Predigt zum Erntedankfest - 6.10.2002 Textlesung: Hebr. 13, 15 - 16 So laßt uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergeßt nicht; denn solche Opfer gefallen Gott. Liebe Gemeinde am Erntedankfest! Schon vor vielen Jahren habe ich einmal von einem Erntedankgottesdienst in einer Stadtgemeinde gehört, der anders war als üblich und darum als sehr anstößig empfunden wurde! Der Erntedankaltar war von Jugendlichen aus der Gemeinde geschmückt worden. Neben die Salatköpfe, die Karotten, das Weißkraut, das Obst und den obligatorischen Kürbis im Hintergrund, hatten sie verschiedene Gegenstände gestellt, die - wie viele zuerst meinten - mit Ernte überhaupt nichts zu tun hatten: Da sah man ein elektrisches Rührgerät, das Werkstück eines jungen Feinmechanikers, eine Bohrmaschi- ne, eine Schallplatte, Bücher und noch einige Dinge des Alltags, der Arbeit und der Freizeit, an die wir nicht gleich denken, wenn es um die Ernte und die Gaben Gottes geht. Es hat damals hernach heftige Diskussionen im Kirchenvorstand gegeben. Aber ich glaube, am Ende haben die meisten ver- standen, was die jungen Leute sagen wollten. Und nicht nur das: Viele fanden es gut und berechtigt! Und wirklich: Gehören denn diese "anderen" Dinge des Lebens nicht zu den Geschenken, die Gott uns gibt? Und: Müssen wir nicht auch dafür dankbar sein, daß wir sie haben? Heute könnten wir sogar noch einiges mehr auf den Altar legen, was es vor Jahren gar nicht gegeben hat: Das Videogerät, die Satellitenschüssel, vielleicht einen Computer... Auch das wollten wir gewiß nicht missen! Und - bei allen kritischen Gedanken zu diesen Sachen auf der anderen Seite - Gründe zum Danken sind es wohl auch! Wenn also heute auf unserem Altar auch "nur" die Feldfrüchte und die Gaben unserer Gärten liegen, wir wollen die anderen Dinge unseres heute äußerlich so reichen Lebens einbeziehen: So als lägen sie auch hier vorne und so, daß wir auch für sie unseren Dank an Gott abstatten. Wie wir danken können, das hören wir ja in diesen Worten: "So laßt uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen... Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergeßt nicht; denn solche Opfer gefallen Gott." Gott dafür zu loben und ihm zu danken, wird dabei wohl das kleinere Problem sein - wenn wir uns in dieser Zeit auch damit - bei all dem selbstverständlichen Wohlstand und Luxus - ein wenig schwer- tun. Aber "teilen" und "Gutes tun" mit diesen Dingen? Da fragen wir uns jetzt sicher, wie das denn gehen soll? Daß ich von meinen Kartoffeln abgebe, kann ich mir ja noch vorstellen. Daß ich von zwei Krautköpfen einen wegschenke, auch! Aber wie teilt man ein Rührgerät? Oder ein Buch, eine Schallplatte oder gar ein feinmechanisches Werkstück? Wenn wir jetzt ein bißchen tiefer blicken, ist das eigentlich ganz einfach: Da steht das "Küchengerät" für all das, was uns heute Zeit schenkt, die früher mit lebensnotwendiger Arbeit gefüllt war! Das Buch und die Platte könnten für Freizeit und Entspannung stehen. Und das Werkstück schließlich für die Arbeit selbst, die wir haben, den Arbeitsplatz, an dem wir unser Geld verdienen und die Freude und Bestätigung erfahren, die das gibt, die Hände und den Kopf regen und bewegen zu dür- fen. Wie gesagt: Das Danken wird uns nicht so schwerfallen, wenn wir nur einmal deutlich sehen, wie reich beschenkt wir eigentlich sind! Wie ist unser Leben doch so viel leichter geworden in den letz- ten Jahrzehnten! Wie hart mußten unsere Eltern und viele von uns selbst vor Jahren noch schuften und sich plagen im Betrieb, im Haushalt und auf den Feldern. Wir haben wirklich viel Zeit gewon- nen, wenn wir sie uns nur nehmen wollen! Und wo kannten wir denn früher "Freizeit"? Das Wort selbst gab es noch gar nicht! Auch die Wörter "Urlaub", "Entspannung" und "Verreisen" waren un- bekannt. Dagegen hat sich noch kaum jemand darüber Gedanken machen müssen, daß auch "Arbeit" ein hohes Gut ist und gar nicht selbstverständlich, wenn man welche hat! Wie gesagt: So betrachtet finden wir sicher zum Danken für diese Dinge! Wie aber kann man sie teilen? Auch das ist eigentlich gar nicht so schwierig - wenn wir es nur wollen! Wenn ich doch heute mehr Zeit habe als früher, dann will ich sie meinem Mitmenschen schenken, der sie braucht! Wenn ich selbst schneller fertig bin mit meiner Arbeit, meinem Haushalt oder Garten, dann kann ich dem Nachbarn doch anbieten, daß ich ihm helfe? Da ist nur ein bißchen Phantasie nötig. Und ich werde sicher auch einen Weg finden, daß er meine