Predigt an Trinitatis / Silbern. Konfir. - 30.5.1999 Liebe Silberne Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde! Ich habe mich heute besonders gefreut, diese Ansprache zu halten und das aus zwei Gründen: Einmal finde ich das schön, daß sie, liebe Jubilare, heute diesen Tag wieder mit einem Gottesdienst begehen und mir gefällt es, daß wir diese Feier seit einigen Jahren überhaupt bei uns haben. Außer- dem kenne ich ja ihr Lebensalter, in dem sie gerade sind, recht gut; ich bin etwa 10 Jahre älter und habe das alles schon hinter mir. Also kann ich auch ganz gut beurteilen, was die Fragen und viel- leicht auch die möglichen Krisen dieses Lebensabschnitts sein mögen und vielleicht kann ich ihnen ein paar hilfreiche Gedanken vom Evangelium her hineinsagen. Aber ein zweites macht mir fast noch mehr Freude: Ich habe seit bestimmt einem halben Jahr ein Bild im Kopf, einen schönen Gedanken für eine Predigt, aber ich habe ihn noch nie anbringen kön- nen. Er hat irgendwie nie gepaßt. Und jetzt paßt er - und sehr gut, wie ich finde! Es geht bei diesem Gedanken um ein Hemd, ja, sie haben richtig gehört: um ein Hemd! Im Zuge der Gleichberechtigung darf es auch eine Bluse sein, das bleibt sich am Ende gleich. Aber Knöpfe muß es haben, das Hemd oder die Bluse, das ist wichtig. Stellen wir uns einmal vor, wir wollten so ein Kleidungsstück anzie- hen. Nachdem wir es über die Schultern gestreift haben, schließen wir den ersten Knopf, dann den zweiten... Aber nicht erst den unten und dann einen in der Mitte. Nein, das muß seine Ordnung ha- ben: Wir fangen oben an und dann geht es - immer einer nach dem anderen - nach unten weiter. Und schön mit Bedacht! Sonst kann passieren, was eben das Bild ist, das mir schon so lange im Kopf herumschwirrt: Wenn der erste Knopf oben nicht ins rechte Knopfloch geknöpft wird, dann... Sie kennen das? Dann wird alles schief! Da können wir uns dann noch soviel Zeit nehmen, noch so be- dächtig und gewissenhaft arbeiten...es wird schief! Am Ende kommt dann heraus, was ich neulich einer Frau am Ausgang der Kirche sagen mußte: Ihre ganze Bluse ist, glaube ich, falsch geknöpft, der rechte Zipfel unten ist ja ein Stück länger! Und dann haben wir beide gelacht. Und bei mir war eben wieder diese Idee da: Die Sache mit dem Hemd mußt du wirklich bald einmal bei einem pas- senden Anlaß predigen! Ja, und sie fragen sich jetzt bestimmt, was hat denn das mit der Silbernen Konfirmation zu tun und mit dem Evangelium, von dem ich ihnen doch etwas sagen wollte? Ich meine, mit unserem Leben ist das genauso, wie wenn wir so eine Bluse oder ein Hemd anziehen. Erst streifen wir das Kleidungsstück über und - im Laufe der Jahre - knöpfen wir dann einen Knopf nach dem anderen zu. Irgendwann - vielleicht jetzt in diesem Lebensabschnitt? - sind wir dann so- weit: Der letzte Knopf ist geschlossen. Wir sind fertig (angezogen), wir sind das, was wir im Leben überhaupt nur erreichen können, die Persönlichkeit, der Mensch, der wir sind und sein können. Und dieses Bild, dieser Gedanke hat für mich viel mit Gott zu tun, mit Jesus Christus, zu dem wir einmal Ja gesagt haben bei unserer Konfirmation. Also...daß unser Bild jetzt nicht selbst schief wird: Jesus ist nicht etwa der erste Knopf oben am Hemd oder der Bluse! Aber ich denke mir, wenn wir mit ihm unser Leben als konfirmierte Christen begonnen haben, dann haben wir sozusagen mit ihm den er- sten Knopf geschlossen. Und - das ergibt sich jetzt wie von selbst aus dieser Sache mit dem Hemd - dann sind wahrscheinlich auch die weiteren Knöpfe richtig und der Reihe nach geknöpft. Ja, und - ich muß es sagen - auch umgekehrt gilt das: Wenn der erste Knopf gleich ins falsche Loch geknöpft wurde, wenn wir gleich damals die Sache dieses Jesus Christus verlassen haben, dann wird mit eini- ger Sicherheit jetzt die Bluse, das Hemd nicht richtig sitzen. Wir haben das vielleicht auch schon gemerkt? Ein anderer Mensch mag uns darauf aufmerksam ge- macht haben, unser Freund, unser Partner, irgend jemand, der uns lieb hat... Aber meistens wird es uns auch selbst aufgefallen sein: Man schaut ja doch hin und wieder in den Spiegel und wenn dann die Bluse nicht recht sitzt, das Hemd auf der einen Seite weiter runterhängt...wenn also unser ganzes Leben irgendwie schief ist und von Anfang an nicht gerade und nicht gut? Wenn uns sozusagen die- ses Leben, das wir führen, nicht steht und wir auch jetzt nicht gut aussehen darin??? Dann kann das doch so nicht bleiben, oder? Und ich will da jetzt nicht