Predigt am 16. Sonnt. nach Trinitatis - 22.9.96 Liebe Taufeltern, liebe Paten, liebe Gemeinde! Eine Taufe - nein, sogar gleich zwei! - zur normalen Gottesdienstzeit - das soll für uns ein Anlaß sein, heute wieder einmal über die Taufe, diese große, wunderbare Gabe Gottes nachzudenken. Mir ist dazu eine Geschichte eingefallen, die ich vor einiger Zeit gehört habe. Diese Geschichte scheint mir jetzt nicht weniger schön, als die Sache selbst, die wir heute gleich doppelt feiern dürfen. Und wunderbar ist auch, wie sie zu Gottes Geschenk der Taufe paßt: Ein Schuhmacher, sehr fromm und gottesfürchtig, war bekannt dafür, daß er die besten Schuhe weit und breit fertigte. Er nahm nur das ausgesuchteste Leder. Er arbeitete sorgsam und so maßgenau wie möglich. Wo andere zwiefach nähten, da nähte er dreifach. Gerne warteten die Menschen ein wenig länger auf die Schuhe, die sie bei ihm bestellten. Immer lohnte sich die Geduld. An den Schuhen, die er machte, drückte nichts, war nichts zu eng oder zu weit. Wie auf Daunen ging man in den Sandalen oder Stiefeln. Und teurer als andere war er auch nicht. Nun hatte dieser Schuster - wie gesagt, er war fromm und gottesfürchtig - bei jedem Paar Schuhe, das er ablieferte, noch einen besonderen Brauch. Er gab ihnen ein Zeichen mit, das diese Schuhe als seine Arbeit auswies. Den Schuhen die Anfangsbuchstaben seines Namens oder gar den ganzen Namen aufzuprägen, war er viel zu bescheiden. Er hatte sich etwas schöneres, viel besseres und gewiß sinnvolleres einfallen lassen: Auf die Unterseite eines der beiden Schuhe, die seine Werkstatt verließen, genau zwischen Sohle und Absatz, dorthin, wo auch kein jahrelanges Gehen auf staubigen Wegen oder steinigen Straßen ihn auslöschen konnte, schrieb er einen Vers aus der Bibel. Und er wählte dazu ein Wort mit viel Bedacht! Einen Vers aus der Heiligen Schrift, der - wie er meinte - zu dem neuen Besitzer der Schuhe paßte. Da konnte dann vielleicht ein reicher Kaufmann auf seinen Werktagsschuhen lesen: "Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergeßt nicht; denn solche Opfer gefallen Gott." Bei einem Soldaten schrieb er auf die Stiefel: "Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen!" Und einer alten Frau widmete er für die vom Mund abgesparten Sonntagsschuhe den Vers: "Freut euch aber, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind." So übergab er die Schuhe an die Auftraggeber, die sie bestellt hatten, mit den besten Wünschen für die zukünftigen Wege, die sie mit ihren Schuhen gehen würden. Dann sagte er noch, daß er ihnen mit Gottes Segen widmen wolle, was sie auf den Sohlen ihrer Schuhe lesen konnten. Dann verabschiedete er sich von seinen Kunden. Seine Arbeit war jetzt getan, sein Werk vollendet. Wie der Bibelvers auf den Schuhen ankam, aufgenommen wurde und ob man ihn überhaupt je entzifferte und beachtete, das war nicht mehr seine Sorge. Liebe Gemeinde, hier endet die Geschichte. Vielleicht erkennen sie schon ihren tiefen Sinn? Vielleicht ahnen sie auch, was sie für mich mit der Taufe zu tun haben mag? Ich finde, mit unserer Taufe ist uns allen auch von dem großen Schuhmacher, der unser himmlischer Vater ist, ein Paar Schuhe gegeben worden, das so gut gearbeitet ist, daß es nicht nur dieses ganze Leben, sondern eine Ewigkeit nicht entzwei geht. Anders als bei meiner Geschichte allerdings, muß dieser große Schuhmacher nicht von seiner Hände Werk leben - er hat uns die Schuhe geschenkt! Aber - und das ist wieder wie in der Geschichte - auch auf der Sohle unserer Schuhe steht ein Wort! Ein sehr genau für uns ausgesuchtes Wort, eines, das nur für uns bestimmt ist, ganz persönlich!, eines, das genau wie die Schuhe, das ganze Leben in dieser Welt und einmal in Gottes Herrlichkeit halten soll! Nein, ich will nun nicht sagen, daß dieses Wort unser Taufspruch gewesen wäre! Den haben ja immer nur Menschen ausgewählt, wie jetzt Silke, Rüdiger und ich vor Tagen für die beiden kleinen Jungen, die wir heute taufen durften. Der Vers auf unseren Schuhen, der ist nur uns selbst bekannt, wenn wir uns schon einmal dafür interessiert haben. Ich kann ja jetzt auch niemandem von Euch, liebe Gemeinde, unter die Schuhe schauen. Das kann nur jeder selber tun. Aber das ist sicher: Da steht etwas! Da gibt es ein Wort von Gott für uns, für dich und mich. Eines für jede und jeden ganz besonders und eben ganz persönlich! Ich zum Beispiel weiß mein Wort - und wer mich ein bißchen besser kennt, dem habe ich es auch schon verraten. Und warum soll ich es denn nicht jetzt einmal wieder sagen? "Laßt uns hinausgehen zu Jesus und seine Schmach tragen, denn wir haben hier keine bleibende Stadt, aber die zukünftige