Predigt am Kirchweihdienstag - 20. Juni 2000 Liebe Gemeinde am Kirchweihtag! Was erwarten wir uns von einem Gottesdienst zur Kirchweih? Bestimmt ein paar Worte der Freude darüber, daß wir diese Kirche haben! Gewiß auch ein Dankgebet zu Gott dem Herrn, der uns diese Kirche und unsere Gemeinde gegeben hat und gnädig erhält und auch weiter erhalten will, was auch in der Zukunft kommen mag. Sicher auch die Bitte, daß Gott uns weiter mit Wachstum und Gedei- hen aller Arbeit und Verkündigung unter den Menschen beschenkt. Und schließlich geht es auch nicht ohne ein paar ernste Worte der Mahnung ab, doch nur ja nicht zu verachten, was wir an unse- rer Kirche und der Gemeinde hier im Ort haben. Alles das soll auch in diesem Gottesdienst seinen Platz haben - und hat ihn ja jetzt auch schon be- kommen. In dieser Predigt aber ist nun die Mahnung dran, ein paar ernste Gedanken, die wir - wie ich denke - auch nötig haben. Wir hören dazu auf den Predigttext zum Kirchweihgedenktag dieses Jahres: Textlesung: Josua 24, 14 - 16 Josua sprach zu dem ganzen Volk: Fürchtet den HERRN und dient ihm treulich und rechtschaffen und laßt fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Euphratstroms und in Ä- gypten, und dient dem HERRN. Gefällt es euch aber nicht, dem HERRN zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter gedient haben jenseits des Stroms, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. - Da antwortete das Volk und sprach: Das sei ferne von uns, daß wir den HERRN verlassen und andern Göttern dienen! Liebe Gemeinde, gern, zu gern hätten wir jetzt diesen schönen Satz für unser Nachdenken vorge- nommen: Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. Der hängt ja an mancher Wand in manchem Haus - auch in unserer Gemeinde. In Holz geschnitzt oder Ton gebrannt gibt er dort Kun- de davon, wie verbunden die Bewohner mit Gott und seiner Kirche sind. Und ich will das auch gar nicht anzweifeln. Nur hat mich heute - am Kirchweihdienstag - der Satz davor viel mehr angespro- chen, beschäftigt und ins Grübeln gebracht, nämlich dieser: So wählt euch heute, wem ihr dienen wollt. Gemeint ist ganz hart und klar dies: Wollt ihr Götzen anbeten, oder wollt ihr dem wahren Gott angehören? Und da steigt nun in uns fast ein wenig Empörung auf: Als wäre das für uns eine Frage! Ausgerechnet für uns, die doch eine gute, enge Verbindung zur Kirche und dem Herrn der Gemeinde haben. Wären wir denn sonst heute hier? Tun wir einen Augenblick alle echte oder auch vorgebliche Entrüstung beiseite. Schauen wir doch einmal ganz nüchtern, was wir in unserer Gemeinde sehen, was uns erfreuen kann, aber auch, was wir beklagen müssen: Es gibt da sehr viel gelungene Gemeindearbeit. Manchen schönen Kreis, einige gute Gruppen, in de- nen neben Unterhaltung und Freude auch immer wieder ein christlicher Anstoß gegeben wird. Es gibt sehr viele MitarbeiterInnen bei uns, die selbstvergessen viel Zeit und Kraft für den Dienst in sol- chen Kreisen und Gruppen unserer Gemeinde aufbringen - und das seit vielen Jahren. Es gibt auch - und das soll heute einmal deutlich ausgesprochen werden - viele Zeichen der Nächstenliebe und des selbstlosen Dienens mehr im Hintergrund, in den Familien, den nachbarlichen Beziehungen, oft zwi- schen Menschen, die gar nicht miteinander verwandt sind. Es lebt also auch eine Gemeinde Jesu Christi neben dem traditionellen Gemeindeleben, sozusagen außerhalb des Daches von Kirche oder Gemeindehaus. - Das ist die eine Seite. Es gibt aber auch die andere - und von der wollen wir jetzt reden: Da leben zunehmend mehr Menschen in unserem Dorf, die uns als Christen fern sind und fremd blei- ben. Sie haben keine Beziehung zu Gott und darum fällt ihnen der Zugang zur Gemeinschaft dieses Dorfes nicht leicht. Und uns fällt es schwer, auf diese Menschen zuzugehen. - Wohlgemerkt: Ich stelle das nur fest. Ich verurteile nicht. Wenn wir die Geschichte dieser Menschen kennen würden, dann müßten wir sicher verstehen, warum sie keinen Sinn für den Glauben und die Sache haben, die uns doch wichtig ist. Sie sind ohne religiöse Erziehung aufgewachsen, haben also heute nichts, an das sie anknüpfen können, wenn sie von uns zu Gott und in die Gemeinde gerufen werden. Es ginge uns wohl nicht anders, wenn wir ihre Lebensgeschichte hätten. Da leben aber auch - oft ganz in unserer Nähe - die anderen: