Predigt zur Diam./Gold. Konfirmation - 21.9.97 Liebe Goldene und Diamantene Konfirmanden! Liebe Gemeinde! 50 oder 60 Jahre als konfirmierter Christ liegen hinter Ihnen, liebe Jubilare. Was haben Sie nicht alles erlebt! Frohes und Schweres, leichte Wege und steile Strecken, helle Zeit des Glücks und tiefes Dunkel, Jahre des Krieges und Jahrzehnte des Friedens, Not und Wohlstand, Sorge um den nächsten Tag und langes sicheres Schreiten. Und das alles als Menschen, die von Gott gehört haben, mit mehr oder weniger starkem Glauben im Herzen, jedenfalls eingesegnet vor seinem Altar, angesprochen von ihm und berufen, seinem Sohn Jesus Christus nachzufolgen. Weil das so ist, weil Sie einmal konfirmiert wurden, sind wir ja heute hier. Ich nehme an, spätestens jetzt werden bei Ihnen auch Erinnerungen wach: Der Pfarrer, der uns unterrichtet hat...der Kamerad, der neben mir gesessen hat, das Mädchen, das immer zuerst die Antworten wußte, der Freund, der später dann gefallen ist... Auch die Botschaft selbst, die uns der Pfarrer damals vermitteln wollte, steht uns jetzt wieder vor dem Herzen und vor den Ohren: "Jesus Christus, der Sohn Gottes...für dich gestorben...hat dich erlöst durch sein teures Blut..." - Und die Frage dann am Ende: "Willst du nun selbst zur Gemeinde Jesu Christi gehören, die aus Wort und Sakrament lebt?" "Ja", haben wir geantwortet, "mit Gottes Hilfe!" Dann haben wir vor dem Altar gekniet, der Pfarrer hat uns die Hände aufgelegt und einen Segen gesprochen...wir waren endlich konfirmiert! Wie ist das weitergegangen? - Sehr unterschiedlich sicher. Der eine ist immer eng bei der Sache und der Gemeinde geblieben. Die andere hat lange Jahre zugebracht, ohne daß Gottes Kirche sie gesehen hat. Einer hat täglich Gottes Wort zu sich sprechen lassen, hat sein Leben über immer gebetet, ein anderer hat das Händefalten bald verlernt und hat mit Gott nur wieder bei Familienfesten wie Taufe und Hochzeit Kontakt aufgenommen. Ein bißchen traurig sind diese Gedanken schon - bei diesem Jubiläum. Aber sie sind die Wahrheit.- Alle aber haben in den vergangenen Jahrzehnten auch schweres erlebt: Abschiede von Menschen, Not, Leid und Krankheit. Wir haben sie ganz unterschiedlich gedeutet, die schweren Zeiten. Je nach dem, wie nah wir Gott waren. So konnte der eine im Glauben damit fertig werden, daß ihm Gott diesen furchtbaren Schmerz geschickt hat. Ein anderer dagegen mußte ohne die Hilfe des Gebets und eines tröstlichen Wortes durch die bösen Stunden. Erfahren haben wir sie alle, wie gesagt. Und die Leidenszeiten gehören ja auch zum Leben dazu, keiner wird an ihnen vorbeikommen, ohne sie zu bestehen. Und die Jüngeren unter uns, denen sie bis heute erspart geblieben sind, werden sie auch noch schmecken müssen. Ganz gewiß! Ich persönlich glaube, solche Strecken durch die Dunkelheit, solche Krankheits- und Leidensstunden prägen uns viel tiefer als alles Glück, alle Freude und alle hellen Wege, die wir gehen dürfen. Und noch eins - und das wird Sie jetzt überraschen - ich glaube, wir sind Gott gerade im Leid viel näher als sonst! Und die schweren Zeiten sind für uns auch viel wichtiger, viel wesentlicher. Ich will das gleich erklären. Ich meine jedenfalls, weil wir alle schon Leid erfahren haben oder weil es uns noch ganz sicher bevorsteht, ist es gut, wenn wir jetzt noch ein wenig über die schweren Tage nachdenken. Auch die Jahre des Alters, wenn die Kräfte abnehmen, haben sich für Sie, liebe Jubilare, ja schon angekündigt. Es wird gut sein, wenn man gewappnet und vorbereitet in schwerere Zeiten geht! Mir ist über diesen Gedanken an das Leid und das Schwere im Leben jedes Menschen etwas aufgegangen. Mir kam in den Sinn, daß uns die härteren Lebenswege ja oft wie ein Gang durch die Wüste vorkommen, durch steiniges, unwegsames Gelände. Und ich will dazu ein Bild vor unsere inneren Augen malen: Da ist das Vorankommen schwer, da schnürt die Angst uns die Kehle ab, da fehlt es an frischem Wasser, da sehen wir kein Ziel mehr, da gibt es nur noch das Leid...und du weißt nicht mehr, wie du herausfinden sollst. Krankheit kann solch eine Wüste sein. Wenn ein Mensch uns verläßt, ist das auch wie ein langer Marsch durch die Einsamkeit und Trauer. Wer sich sorgt und ängstet, sieht nur Finsternis vor sich und es geht ihm die Hoffnung aus. Leid ist wie die Einöde. Böse Zeiten sind die Wüsten unseres Lebens. Wie gesagt: Wir mußten sie schon kennenlernen. "Aufgegangen" ist mir dann zu diesen Gedanken, wieviele Menschen der Bibel auch in die Wüste geführt wurden. Mose und das ganze Volk Israel - und das für 40 Jahre! Jona und