Ansprache zur Goldenen Hochzeit - in der Kirche Ps.103,1f Liebes Goldenes Hochzeitspaar, liebe Gäste! Ich habe - wie ich das immer tue - in unserem Trauungsbuch nachgeschaut. Da steht es auf Seite .......: Gustav S. mit Katharina, geb. L. getraut von Pfr. S., der damals hier bei uns Vertretung gehabt hat. 19.... ist das gewesen. 50 Jahre sind seitdem vergangen. Mitten im Krieg wollten es damals zwei junge Leute miteinander wagen. Aus ganz unterschiedlichen Gegenden Deutschlands: Er aus dem hügeligen Vogelsberg, sie aus dem flachen Norddeutschland. Und was haben sie nicht alles erlebt, Schönes und Schweres, Stunden des Glücks und Zeiten tiefer Trauer, Jahre des gemeinsamen Schaffens und Bangen um die Gesundheit von ihr oder ihm... Harte Arbeit hat die Jahre bestimmt. Er im Sägewerk in F. und sie daheim. Ein Haus haben sie gemeinsam gebaut. zwei Kinder hat ihnen Gott geschenkt, eine Tochter und einen Sohn. In den nächsten Generationen durften sie fünf Enkel haben und schon einen Urenkel. Die Silberne Hochzeit durften sie feiern. 25 Jahre ist das schon wieder her. Und heute feiern wir ihre Goldene. Was für ein Tag! Wieviel Grund zum Staunen und zum Danken! Ja, ich glaube der Dank ist für sie das wichtigste heute. Ich weiß, sie haben kaum geglaubt, daß sie diesen Tag erleben. Oft genug war ja auch schon die Gesundheit nicht zum besten. Wie aufgeregt waren sie doch in der letzten Zeit. Wie haben sie diesem Tag entgegengefiebert. Und - das wollen wir festhalten - : Es ist zum Staunen und es ist selten, daß zwei Menschen diesen Tag erleben! 50 Jahre Ehe, 50 Jahre gemeinsame Zeit, 50 Jahre, von Gott geschenkt. Sie wollten heute all ihre Gefühle, all ihren Dank in ein Bibelwort fassen; es hat sie schon lange begleitet. Schon Pfr. S. hat bei ihrer Silberhochzeit darüber gesprochen. So heißt dieses Wort: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat! (Ps.103,1f) Lobe den Herrn... da denken wir bestimmt zuerst an die glücklichen Zeiten. Die Stunden der ersten Liebe, die Freude aneinander, der Segen der Kinder und später der Enkelkinder. Dafür dankt man gern! - Aber - da bin ich sicher - ihnen stehen heute auch die schweren Erfahrungen vor Augen: Das Geschehen des Krieges, das sie gleich zu Beginn ihrer Ehe miterleben mußten, die Not und der Kampf ums Überleben in den Jahren danach. Die Trauer und das Gefühl der Ohnmacht, immer wenn sie ein lieber Mensch verlassen hat - und auch das mußten sie schon viele Male durchleiden. Sollen wir auch dafür danken? Können wir das reimen mit diesem Wort: Lobe den Herrn, meine Seele..."? Und vor allem: Hat das für sie beide auch einen Platz in ihrer dankbaren Erinnerung? Ich bin ganz sicher: Sie wollen auch die schlimmen, die schweren Erfahrungen heute nicht ausnehmen. Vielleicht ist das gerade die Botschaft, die ältere Menschen an uns jüngere haben: Auch das schwere Geschick kommt von Gott! Auch und gerade das Leid bringt uns fester an seine Seite! Wie ist das denn mit den bösen Erfahrungen?: Wir wehklagen zuerst, wir schreien und weinen, wir fragen: Warum? Und dann? Dann erleben wir, als gläubige Menschen, daß Gott gerade in schwerer Zeit nahe ist, daß er uns nicht allein läßt und daß er hindurchhilft auf vielfache Weise: Vielleicht mit einem guten Wort, das uns dann trifft, vielleicht durch einen Menschen, den er uns dann schickt, vielleicht in Trost und Beistand des Menschen, den er uns fürs Leben zur Seite gestellt hat. Wie gesagt: Wir Jüngeren hier können das vielleicht - noch - nicht so ganz verstehen und glauben: Dank - auch für die schweren Erfahrungen??? Wir meinen doch, Dank wäre nur für die Freude und das Glück bestimmt. Und nicht auch für das Leid, die Stunden der Trauer und der Enttäuschung. - Uns fehlen halt die Jahre dieser alten Leute, uns fehlen ihre Erlebnisse mit der Hand Gottes, sonst wüßten wir: Alles kommt von Gott, Schönes und Schrecken, Güte und Kummer, Schmerz und Freude. Und alles dürfen wir dankbar annehmen. Alles hat ja nur den einen Sinn: Es will uns fester binden, aneinander, wo wir in der Ehe zusammenleben und an Gott, den Vater... Alles können wir auch im Glauben und mit Gottes Hilfe tragen und ertragen. Alles läßt sich reimen mit der Liebe Gottes, der uns trägt und in diesem und in einem ewigen Leben bewahren und in seiner Nähe haben will. Liebe Eheleute S., ich glaube fest, darum sitzen sie hier: Um zu danken für alles, für das Gute und Schöne und für das Leidvolle und Schwere. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat! Gutes - und auch das ist wohl schwer zu begreifen - Gutes, das ist für gläubige Menschen alles was sie empfangen. Auch das Schwerste wird ja sinnvoll und wir können es tragen, wenn wir es aus Gottes Schickung hinnehmen. Der "Vater", wie wir Gott in Gebet und Lied nennen, wird uns nur schicken und auferlegen, was uns dienlich ist und in seine guten Arme treibt und in ihnen hält. Schwierige Gedanken, ich weiß. Ich weiß aber eben auch, daß heute zwei alte Leute auch dies.~. Gefühle und Gedanken einbeziehen wollten: Lobe den Herrn, meine Seele... auch dafür! Erfahrungen - das wissen wir alle, lassen sich nur schwer weitergeben. Man muß sie immer selbst machen. Vielleicht aber geben uns diese Erfahrungen aus 50-jähriger gemeinsamer Zeit zweier lieber Menschen heute Anlaß, einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht auch in unserem Leben Spuren für die Wahrheit dieser Gedanken finden: Alle unsere Erfahrungen sind des Dankes wert. Gott müssen wir loben - für das Schöne und das Schwere. Ich denke mir, es wäre für diese beiden Goldenen Hochzeitsleute ein schönes Geschenk zu diesem Tag: Wenn wir anderen - besonders wir Jüngeren - diesen Gedanken noch ein wenig nachgehen - über diesen Tag hinaus. Hier sind zwei alte Menschen, die stehen uns dafür ein: Alles kommt von Gott, das Frohe und das schwere Geschick, die glücklichen Stunden und die Trauer, die Zeit, in der uns nach Jubeln und Lachen ist und die leidvollen Tage. Diese Gedanken könnten uns helfen und uns zufriedener machen: In unseren Ehen, in allen Beziehungen, in denen wir stehen - auch in der zu unserem Gott. Es geschieht nichts in dieser Welt, ohne den Willen Gottes. Es geschieht nichts in unserem Leben, was er, der Vater, nicht weiß und in seinen Händen hält. Es geschieht nichts, was uns von ihm trennen müßte. Alles dient uns und alles dient ihm: Wir müssen nichts fürchten und wir können alles tragen - weil er uns hilft. Darum: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.