ist der Glaube an Jesus Christus. Wenn ich an ihm bleibe, dann werde ich den Weg finden. Wenn ich ihn in der Hand behalte, dann kann ich Gefahren, Zweifel und Ängste beste- hen. Wenn ich an ihm entlanggehe, werde ich am Ende in die Freiheit und ins Licht gelangen. Jesus Christus - der nämlich sagt von sich: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben! Nun weiß ich auch, daß viel geschehen kann und viel geschehen ist - in 25 Jahren! Nicht jeder - das wollen wir ehrlich bekennen - hat den Faden noch in der Hand. Vielleicht ist er abhanden gekommen im Laufe der Zeit, im Kampf und der Hetze des Lebens. Und mancher hat inzwischen längst seine Hände nach anderen Hilfen ausgestreckt, die ihm den Ausweg aus dem Labyrinth versprachen. Eini- ge sind dabei schon arg enttäuscht worden. Andere werden diese Erfahrung noch machen. Aber es bringt uns sonst nichts und niemand hinaus aus dem Dunkel! Nur dieser Faden kann die rechte Rich- tung weisen: Jesus Christus, der Glaube, der ihn "Herr" nennt, der Glaube, der seinen Weg geht. Nun hätte ich unser Leben nicht mit einem Labyrinth verglichen, wenn ich nicht auch gewiß wäre, daß wir den Faden - den wir vielleicht verloren haben - auch wieder aufnehmen können. Vielleicht müssen wir nur die Hand recken? Vielleicht nur ein paar Schritte nach hinten gehen? Vielleicht wird er uns auch wie von selbst in die Hände gelegt, wenn wir es nur wollen, wer weiß? Aber wir können ihn wieder ergreifen! Es gibt Möglichkeiten! Eine davon ist das Gebet. Warum soll ich nicht Jesus Christus bitten dürfen, daß er mir den "Faden" neu hinhält? Warum nicht so zu ihm sprechen: "Herr, du weißt, wo ich heute im Leben stehe. Du kennst meinen Weg bis hierher. Du weißt von meinen Wegen und du hast gesehen, in wie viele Sackgassen ich geraten bin. Vergib mir meinen Eigensinn. Führe du mich von heute an neu. Und Herr, schenk' mir Glauben, der dir vertraut!" Eine andere Möglichkeit ist unsre Gemeinde! Die vielen Angebote, die Kreise, der Gottesdienst. Wo sollte ich Jesus Christus denn anders finden als da, wo seine Leute beisammen sind, wo von ihm ge- sprochen und sein Wort gepredigt wird? Immer wieder haben Menschen in ihrer Gemeinde schon den Anfang des Fadens entdeckt, an dem sie in die Freiheit und die Freude eines christlichen Lebens fanden. Und schließlich gibt's da noch die Heilige Schrift. Auf jeder Seite, namentlich im Neuen Te- stament unseres Herrn, kann für uns der Faden liegen, der uns zum Halt und zur Führung werden will. Da bleibt keiner unbeteiligt, wenn er die Geschichten des Glaubens liest. Da hört das Fragen auf, was Jesus Christus denn für mich persönlich bedeutet. In der Bibel liegt allemal ein Ziel unserer Suche, eins unter anderen. Liebe Silberne Konfirmanden, ich wünsche Euch und uns allen, daß die Suche nach dem Faden, der uns hindurchführt, Erfolg hat. Ich wünsche denen, die diesen Faden losgelassen und verloren haben, daß sie ihn wieder finden und ergreifen können. Ich wünsche denen, die ihr Leben bis heute, an die- sem Faden entlanggegangen sind, daß sie ihn auch weiter festhalten können, was auch kommt! Ihr fragt, warum Jesus Christus uns den Faden in die Hand legen will, der uns in die Freiheit und ans Licht bringt? Denkt doch an die alte Sage, denkt an Ariadne: Jesus liebt uns! (Wdhlg.: Text)