Predigt zum Jubiläum des Gesangvereins: Eine Dialogpredigt zu einem Bild - zu halten vom Pfarrer / Pfarrerin und einem Mitglied aus dem Gesangverein - (Um das Bild zu sehen, zurück auf Archiv-Seite und auf das Icon zu "Gesangvereinsjubiläum 1" klicken!) Pfr.: Liebe Sängerinnen und Sänger unseres Gesangvereins, liebe Gemeinde! Sie haben heute - zu Beginn des Gottesdienstes - ein kleines Bild bekommen; ich würde dieses Bild jetzt gerne mit ihnen anschauen. G: Das ist ja wirklich ein sehr seltsames Bild! Sind Sie sicher, daß es nicht für einen anderen Gottesdienst bestimmt war - vielleicht einen vorn Tierschutzverein oder der Frankfurter Zoogesellschaft? Pfr.: Nein, es ist schon für uns gedacht, den Gesangverein und die Kirchengemeinde... Ich bin beim Blättern in einem Buch darauf gestoßen, ganz überraschend, und es hat mir spontan eine Idee geschenkt, und jetzt wollte ich sie alle auch überraschen... G.: Das ist Ihnen gelungen! - Was hat denn ein Elefant mit dem Gesangverein zu tun...und mit der Gemeinde? Mir fällt dazu "Dickhäuter" ein! Pfr.: Nein, ich wollte keine Anspielungen machen! Die Sache liegt viel tiefer! G.: Unter der Haut, sozusagen? Pfr.: Ja. Es geht auch weniger um den Elefanten, es geht um die Menschen, die wir auf dem Bild sehen! G.: Sie tragen eine Augenbinde! Pfr.: Und sie tasten nach dem Tier: Die Augen, die Beine, die Seite und der ..... . Nehmen wir einmal an, sie hätten noch niemals einen Elefanten gesehen, was werden sie wohl denken, was sie vor sich haben? G.: Nach und nach werden sie schon einen Gesamteindruck bekommen! Pfr.: Nach und nach! Aber im Augenblick - wenn den Männern mit den Augenbinden gerade jetzt einer sagt: Das ist ein Elefant!, wie werden sie ihn dann beschreiben? G.: Der das Bein fühlt wird sagen: Ein Elefant - das ist eine Säule mit lederiger Haut umgeben. Pfr.: Und der Mann an der Seite wird denken: Ein Elefant - das ist ein ziemlich borstiges, großes, rundes Ding. G.: Und der Mann vorn: Ein Elefant hat Augen und zwischen den Augen so ein langes, bewegliches Etwas...wie ein Saugrohr! Pfr.: Und der am Ohr: Ein Elefant ist ein Ding - wie ein Palmwedel! G.: So etwa wird es sein, wenn die Männer davon reden, was sie jetzt fühlen. Aber wo ist jetzt die Verbindung zum Gesangverein? Pfr.: Ich sehe zwei Verbindungen! G.: Wer sind denn die Leute mit den Augenbinden - im Gesangverein? Pfr.: Erst einmal nicht im Verein.. mehr außen! Ich denke mir, das sind die Menschen, die hie und da mit den Chören in Kontakt kommen, vielleicht bei einem Altennachmittag, einer Baumpflanzaktion, einem Ständchen beim Geburtstag... Und sie meinen, die Leute würden dann genauso über den Gesangverein reden, wie die Männer von - äh - von diesem Elefanten? Pfr.: Bestimmt! Die beim Altennachmittag würden denken: Gesangverein ist ein Club von Männern oder Frauen oder beidem, je nach dem, die den Alten ein paar Volkslieder zum Besten geben. G.: Beim "Baumpflanzen" am letzten Mittwoch hätte man uns für den Obst- und Gartenbauverein halten können! Pfr.: Sehen Sie! Und die Leute, die zufällig ein Geburtstagsständchen mitbekommen, werden meinen: Der Männer- oder Frauenchor verschönt Familienfeste! G.: Das stimmt ja auch! Pfr.: Gewiß, alles stimmt - für sich