Die haben wohl von Gott gehört in ih- rer Kindheit und Jugend. Sie sind auch getauft und konfirmiert. Sie haben einmal versprochen, sich zu Jesus Christus und seiner Gemeinde zu halten. Heute allerdings scheinen sie es vergessen zu ha- ben. Sie sind vielleicht einmal bei einer Taufe oder Beerdigung in unserer Kirche zu sehen, dann al- so, wenn es nach Tradition und Herkommen unvermeidlich ist. Ansonsten aber bleiben sie fern, ge- nauso fern wie die, deren Herz überhaupt keinen Gott kennengelernt hat. - Ich stelle auch hier nur fest, ohne zu verurteilen. Und es mag ja auch oft mit an uns gelegen haben, daß diesen Menschen ih- re Bindung an den Glauben, zum Gottesdienst und zur Gemeinde abhanden gekommen ist. Ein so gutes Vorbild sind wir selbst ja auch nicht immer gewesen. Wenn wir jetzt noch genauer hinschauen, werden wir gewiß entdecken, daß es viel zu grob ist, nur diese zwei Menschengruppen zu beschreiben. Dazwischen gibt es viele Farben, viele Stufen und eben auch viele Menschen, die ihrer Christlichkeit nach weder zur einen noch zur anderen Gruppe gehö- ren, die vielmehr in der Mitte oder mehr da oder dort anzusiedeln sind. Aber für das, was ich heute sagen möchte, genügt die Unterscheidung. Für das Wort, das uns heute gegeben ist, braucht es keine feinere Sicht: Wählt euch heute, wem ihr dienen wollt! Ich meine nämlich, das ist heute - wie schon zu allen Zeiten - wirklich die Frage, die Entscheidung, vor der jeder Mensch steht oder gestellt wer- den muß: Wem willst du mit deinem Leben dienen? Woher meinst du zu kommen? Wohin gehst du? Was erwartest du dir von deiner Zeit in dieser Welt? Genügt es dir, ein mehr oder weniger schönes, kurzweiliges Leben zu haben? Schert es dich gar nicht, ob noch etwas danach kommt? Reicht es dir, halt irgendeinen Weg von der Wiege bis zur Bahre zu gehen? - Und wie diese eine Frage jeweils noch heißen mag. Aber kehren wir jetzt zu uns zurück. Wir haben diese Frage beantwortet. Und die Antwort ist viel- leicht wirklich am besten und kürzesten so beschrieben: Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. Und ich gehe davon aus, daß es die Wahrheit ist, wenn wir das für uns sagen. Und ich glaube, daß wir uns das heute noch einmal neu und fester vornehmen dürfen! Das hat nun aber auch Folgen. Und es hat eben zu tun mit den anderen, mit denen, die gar nichts von Gott wissen und denen, die ihn im Verlaufe ihres Lebens vergessen haben. Denn wir leben ja - ob wir das nun wollen oder nicht - mit diesen Menschen zusammen: In diesem Dorf, in einer Ge- meinschaft, unter einem Kirchturm, in einer Gemeinde. Und von Gott, unserem Herrn, dem wir doch dienen wollen, wissen wir, daß er uns nicht allein für uns selbst geschaffen hat oder vielleicht noch für unsere Familie. Wir sind für eine Gemeinschaft gemacht. Wir leben mit anderen zusammen. Wir sollen und wir müssen Beziehungen haben und aufnehmen. Keiner könnte ja ohne die anderen sein. Jeder ist darauf angewiesen, daß er Mitmenschen hat. Und so ist es auch für uns als Christen! Wenn wir also "dem Herrn dienen wollen", dann müssen wir uns zu den Menschen senden lassen, die ohne Gott leben - selbst zu denen, die ohne ihn leben wollen! Denn wir wissen es doch: Ein Le- ben kann nur gelingen, wenn es in Gott sein Ziel hat. Seinen Ursprung hat es allemal in ihm. Aber es braucht auch eine Richtung, einen Halt, einen Sinn. Das alles kann nur Gott geben. Darum - und da will ich jetzt ganz praktisch reden - wir sind zu denen gesandt, die noch draußen stehen, vor den Toren unserer Kirche, unserer Gemeinde! Wir sollen, wir dürfen nicht ablassen, die zu rufen und denen von Gott zu erzählen, die diesen Ruf noch nie gehört und von Gott nie erfahren haben. Und wir sollen und dürfen nicht aufhören, die freundlich zur Umkehr einzuladen, die Gott im Laufe ihres Lebens verlassen haben und sie an ihr Versprechen zu erinnern, das sie einmal vor Gott und ihrer Gemeinde abgelegt haben. Wir werden dazu viel Liebe, viel Geduld, großes Einfühlungs- vermögen und gutes Fingerspitzengefühl brauchen. Einen gesonderten Auftrag allerdings brauchen wir dazu nicht mehr, den haben wir schon. Mit unserer Zustimmung zu diesem Wort haben wir ihn übernommen: Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. Die noch draußen stehen vor dem Haus und der Gemeinde dieses Herrn dürfen uns nicht gleichgültig sein!