Elia, Jakob und Jesus auch bei seiner Versuchung. Und noch viele andere gibt es, die in der Wüste ihre Erfahrungen mit Gott gemacht haben. Und das ist das andere: Sie wurden nicht nur in die Wüste geführt oder gerufen, sie hatten dort auch das für sie entscheidende Erlebnis - und nicht irgendeines: ein Erlebnis mit Gott! In der Wüste erhält Mose den Auftrag Gottes: "Du sollst mein Volk in das gelobte Land bringen. In der Wüste lernt das Volk Israel Gott als Retter und starken Helfer kennen. In der Wüste erreicht Jona endlich der Ruf Gottes: "Geh nach Ninive und predige den Menschen mein Gericht!" In der Wüste bekommt Jakob die Zusage Gottes: "Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten!" Und schließlich möchte der Teufel in der Wüste Jesus von seinem himmlischen Vater abbringen: "Alle Herrschaft in der Welt will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest." Und auch dort - in der Einöde - war es, daß Jesus Herr wird über die Versuchung: "Und siehe, die Engel traten zu ihm und dienten ihm." Liebe Jubilare, liebe Gemeinde, nein, ich will uns jetzt nicht mit den Menschen der Bibel vergleichen. Ich sehe nur, daß sie gerade in der Wüste ihre wichtigsten, wesentlichsten Stunden hatten. Und ich sehe, daß wir auch in der Wüste waren, vielleicht noch sind - und gewiß noch hineingehen müssen! Und ich frage mich, ob wir die Stunden in der Einöde unseres Lebens recht deuten konnten und ob wir - wenn sie uns noch bevorstehen - auch die Chance dieser bösen Stunden erkennen? Wie war das vor Jahren? Da hat uns ein Mensch verlassen. Da haben wir geweint und geklagt. Da brach uns die Welt zusammen und die Trauer war groß und schien unüberwindlich. Da war kein Lichtstrahl mehr, kein Funke Hoffnung, nur das Wissen, die verzweifelte Gewißheit: Das wird nie mehr. Haben wir nach dem ersten Schock, nach den ersten Tagen auf dem Weg durch die Wüste dann aber nicht auch erkannt oder erahnt, wie wir doch nicht allein waren, wie uns eine Hand gehalten hat, wie wir doch geführt und bewahrt waren...wie es weiterging und weiter...bis wir irgendwann doch hindurch kamen. Da keimte dann doch wieder Hoffnung auf, ein bißchen eigenes Leben wurde wieder möglich, ein wenig Freude, ein Lächeln, ein Lachen... Gott war in der Wüste bei uns! Und in den Zeiten der Krankheit? Diese lähmende Schwäche - nicht nur am Körper - die ganze Seele schien wie ausgedörrt. Die zähen Minuten auf dem Krankenbett, das bange Warten auf die Operation, die Tage danach. Wie ein Weg durch die steinigste Wüste ist das gewesen. Die Furcht, die Mattigkeit die bleiernen Schritte, die Zunge, die am Gaumen klebte...wohin nur, wohin? Aber da stand doch einer neben uns, ging mit uns, hielt uns fest, wenn wir stürzen wollten. Er sprach uns Mut zu. Er hat seine Boten geschickt, Engel, die ja auch in Menschengestalt unter uns sind: Die Schwester, die so viel Geduld hatte, der Pfleger, dessen Freundlichkeit uns so gestärkt hat, der Besucher, der uns die schöne Spruchkarte zurückgelassen hat: "Fürchte dich nicht, ich bin mit dir!" Und es ging aufwärts. Täglich ein bißchen. Dann durften wir aufstehen, erste Gänge im Zimmer, wieder Kraft in den Beinen, die Aussicht: Bald können wir sie entlassen...dann wieder daheim! Gott war in der Wüste bei uns! Und noch manche andere Erfahrung haben Sie gemacht, machen müssen, machen dürfen. Nicht immer konnten Sie die Hand Gottes darin erkennen, seine Stimme hören, seinen Willen erahnen. Nicht immer, aber vielleicht doch schon wenigstens einmal in Ihrem Leben!? Und wenn solche Erlebnisse mit Leid und Krankheit für sie noch ausstehen, dann sollen Sie wissen: Gerade darin erfahren wir Gott. Da - wo wir weinen und klagen, uns ängstigen und sorgen - da ist er besonders nah. Wir müssen dann nicht denken, wir seien allein und verlassen. Wir müssen dann nur die Hand ausstrecken und er wird unsere Hand fassen. Gott ist in der Wüste unseres Lebens bei uns. Liebe Goldene und Diamantene Konfirmanden, liebe Gemeinde, ich wünsche uns heute allen solche wesentlichen Erfahrungen mit Gott. Ich wünsche uns nicht das Leid, aber ich wünsche uns die Nähe Gottes und ich weiß, daß sie wohl nur dort zu haben ist, wo die Wüstenstrecken unserer Lebenszeit beginnen. Gott wollte und will uns gerade durch die schweren Erfahrungen zu sich ziehen. Aber er tröstet uns dann auch, hält uns und trägt uns und läßt uns nicht allein. - Die Wüsten unseres Lebens sind die Tage, in denen sich viel entscheidet! Gott ist mit uns in der Wüste! Gott ist bei uns! Die Predigt wurde gehalten von Pfr. Manfred Günther, Lohgasse 11, 35325 Mücke/Groß-Eichen