genommen. Aber es ist nicht das Ganze! G.: Heute könnte man nun auf den Gedanken kommen: Der Gesangverein wäre ein Kirchenchor! Pfr.: Und bei der Vorstandssitzung: Als würde nur über Zahlen und Termine gesprochen und gar nicht gesungen! G.: Aber was wollen Sie jetzt damit sagen? Pfr.: Ich will sagen: Erst das Ganze macht den Elefanten, pardon, den Gesangverein! Erst wer alles sieht, hört und mit dem Herzen wahrnimmt, weiß, was das ist! G.: Man meint ja, sie wollen Werbung machen... Pfr.: Warum nicht, ich finde so einen Verein etwas Wunderbares! Aber ich möchte vor allem einmal den Blick schärfen, was das eigentlich heißt: Ein Gesangverein...mit so vielen Aufgaben, so zahlreichen Mitgliedern, mit großer gesellschaftlicher und kultureller Bedeutung für unser Dorf... G.: Das stimmt. Wer uns nur einmal hier in der Kirche oder beim Kritiksingen erlebt, der weiß wirklich nicht alles! Pfr.: Die vielen Übungsstunden der Chöre! Die viele Zeit, die nötig ist, bis man dann an die Öffentlichkeit treten kann. Der große Idealismus, die Opfer und das Engagement. Die Leitungsaufgaben, die Koordination - gerade jetzt für das Fest... G.: Und das sollen die Menschen - von außen - alles sehen? Aber warum? Genügt es nicht, wenn sie sich halt am Chorgesang erfreuen? Pfr.: Üblicherweise schon. Aber bei einem 100jährigen Jubiläum! G.: Ja, das ist schon eine gewaltig lange Zeit! Pfr.: Ich denke halt auch, wir müssen gerade heute einmal das Ganze sehen, die gesamte lange Zeit eines Jahrhunderts, mit allem, was an Übung und Mühe, an Einsatz und Leistung dazugehört hat, um diesen Gottesdienst recht feiern zu können! G.: Man wird fast andächtig dabei... Pfr.: ...und hoffentlich sehr dankbar! Es ist ein sehr großes Fest: 100 Jahre Gesang und all die vielen Dinge, die dazugehören! Es ist ein großes Geschenk Gottes, daß er uns diesen Tag erleben läßt. Wir müssen sehr, sehr dankbar sein! G.: Aber zurück zu dem Elefanten... Sie sagten, es gäbe eine zweite Verbindung von diesem Bild zu uns? Pfr.: Die ist jetzt mehr von innen! G.: Also die Mitglieder? Pfr.: Die Sängerinnen und Sänger, auch die Chorleiter, die Damen und Herren vom Vorstand...alle, die aktiv dabei sind! G.: Die sollen auch das Ganze im Auge behalten? Was heißt das? Pfr.: Ich denke, es ist nicht gut, wenn die Menschen im Verein nur ihr kleines Interesse sehen, ihren Chor etwa, oder ihre Aufgabe - und sonst nichts. G.: Meinen Sie, diese Gefahr besteht? Pfr.: Sie besteht wohl immer, wo viele Menschen an einer Sache mitwirken: Jeder bringt nunmal seine Wünsche ein, seine Bedürfnisse, sein Eigeninteresse. G.: Haben Sie ein Beispiel? Pfr.: Vielleicht hatte einer etwas anderes vor, wenn bei einer Goldenen Hochzeit zu singen ist. Da steht dann privates Interesse gegen den Verein. G.: Und sie meinen, da hat der Verein Vorrang? Pfr.: Die Gemeinschaft von Menschen geht immer vor den Einzelnen! Und wenn eine solche Gemeinschaft nun 100 Jahre alt wird! G.: Das soll niemand aufs Spiel setzen? Pfr.: Nein, um keinen Preis! Aber man muß es vielleicht einmal sagen: Diese Zeit heute neigt dazu, sich in Individualismus und Eigenbrödelei zu verlieren! G.: Es gibt ja auch genug Angebote, die uns heutige Menschen vereinzeln: Das Fernsehen, die Beweglichkeit durch