suchen wir!" - Und ich kenne auch einige der Worte, die auf den Sohlen von diesen und jenen Menschen stehen, die heute morgen, unter uns sind. Es sind ja nun doch schon 18 Jahre, daß ich in dieser Gemeinde bin und vertraut bin mit denen, die sich ihr Herz und ihre Seele für Gottes Gemeinde erhalten haben. Und das ist ja auch kein Geheimnis und darum kein Vertrauensbruch, wenn ich ein paar von diesen Worten jetzt einmal vor aller Ohren bringe. Wem die Worte gehören, das wissen die Menschen dann ja selbst. Dieses Wort ist ganz gewiß dabei: "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!" Und seit der vergangenen Woche weiß ich auch, daß einen von uns wohl dieser Vers auf seinem Lebensweg begleitet: "All eure Sorge werft auf Gott, denn er sorgt für euch." Und noch einen letzten dieser Sprüche für ein Leben will ich nennen, den vielleicht gleich ein paar von uns auf ihren Sohlen lesen könnten: "Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird's wohl machen." - Und alle diese Worte wollen zu Herzen genommen werden. Sie möchten uns den Weg zeigen, wenn wir nicht weiter wissen, uns immer wieder zurechtbringen, uns Mut machen, Trost schenken, Kraft geben, wenn wir nicht mehr können. Nun ist diese Geschichte mit ihrer wunderbaren Beziehung zur Taufe und zu unserem Leben als getaufte Menschen aber noch lange nicht erschöpft. Da gibt es noch etwas, das ist auch klar, wenn man sie recht versteht und richtig in unser Leben überträgt: Wir müssen schon etwas von diesem, unserem persönlichen Wort des "großen Schuhmachers" wissen! Wir müssen es einmal gelesen haben, wahrgenommen und gewollt haben, daß es unser Leitvers wird! Wenn ich das etwa nie gehört habe, daß "der Herr mein Hirte ist" und ich ihm "meine Wege befehlen soll" und er "mir die Sorgen abnehmen kann", dann wird das auch nicht wahr werden können bei mir. Das ist ja klar. Und dieses Bild von den Schuhen und unserem Wort auf ihren Sohlen gibt noch mehr her - und das ist jetzt ein wenig ernst: Wenn ich mein Wort nicht kenne oder wenn ich es vielleicht in der Hetze und dem ewigen Trott und dem Schaffen und Schuften meines Lebens vergessen haben sollte, dann muß ich anhalten! Da hängt dann viel davon ab, daß ich einmal zur Ruhe komme, stehenbleibe auf dem Weg, den ich da so kopf- und haltlos renne und immer weiter renne... Anhalten muß ich! Die Schuhe meines Lebens einmal ausziehen und sie herumdrehen. Und dann muß ich schauen, was da unten auf den Sohlen für mich geschrieben steht. Und ich bin ganz sicher, das wird auch eine ganz wunderbare Erfahrung sein, dieses Stehenbleiben, Schauen, Lesen, Besinnen... Und vielleicht muß ich dann umkehren, weil mein Weg bisher einfach nicht zusammenpaßt mit meinem Wort! Oder ich bekomme wirklich daher die Kraft für einen neuen Anfang, für ein Leben weniger für mich selbst und mehr für andere? Oder mir geht auch auf, wie gering die Rolle Gottes bisher in meinem Leben war, wie sehr ich um Sachen oder um irgendwelche eigentlich so unwichtigen Ziele und Wünsche gekreist habe. - Aber jetzt noch einmal ganz praktisch und damit zurück zu uns hier und heute und zu dieser Taufe: Wir alle hier, die Kinder, die jungen Leute, die Männer und Frauen, wir alle haben von unserem Gott auch einmal die Schuhe für unser ganzes Leben bekommen: In der Taufe und als ein Geschenk des großen Schuhmachers, unsres himmlischen Vaters. Und auf einem dieser Schuhe, da hat Gott unten auf die Sohle sein Wort für uns persönlich aufgeschrieben. Kein noch so rauher Weg, kein noch so steiniger Pfad konnte dieses Wort bis heute zum Verblassen bringen. Deutlich wie am ersten Tag steht es da geschrieben! Nur: Kennen müssen wir dieses Wort! Anhalten müssen wir vielleicht, um es wieder neu wahrzunehmen. Dann kann es zum ersten Mal oder neu Kraft und Trost in unser Leben geben. - Heute nun, an diesem Sonntag, haben auch die beiden Jungen, Leon und Titus, von Gott ihre Schuhe und ihr Wort darauf erhalten. Euch, liebe Eltern, liebe Paten, will ich da heute bitten: Sagt den beiden später einmal davon, wenn sie anfangen zu fragen, woher sie denn kommen in diesem Leben und wohin sie denn gehen. Vielleicht erzählt ihr ihnen dann von ihrer Taufe, erzählt ihnen diese Geschichte von heute und helft ihnen, daß sie ihr Wort auf ihren Schuhen entziffern und beherzigen können. Und euch und uns allen wünsche ich, daß wir die Geschichte nie vergessen und vor allem nicht den tiefen, guten Sinn, den sie uns vermitteln wollte: Auch wir haben die Schuhe fürs ganze Leben von Gott geschenkt bekommen und es steht ein Wort für uns ganz persönlich darauf. Die Predigt wurde gehalten von Pfr. Manfred Günther, Lohgasse 11, 35325 Mücke/Groß-Eichen