Hilfe annehmen kann, ohne daß es ihm peinlich sein muß. Und es gibt ja auch in unserem Dorf (unserer Stadt) an vielen Stellen schon jahre- und jahr- zehntelang solche guten Beziehungen gegenseitigen Beistands und verschenkter, miteinander geteil- ter Zeit! Ganz ähnlich geht das mit der Entspannung und der Freizeit! Die fallen ja wie von selbst auch für den ab, dem ich meine Stunden und Minuten weiterschenke. Da kann vielleicht auch der einmal ein paar Tage Urlaub machen, der immer durch seine Verpflichtungen zu Hause angebunden ist. Wenn ich da einmal einspringe!? Bei der Arbeit selbst ist es nicht ganz so einfach. Jeder wird froh sein, wenn er einen Arbeitsplatz hat. Den zu teilen, macht große Schwierigkeiten, die wir meist gar nicht bewältigen können. Aber ich finde, wir könnten alle ein bißchen mehr Mitgefühl und Verständnis für die aufbringen, die oft völlig unverschuldet und gewiß nicht wegen ihres Mangels an Einsatz oder Fleiß in die Arbeitslosig- keit geraten sind. Immer noch und immer wieder bürden wir Menschen, die keine Arbeit haben, auch noch unsere hochmütigen Blicke auf und unser überhebliches Denken: "Das wird schon seinen Grund haben"...und unseren Dünkel: "Mir kann das nicht passieren!" - (Können wir in dieser Zeit und diesem Land wirklich noch von etwas behaupten, es könnte nie passieren? Hätten wir vor nur 10 Jahren z.B. für möglich gehalten, was inzwischen an Sozialabbau und Belastung der Schwachen, der Kranken und Armen durchgepaukt worden ist?) Liebe Gemeinde, es war schon in vor Jahren sehr berechtigt, auch die Symbole für Zeit, Erholung und Arbeit auf den Erntedankaltar zu legen. Und es ist heute noch richtiger und noch wichtiger. Und darum stehen auch diese Symbole jetzt unsichtbar mit dort vorn! - Ich habe heute nun - auch wenn wir sie ebenfalls nicht sehen können - noch einige andere Dinge vorn auf den Altar gelegt, die zu den Gaben gehören, für die wir heute danken und die wir teilen und weiterschenken wollen. Wenn ich jetzt davon spreche, werden ihnen sicher noch weitere solcher Dinge einfallen. Dann lade ich sie ein, die auch noch - jeder für sich - dort vorn neben die Feldfrüchte zu legen. Ich will einmal drei von diesen Sachen ansprechen: Der Glaube ist so ein Ding! Wenn ich mich auch nur in unserer Gemein- de umschaue, dann erschrecke ich oft! Wie viele Menschen haben doch keinen Halt mehr und kein Ziel im Leben. Sie fallen durch ihre Tage wie ein geworfener Stein. Wenn wir sie fragten, wofür sie eigentlich leben, dann würden sie vielleicht von Spaß reden, von Karriere, von "es zu etwas brin- gen"... Aber sie könnten sich damit nicht einmal selbst überzeugen. Denn am Ende wartet ja das Nichts auf diese Menschen, das Dunkel, der Tod. - Wir können diesen Leuten etwas sehr Großes geben: Das Beispiel eines Lebens, in dem Gott wichtig ist, dem man ansieht und abspürt, daß es ge- tragen und gehalten ist und daß wir von einem Leben nach dem Tod wissen! Das wollen wir nicht aufdringlich oder hochmütig vermitteln und mitteilen, sondern bescheiden und fröhlich und darum überzeugend! Und die Zufriedenheit ist so ein Ding! Wie verkniffen und verbiestert sind doch manche Zeitgenos- sen! Immer unzufrieden. Nie ist es genug, was sie haben. Und wenn doch, dann ist ihnen das auch nicht recht: Ist die Ernte gut, dann macht sie zu viel Arbeit. Ist sie schlecht, dann hat es sich nicht gelohnt. Klagen - wie immer es auch kommt. Beschwerden - was immer auch geschieht. - Hier könnten wir mit unserem Wort und Beispiel wenigstens einmal zum Nachdenken anregen: Wenn wir sagen, daß wir uns an diesem und jenem freuen, wenn wir auch davon reden, was uns glücklich und froh gemacht hat, wenn wir dankbar sind und es auch zeigen und aussprechen... Und schließlich zählt für mich die Treue zu den Sachen, die ich mit dort vorn hingelegt habe: Es macht sicher nicht nur mich traurig, mit anzusehen und zu erleben, wie wenig heute oft ein gegebe- nes Wort gilt, wie schnell Menschen auseinanderlaufen, die ein Leben lang zusammenbleiben woll- ten, und wie doch einfach kein Verlaß mehr auf viele Mitmenschen ist. - Da eine und einer zu sein, auf die man zählen kann, die unbedingt verläßlich sind, die ihre Versprechen halten, das ist wahrhaf- tig ein Wert zum Teilen und kann schon ein gutes, entscheidendes Vorbild geben! Liebe Gemeinde, was legen Sie noch dort auf den Altar? Die Liebe vielleicht? Die Hoffnung? - Was auch immer es ist, wir wollen es heute nicht gedanken- und danklos hinnehmen, sondern so: 2. Textlesung