das Auto für jedermann, der Wohlstand - jeder hat sein eigenes Werkzeug, seine Geräte, keiner braucht den Nachbarn mehr! Pfr.: Aber die Gemeinschaft, wie sie ein solcher Verein bietet, ist unschätzbar wertvoll! Wir brauchen sie, um Menschen zu bleiben! G.: 100 Jahre lang konnte unser Gesangverein diese Gemeinschaft sein. Pfr.: Ich wünsche den Menschen, die in ihm singen und wirken, daß sie immer das große Ganze im Blick haben - dann wird er es bleiben! G.: Aber Sie sagten vorhin noch: Dieses Bild vom Elefanten und den Männern mit den Augenbinden hätte auch etwas mit der Gemeinde zu tun? Pfr.: Da gilt alles genauso: Wie der Verein besteht die Gemeinde aus mehr als etwa Gottesdienst oder der Kindtaufe, die ich miterlebe. G.: Auch hier sehen die Leute vielleicht einen zu kleinen Ausschnitt der Arbeit, die gemacht wird. Pfr.: Sie könnten dann leicht die Bedeutung der Kirchengemeinde unterschätzen! G.: Und ihr nicht die Ehre zuteil werden lassen, die ihr zukommt? Pfr.: Es geht weniger um ihre Ehre - es geht um die Ehre Gottes! Um die nämlich mühen sich die Menschen - in der Gemeinde! G.: Und auch hier wäre es gut, das große Ganze zu sehen? Pfr.: Ja, von außen, wenn man so sagen darf und von innen auch ! Eine Gemeinde besteht ja auch aus vielen Menschen und jeder hat seine eigenen Interessen, seine Bedürfnisse, seine Wünsche. G.: Auch da tasten die Leute sozusagen an dem Elefanten herum und könnten - blind wie sie durch die Augenbinde sind - sagen: Das Ohr oder der Rüssel ist das ganze. Pfr.: Vor allem steht auch hier auf dem Spiel, ob die Gemeinde die Gemeinschaft ist, die sie sein könnte! Wem der Gottesdienst zu Heiligabend genug ist, der wird den Halt nicht erfahren, der von der Kirche und ihrer Sache für mein Leben ausgehen kann! G.: Das leuchtet ein. Eigentlich gibt es also viel Verwandtschaft zwischen einem Gesangverein und einer Kirchengemeinde! Bei beiden ist die Gemeinschaft wichtig! Pfr.: Und bei beiden darf man nicht nur den kleinen Ausschnitt sehen, der einen jetzt gerade interessiert oder was einem durch irgend einen Umstand gerade wichtig ist. G.: Und beide verlangen auch Einsatz! Pfr.: Manchmal sogar Opfer! G.: Aber sie geben auch viel. Freude, Zusammenhalt, Gemeinschaft und fröhliches Miteinander! Pfr.: Deshalb sind sie auch einmal ein Opfer wert und die Zeit und das Engagement lohnen sich! G.: Nicht nur vor so einem Fest!? Pfr.: Immer! Wir Menschen brauchen die Gemeinschaft eines solchen Vereins und unserer Kirchengemeinde. In dieser Zeit mehr denn je! G.: Hoffentlich legen die Männer auf dem Bild die Augenbinden ab und sehen das große Ganze! Pfr.: Hoffentlich geschieht das auch - im Leben! G.: In unserem Gesangverein... Pfr.: ...und in der Gemeinde! G.: Es gibt wirklich viel Grund zur Dankbarkeit: Daß Gott uns diesen Verein 100 Jahre lang erhalten hat und seine Arbeit gesegnet hat... Pfr.: Und auch für die Gemeinde, die ja rund 20mal so alt ist, dürfen wir Gott danken! G.: Was so ein seltsames Bild alles sagen kann! Pfr.: Vielleicht denken wir noch lang an den "Elefanten" und die Leute mit den Augenbinden! G.: Und sehen immer das Ganze: Die Gemeinschaft der vielen - mit so unterschiedlichen Interessen... Pfr.: Aber hoffentlich einem gemeinsamen Geist!