herumreden, ich sag's einmal ganz konkret: So ein Leben ist einfach schief, wenn der Glaube an diesen Herrn Jesus Christus keinen Raum mehr darin hat, wenn einer oder eine nicht mehr betet, wenn eigentlich alles Denken und Handeln und Reden nur noch um die materiellen Güter kreist und um das eigene Ich und allenfalls noch um die Familie. Solch ein Hemd ist falsch geknöpft! Denn wenn wir einmal mit diesem Jesus den ersten Knopf geschlossen haben, dann müßte in unse- rem Leben Platz sein für seinen Auftrag: Den Menschen zu dienen, ihr Anliegen höher zu achten als unser Vergnügen oder unser unbeschwertes Genießen. Und da müßte auch Zeit sein für das ver- traute Gespräch mit ihm am Morgen und am Abend und immer wieder auch einmal über Tag, sei es, daß wir ihm zu danken haben oder seinen Rat und seine Hilfe erbitten. Auf jeden Fall aber werden wir doch mit ihm reden! Und auch die Stille wird ihren gebührenden Ort haben in diesem Leben, die Besinnung auf das, was eigentlich wesentlich ist und wert, daß wir ihm nachstreben. Und wir werden so unterscheiden lernen, was nur Zeitvergeudung ist und was sinnvoll und wichtig, daß wir unser Herz daran hängen und unsere Mühe. Und die Gedanken an das Ende meiner Tage werden in so ei- nem Leben auch ihre Zeit haben. Ich muß sie nicht verdrängen, weil ich ja den Anfang kenne, Jesus Christus, von dem mein Leben ausging und weil ich damit auch das Ziel weiß: Das Leben bei ihm, in Ewigkeit, ohne Tod, ohne Angst und Tränen. Liebe Jubilarinnen, liebe Jubilare, aber auch alle anderen, die heute zu diesem Gottesdiesnt gekom- men sind, ich will sie jetzt herzlich einladen: Schauen wir heute doch einmal in den Spiegel. Wie sieht es mit unserer Bluse aus, unserem Hemd? Hat es den rechten Sitz? Ist das Leben, für das es heute als Bild steht, richtig angefangen und ist es bis heute gerade geknöpft? Oder schlägt es ir- gendwo mittendrin eine Falte, die da nicht hingehört? Oder ist der Zipfel rechts oder links zu lang? Was mir den Mut gibt, heute so deutlich und vielleicht hart zu predigen? Warum traue ich mich, das klar auszusprechen: Die eine oder andere Bluse sitzt nicht richtig! Dein Hemd ist an der einen Seite zu lang!? Das kommt daher: Einmal hat es ja keinen Wert, immer drumherum zu reden. Wer betrof- fen ist, hat es ja - wie gesagt - schon lange selbst gemerkt. Und dann wäre, nichts zu sagen, doch lieblos. Sie würden gewiß auch jemand anderen aufmerksam machen, dessen Bluse oder Hemd einen falschen Sitz hat, oder? Warum sollte ich dann davon schweigen, wenn ich den kennengelernt habe, kennenlernen durfte, mit dem unser Leben gerade wird, richtig und sinnvoll? Und das wichtigste ist doch: Es ist ja nicht zu spät, die Dinge noch zu ändern! Im Bild: Ich kann doch mein Hemd noch einmal aufmachen und von vorn zu knöpfen beginnen. Und genauso im Leben: Heute noch kann ich zurückkehren zu dem, mit dem ich einmal den ersten Knopf geschlossen habe oder schließen wollte. Vielleicht ist dann mein Leben so verlaufen, daß ich hineingerissen worden bin, wie in einen Strudel. Vielleicht habe ich einfach vergessen oder weggeschoben, was ich mir doch einmal vorgenommen hatte: Mit diesem Jesus mein Leben zu machen, auf ihn zu hören, im Gebet seine Nähe zu suchen, an seiner Hand zu bleiben... Ich bin auch sicher nicht der einzige, bei dem das so gewesen ist, sicher nicht. Aber ich sollte vielleicht heute wirklich die Knöpfe der Reihe nach wieder aufmachen, sollte wieder neu dort anfangen, wo ich beim Knöpfen aus der rechten Reihenfolge gekommen bin...und wenn es schon beim ersten Knopf gewesen ist! Natürlich macht man solche Dinge nicht in der Öffentlichkeit! Nehmen sie sich Zeit und Ruhe dazu, vielleicht morgen oder in den nächsten Tagen. Aber schieben sie's nicht zu weit hinaus! Es ist zu wichtig - nicht daß unser Hemd oder unsere Bluse richtig geknöpft ist, aber daß unser Leben gerade sitzt und mit dem verbunden ist, der uns allein das rechte Leben lehren und schenken kann. So wünsche ich ihnen heute von Herzen, daß sie den Mut und die Kraft gewinnen, ihr Lebenshemd noch einmal so weit zu öffnen, daß sie mit diesem Jesus Christus den rechten, den notwendigen An- fang finden. Sie werden dann im Gebet, mit der nötigen Stille und den Gedanken auch an ihre Mit- menschen in der rechten Reihe und Reihenfolge beim Knöpfen bleiben können. Ist es nicht so: Es macht auch uns selbst einfach mehr Spaß, wenn das Hemd, die Bluse richtig sitzt!? Wieviel Freude schenkt das erst, wenn unser ganzes Leben in Ordnung kommt!