Predigt zum Buß- und Bettag - 20.11.2002 Textlesung: Jes. 1, 10 - 17 Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra! Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Bö- cke. Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir - wer fordert denn von euch, daß ihr meinen Vorhof zertretet? Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Greuel! Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht! Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin's müde, sie zu tragen. Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, laßt ab vom Bösen! Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache! Liebe Gemeinde! Das ist wahrhaftig ein Text zum Buß- und Bettag! "Meine Seele ist feind euren Festen!" - Was soll mir die Menge eurer Opfer?" - "Wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht!" Nur: Ob uns diese Worte auch zu rechter Buße führen können, so hart wie sie sind? Und ob wir an ihnen wohl rechtes Beten lernen, wenn sie uns doch so heftig angreifen und ja auch ärgern? Schon die Anrede des Propheten ist ja ein starkes Stück - damals wie heute: "Ihr Herren von Sodom!" - "Du Volk von Gomorra!" Wir wissen doch, wer hier gemeint ist: Zwei Städte, deren Untaten zum Himmel ge- schrien, Menschen, die Gott gelästert und verspottet haben. Sind wir wie Sodom? Was haben wir gemein mit Gomorra? Ich möchte sie einmal einladen, allen - vielleicht ja berechtigten - Ärger über diese Worte des Jesaja zu vergessen, allen Zorn und alle Empörung für eine Weile abzutun. Auch in harten Vorwürfen, auch in schroffer Zurechtweisung kann ja Wahrheit liegen und ein Hilfe, es anders und besser zu ma- chen. Wo wir Eltern sind, kennen wir das doch: Wir mußten mit den Kindern schimpfen, haben uns dabei vielleicht auch im Ton vergriffen und es hat uns leid getan... Aber unser Kind hat doch gehört, ist unserem Willen gefolgt und es war gut so. Oder wenn wir an unsere eigenen Eltern denken: Das kam doch vor, daß der Vater uns gescholten und es damit stark übertrieben hat. Oder die Mutter hat uns aus einer Aufregung heraus verletzt und gekränkt. Am Ende aber haben wir doch erkennen kön- nen, was Vater und Mutter eigentlich erreichen wollten - und das war gut, obwohl die Art, wie sie's erreicht haben, vielleicht nicht gut war. - Nennen wir Gott nicht auch unseren Vater? Und ist er nicht auch wie eine Mutter für uns? Versuchen wir einmal so die Worte Gottes zu hören, die Jesaja uns weitersagt: Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. - Versuchen wir nicht auch immer wieder auf Gott Einfluß zu nehmen? Vielleicht geben wir hie und da in der Kirche eine wirklich hohe Kol- lekte, weil wir uns sagen, das wird Gott aber gefallen, ihn umstimmen, für mich einnehmen. Die Ge- danken dazu machen wir uns in aller Stille, ganz hinten in unserem Kopf, wo wir kindlich naiv mei- nen, da sehe Gott wohl nicht hinein. Manchmal verhandeln wir mit Gott aber auch ganz offen: Wenn du mir endlich das tust, dies schenkst, mich gesund machst oder mir in der Sache hilfst, die mich so beschäftigt, dann will ich dir auch... (Freilich merken wir dann vielleicht doch, wie unangemessen unser Feilschen dem großen Gott gegenüber ist!?) Und selbst das gibt es, und es ist im Grunde nichts anderes als mit Gott handeln zu wollen: "Wenn du mich nicht endlich erhörst, dann werde ich meinen Glauben an dich fahren lassen!" Das Räucherwerk ist mir ein Greuel! - So schreibt Jesaja weiter im Auftrag Gottes. Und wie gut paßt dieser Satz hierhin! Denn viel Äußerlichkeit ist in unserem Verhältnis zu Gott! Wir meinen, es käme auf die Länge unserer Gebete an oder die Innigkeit, mit der wir sie vortragen oder gar den Augenaufschlag, mit dem wir das tun. Und doch wissen wir es: Gott sieht das Herz an. Nichts an unserer äußeren Maske, unseren Gesten oder der schön geschmückten Fassade unseres Lebens kann ihn täuschen. Der Vater sieht, was echt ist an seinem Kind! Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten. - Hier mußte ich daran denken, wie gern wir doch die Feste, die Gott uns geschenkt hat, die Feiertage seiner Kirche, nur noch benutzen, um uns selbst zu feiern, um Tage zu haben, an denen ausgeschlafen werden kann, die willkommen sind, liegengebliebene Aufgaben abzuarbeiten oder uns feuchtfröhliche Runden zu bescheren. Wie wenige wissen überhaupt noch, daß die "Kirmes" der Geburtstag der Kirche im Ort ist? Für wen ist "Christi Himmelfahrt" mehr als der "Vatertag" und damit vielleicht der Beginn der Grillsaison des Sport- o- der Gesangvereins? Wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut.- Spätestens hier werden uns die Worte des Jesaja nun doch zu bunt: "Hände voll Blut"!? Ja, wo denn? Aber auch diese - zugegeben arg drastische - Behauptung, läßt sich auf uns übertragen - und trifft uns: Wie oft bitten wir Gott um eben die Dinge, die wir anderen verweigern? Wir wünschen uns Glück - und wir sind doch am Unglück mancher Mitmenschen nicht unschuldig. Wir beten um Gesundheit - und sor- gen doch mit dafür, daß anderen unsere Art, unser schwieriges Wesen oder einfach eine unbedachte Äußerung lange schwer auf der Seele liegt. Wäre nicht oft ein Gespräch mit einem Mitmenschen, ein Wort des Verzeihens oder eine Bitte um Vergebung die erste Voraussetzung dafür, daß wir Gott in unser Gebet rufen? Müßten wir nicht manchesmal zunächst mit unseren Nächsten ins Reine kom- men, bevor wir von Gott fordern und erbitten, was wir doch anderen nicht zu geben und zu gewäh- ren bereit sind? Wie treffend ist darum doch auch das: Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, laßt ab vom Bösen! - Und viel- leicht wollen wir ja wirklich - gerade heute am Buß- und Bettag - einmal darüber nachdenken, wie wir auf dem Weg umkehren, den wir da schon längere Zeit, vielleicht schon Jahre gehen? Wir wür- den damit diesem Tag heute auch seinen eigentlichen Sinn wiedergeben, denn Buße heißt nichts an- deres als Umkehr! Wie "waschen", wie "reinigen" wir uns also von allem, was nicht zu uns paßt, wenn wir Christen sein wollen? Was könnte es für uns heißen, "vom Bösen abzulassen"? Wir bleiben nicht ohne Antwort: Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache! - Wo uns das eine zu antiquierte, überholte Sprache ist, möchte ich es uns noch einmal in unseren Worten und Beispielen aus unserem Leben nahebringen: "Hören wir auf, mit Gott handeln zu wollen! Gehen wir davon aus, daß er uns kennt, durchschaut und doch liebt - eben wie ein Vater oder eine Mutter die Kinder liebhat. Und wenn wir Gott dann um etwas bitten, wollen wir ihm für die Erfüllung nichts anbieten und für den Fall der Hil- fe keine Zugeständnisse machen! Gott braucht uns nicht, braucht auch unsere Angebote nicht. Und glauben wir ihm doch einfach, daß er uns immer das tut, was für uns gut und richtig ist - allerdings nach seinem höheren Willen und nach seiner Sicht der Welt und ihrer Zusammenhänge und dem, was er gerade mit uns vorhat und erreichen will. Tun wir alle Äußerlichkeit ab! Es kommt allein darauf an, daß wir beten - nicht wie wir es tun. Und es kann keine Maske vor Gott verbergen, wie wir eigentlich denken und was wir wirklich beabsich- tigen. Geben wir den Festen und Feiertagen - wenigstens für uns selbst - wieder den Sinn, den sie haben sollten. An Kirchweih sollen wir daran denken und uns darüber freuen, daß unsere Christengemeinde hier am Ort ein Haus hat, Gott zu loben, ihm zu danken und sein Wort zu hören. An Christi Himmel- fahrt hat Gott uns gezeigt, daß dieser Jesus wirklich der Christus ist, der zu ihm gehört, der dort wohnt, wo er wohnt und da herrscht, wo seine Herrschaft gilt. Und schließlich ist jeder Sonntag nicht nur für's Schlafen und Ausruhen gedacht, sondern für die Besinnung auf Gottes Willen, für das immer wieder neue Ausrichten unseres Lebens, so wie er es gemeint hat und zum Hören, was unsere Aufgabe vor Gott ist und was sein Wille von uns haben möchte. Und bei allem soll uns leiten, daß wir nicht von anderen verlangen, was wir selbst nicht zu tun bereit sind und ihnen nicht verweigern, was wir uns doch in unseren Gebeten erbitten. Ich glaube, das meint der Prophet, wenn er uns heute zuruft: Höret des HERRN Wort! Nimm zu Oh- ren die Weisung unsres Gottes! Lassen wir uns von der vielleicht harten Sprache nicht abhalten, in diesen Worten und Weisungen das zu suchen, was uns ändern möchte. Gott, der Vater, verlangt nichts Unmögliches von seinen Kindern und schon gar nichts, was ihnen schaden könnte! Ich wün- sche uns gesegnetes Nachdenken darüber.